Kulttrainer: In Hamborn ist Schacht die Macht
Geht lautstark voran: Dietmar Schacht. [Foto: imago]
57 Punkte, 19 Siege in 19 Spielen, ein Torverhältnis von 79:14 – die Bilanz der SF Hamborn 07 und ihres Kulttrainers Dietmar Schacht würde jedes kitschige Weihnachtsmärchen aufwerten. Aber es ist keine Erfindung, es ist die Realität. Die Hamborner Löwen aus dem Ruhrgebiet eilen mit großen Schritten dem Aufstieg in die Landesliga entgegen. Für die Bezirksliga ist die Mannschaft viel zu stark. Kann Schacht dem Klub tatsächlich wieder zu altem Glanz verhelfen? Kann der knorrige Ex-Profi dem Traditionsverein wieder richtig Leben einhauchen?
Wer den Weg von Hamborn 07 in der jüngeren Vergangenheit zurückverfolgen möchte, muss schwindelfrei sein. Es war eine rasante Tour durch die verschiedenen Spielklassen. Geradeaus ging es dabei selten. Mal ging es ziemlich steil aufwärts, bis zum Gipfel der eigenen Möglichkeiten. Bis in die Oberliga. Und von dort ging es dann wiederum rasant abwärts. Bis ins Tal. Bis dorthin, wo sich die Schatten von der Sonne nicht mehr verdrängen lassen. Bis in die Bezirksliga.
Und genau dort ist der Klub jetzt wieder angekommen. Aber seit einem guten Jahr hat Dietmar Schacht die sportliche Verantwortung übernommen. Es war ein Glücksgriff der Verantwortlichen. Denn wenn Schacht etwas anpackt, dann richtig. Er lebt genau die Mentalität vor, die im Ruhrgebiet erwartet wird. Eigentlich war es nur eine Frage der Zeit, bis der Verein unter der Regie des 54-Jährigen das Statistendasein ablegt und wieder mal eine Hauptrolle übernimmt.
Als Spieler in Südkorea
"Ich habe den Spielern sehr schonungslos und offen gesagt, was mir nicht gefällt. Und das war eine ganz Menge"
„Die ersten drei Monate waren etwas holprig“, sagt Schacht, wenn er auf den Sommer 2015 zurückschaut. Auf den Beginn seiner Amtszeit. „Ich habe den Spielern sehr schonungslos und offen gesagt, was mir nicht gefällt. Und das war eine ganz Menge. Aber ich habe ihnen auch gesagt, dass wir Erfolg haben werden, wenn sie meine Anweisungen befolgen werden.“ Genauso ist es gekommen. „Jetzt muss ich kaum noch etwas sagen, weil alles wunderbar funktioniert“, sagt Schacht. Die Spieler sind wahrscheinlich über beides froh: Dass jetzt alles reibungslos klappt. Und dass ihr manchmal heißblütiger Trainer kühlen Kopf bewahren kann.
Schacht wäre nicht Schacht, wenn er nicht vor verfrühtem Optimismus warnen würde. Niemals würde der Fußball-Lehrer jetzt schon davon sprechen, dass der Aufstieg bereits so gut wie sicher sei. Trotz des Neun-Punkte-Polsters auf den Zweiten aus Vierlinden. Trotz einer Serie, wie es sie in Deutschland nicht allzu oft geben dürfte. Schacht macht sich gerne einen Spaß daraus, in Bildern zu antworten. „Ich kann doch einen Kuchen nicht verteilen, bevor ich ihn gebacken habe“, entgegen Schacht beispielsweise bei Fragen nach dem fast sicheren Aufstieg. Schacht ist im Moment nicht nur ein Erfolgstrainer, er ist auch ein Fußballphilosoph. Einer mit Ecken und Kanten.
Die Aufgabe in Hamborn ist für ihn eine Herzensangelegenheit. Anders ist sein Engagement in der Bezirksliga nicht zu erklären. Schacht ist für den Fußball um die Welt gereist. Er war als Spieler unter anderem in Südkorea, er war als Trainer in Liechtenstein, er hat die Frauen des SC 07 Bad Neuenahr betreut, er war Coach der deutschen Nationalmannschaft für Menschen mit geistiger Behinderung. Aber seine Heimat, seine Liebe, das ist das Ruhrgebiet. Schacht wohnt nur zehn Minuten entfernt von der Anlage von Hamborn 07. Wenn er mit seinem Hund spazieren geht, wird er auf die aktuelle Erfolgsserie angesprochen. Wenn er den Rasen in seinem Garten mäht, bleiben die Leute gerne mal stehen und schauen zu: „Die Menschen hier identifizieren sich total mit dem Fußball. Hamborn ist die Nummer zwei in Duisburg nach dem MSV. Wir sind gerade dabei, einen schlafenden Riesen zu wecken.“
Laut und polternd
Schacht macht das nicht behutsam. Das würde nicht seinem Naturell entsprechen. Er macht das bewusst laut, polternd und nachdrücklich. Und egal, was auch passiert. Er geht voran. Und er stellt sich immer vor seine Spieler. In schlechten Zeiten ist das manchmal nötig. In guten Zeiten, wie jetzt gerade, tritt er in den Hintergrund und überlässt „den Jungs“ die Bühne. Wenn einer dieses Vertrauen allerdings ausnutzt, kann Schacht auch ganz andere Saiten aufziehen. Schachts Macht in Hamborn in nahezu grenzenlos. Er ist Trainer und Sportdirektor und gute Seele und Organisator und noch vieles mehr in einer Person.
Nur weil die Verantwortlichen ihm dieses grenzenlose Vertrauen entgegen gebracht haben, hat er überhaupt den Entschluss gefasst, in die Bezirksliga zu gehen. Es war ein riskanter Schritt. Der Amateurfußball kann einen verschlucken, wenn es nicht gut läuft. Aber wer Erfolg hat, wird eben auch wieder ziemlich schnell nach oben gespült. Schacht hat immer mal wieder Angebote aus der Regionalliga oder der 3. Liga. Bisher hat er alles dankend abgelehnt. Seine Mission in Hamborn ist noch lange nicht beendet: „Ich wäge immer alle Vor- und Nachteile ganz genau ab. Und dann entscheide ich. Bisher war noch kein Angebot so verlockend, dass ich hier dafür alles stehen und liegen lassen würde. Aber ich will nicht ausschließen, dass das irgendwann so kommen kann.“ Ewige Treue kann er Hamborn 07 also auch nicht schwören. Das wäre nicht zeitgemäß im heutigen Fußball. Und heuchlerisch wäre es obendrein auch noch. Beide sind Charakteristika, die Schacht überhaupt nicht mag.
Detaillierter Trainingsplan für alle
Im Moment ist es so, dass die Beziehung perfekt läuft. Die Spieler folgen den Anweisungen ihres Trainers. Für die Zeit bis zum Start in die Rückrundenvorbereitung haben sie einen detaillierten Trainingsplan mitbekommen. Es ist ziemlich sicher, dass sich alle daran halten werden. Wenn nicht, merkt Schacht das direkt in der ersten Einheit im neuen Jahr. Mit den Konsequenzen wird der betroffene Spieler leben müssen. „Ich habe keine Sorge, dass es jemand schleifen lässt“, sagt Schacht. „Wir sind ein Siebtligist. Aber wir versuchen schon, so professionell wie möglich zu arbeiten. Wir machen ein Trainingslager und ich erwarte, dass die Jungs sich an einem Samstag vor dem Spiel nicht die Kante geben. Wir wollen nichts dem Zufall überlassen.“
Darum müssen nun im Winter auch ein paar grundlegende Entscheidungen getroffen werden. Wie geht es nach dem wahrscheinlichen Aufstieg in der Landesliga kommende Saison weiter? Die meisten Spieler haben ihren Vertrag bereits verlängert. „Wir sind gut aufgestellt, um auch in der Landesliga eine gute Rolle spielen zu können“, sagt Schacht. „Wir wollen mittelfristig weiter nach oben. Das funktioniert nicht, wenn wir ausschließen auf die Spieler setzen, die uns möglicherweise zum Aufstieg führen. Wir müssen den Kader weiter verstärken. Deshalb muss uns auch der eine oder andere verlassen. Da müssen wir manchmal harte Entscheidungen treffen. Aber so ist das Geschäft.“