Schalker Rosi und Manni: Ein Herz für Schiris
Im Auftrag von Schalke II: Manni und Rosi Leisten kümmern sich seit 25 Jahren rührend um die Schiedsrichter. [Foto: Fotos Buschmann, imago; Collage FUSSBALL.DE]
Die neue Saison in der Regionalliga West läuft. Mit dem Heimspiel an diesem Freitag gegen den 1. FC Köln II ist auch für die zweite Mannschaft des FC Schalke 04 mit einwöchiger Verspätung die Punktejagd eröffnet. Mit dabei beim Saisonauftakt waren selbstverständlich Manni und Rosi Leisten. Denn Schiedsrichter sind ihre Leidenschaft – die rüstigen Rentner aus Gelsenkirchen sind unsere FUSSBALL.DE-Kultfiguren der Woche.
Wer sich im Fußball für den Job an der Pfeife entscheidet, ist entweder nicht gut genug am Ball oder hat Profilneurose. So oder ähnlich vorurteilsbeladen sehen einige Spieler und Fans die Zunft der Schiedsrichter. Ohne sie wäre Fußball zwar nicht möglich, gedankt wird es ihnen aber nur ganz selten. Bei Rosi und Manfred Leisten ist das anders, sie haben ihr Leben, oder zumindest einen Teil davon, den Unparteiischen verschrieben. Das Ehepaar betreut auf Schalke die Schiedsrichter bei den Heimspielen der zweiten Mannschaft – und das seit einem Vierteljahrhundert!
Kurt-Schumacher-Straße. Mitten auf der „Schalker Meile“ haben die Leistens ihre Heimat, seit 1972. Schon morgens beim Kaffee ist das alte Schalke allgegenwärtig, vom Balkon aus haben sie einen wunderbaren Blick auf die Glückauf-Kampfbahn. Hier haben Rosi und Manni Leisten früher zwar noch Bernie Klodt, Kapitän der Schalker Meisterelf von 1958, und Reinhard „Stan" Libuda spielen sehen und mit den S04-Stars gejubelt, doch ihre Leidenschaft steckten sie nicht in die Profielf. „Wir sind seit 1978 bei den Amateuren dabei, damals unter Manni Kreuz als Trainer“, erinnert sich Rosi Leisten. „Erst nur bei den Heimspielen, aber dann auch oft auswärts.“
Unfreiwillig zum Stadionsprecher
"Wir sind seit 1978 bei den Amateuren dabei. Erst nur bei den Heimspielen, aber dann auch oft auswärts"
Die zweite Mannschaft, im Verein lange stiefmütterlich behandelt, zehrt noch heute von der ehrenamtlichen Arbeit der beiden treuen Seelen. Anfang der 90er Jahre wurden aus den bloßen Anhängern der Schalker Reserve die unverzichtbaren Helfer, die sie auch heute noch sind. „Das fing alles an, als Klaus Fischer Trainer der Amateure war. Da spielte die Zwote noch in der Glückauf-Kampfbahn“, sagt Rosi Leisten. „In der Tribüne gibt es einen kleinen Aufenthaltsraum, in dem wir gerne Kaffee und Kuchen für die Schiedsrichter und die Zuschauer anbieten wollten. Margit Fischer und einige der Spielermütter haben leckeren Kuchen gemacht, den wir dann für kleines Geld verkauft haben.“
Ihr Mann wollte da nicht nachstehen und wurde – unfreiwillig – zum Stadionsprecher. „Bodo Menze (damals Schalkes Jugendleiter, Anm. d. Red.) hat mich gefragt, ob ich mir das zutrauen würde. Zunächst war ich skeptisch, aber dann ging es“, berichtet Manni Leisten. So richtig sein Ding war es aber nicht, den Lautsprecher zu markieren. Also nahm er sich der Betreuung der Unparteiischen an – und blieb bis heute dabei. „Das mache ich sehr gern, inzwischen kennen mich auch die meisten Schiedsrichter“, sagt er. „Einen oder zwei Tage vor dem Spiel telefonieren wir miteinander. Dann frage ich sie, ob ich sie abholen soll oder sie direkt zum Stadion kommen.“
Einmal gefehlt in 25 Jahren
Probleme hat Manni Leisten höchstens mit seinem fahrbaren Untersatz. Denn wenn ein Verein wie der große FC Schalke 04 seinen Schiedsrichter-Betreuer losschickt, um die Schiris vom Bahnhof abzuholen, dann erwarten diese gelegentlich etwas anderes als den alten Opel Corsa, mit dem der Rentner vorgefahren kommt. Eine sehr gute Erfahrung gemacht hat er dafür mit einem Schiedsrichter: Babak Rafati. „Der war richtig nett“, meint Manni Leisten. Auch zu Sascha Stegemann, inzwischen in der Bundesliga an der Pfeife, haben Rosi und Manni ein gutes Verhältnis.
Einmal in fast 25 Jahren haben es sich die Leistens tatsächlich erlaubt, bei einem Heimspiel der Schalker Reserve zu fehlen. Auf Einladung ihres Sohnes waren sie für ein Wochenende in München, doch zu Hause auf Schalke brannte der Baum. „Riem Hussein war als Schiedsrichterin angesetzt. Die gute Frau kommt aus Bad Harzburg und reiste mit dem Zug. Sie wollte am Bahnhof Wanne abgeholt werden, doch meine Vertretung war nicht da, sodass sie ein paar Haltestellen mit der Straßenbahn zum Sportpark weiterfahren musste“, erzählt Manni Leisten. Nicht von ungefähr betont Bodo Menze, bis vor einem Jahr Technischer Leiter der „Knappenschmiede“ und immer noch gerne bei der U23 zu finden: „Ihr seid unkündbar!“
So tun Rosi und Manni Leisten, inzwischen 75 beziehungsweise 76 Jahre alt und mehr als ein halbes Jahrhundert lang verheiratet, auch in der neuen Regionalliga-Saison wieder das, was sie so ähnlich seit Ewigkeiten tun: Manni kümmert sich um die Schiedsrichter, Rosi um den Kuchen und alle anderen Kleinigkeiten sowieso, die einem normalen Stadionbesucher meistens gar nicht auffallen. Dass sie für ihr liebevolles Engagement keinen Cent sehen, ist für sie selbstverständlich. Bei einem Verein und Konzern allerdings wie Schalke 04, der im Jahr mehr als 250 Millionen Euro Umsatz macht, wirkt ihr Ehrenamt dennoch wie aus der Zeit gefallen.