Paketbote statt Profi: Westphal in 9. Liga
2008 verpflichtete der damalige Zweitligist Tino Westphal. Heute kickt er für Castrop-Rauxel in der Kreisliga A (linkes Bild, rechts).[Foto: Fotos CAS-TV_Bürgerfernsehen, Getty; Collage FUSSBALL.DE]
Er liefert Pakete aus, kümmert sich um zwei Kinder und spielt Fußball in der Kreisliga A: Das Leben von Tino Westphal, Ex-Profi von Rot-Weiß Oberhausen, hat sich radikal geändert. Seiner Zeit in der 2. Bundesliga trauert er jedoch nicht hinterher.
Bangen. Hoffen. Zittern. Die Geburt seines zweiten Kindes Noah war für Tino Westphal mit vielen schlaflosen Nächten verbunden. Am Ende aber ging alles gut. Sein Neugeborener ist gesund zur Welt gekommen. Und auch seine Frau Kamilla hat die Risikoschwangerschaft heil überstanden. Der 30 Jahre alte Ex-Profi von Rot-Weiß Oberhausen nimmt seine Rolle als Mann und Familienvater sehr ernst. Neben dem vier Monate alten Noah ist er auch Papa der drei Jahre alten Aliyah.
Daneben geht Westphal einem normalen Job nach, bringt den Menschen als Mitarbeiter des Paketdienstes DHL der Deutschen Post allerlei Pakete nach Hause. Eine Arbeit, die ihm gefällt. „Ich habe supernette Kunden. Das ist echt klasse“, sagt Westphal. Doch ab und zu ist es auch ein echter Knochenjob. „Körperlich ist das anstrengend. Die schweren Hundefutterpakete gehen auf den Rücken.“
Tabellenführer mit viel Vorsprung
"So eine Präzision habe ich in der Kreisliga noch nicht gesehen. Seine 35 Meter-Flachpässe genau in den Fuß sind eine Augenweide"
Klagen hört man von ihm aber nicht. Dafür war er noch nie der Typ. „Mein Vater hat immer gesagt: Nur die Harten kommen in den Garten. Das habe ich bis heute verinnerlicht“, sagt Westphal. Worte, die auch angesichts seines Fußballerdaseins in der Kreisliga A nicht überraschend kommen. Denn der ehemalige Oberhausener muss Wochenende für Wochenende so einiges einstecken. „Ich bin froh, wenn ich nach Hause komme und keine Beulen am Fuß habe.“ Auch wenn er sich an das Niveau in der Kreisliga A erst gewöhnen musste. „Der Fußball ist megalangsam und manchmal wissen die Spieler selbst nicht, was sie machen“, sagt der prominente Spieler der SG Castrop-Rauxel .
„Die Mannschaft ist echt top“, sagt der 30-Jährige. Zum einen lobt er die sportlichen Qualitäten seiner Mitspieler. Zum anderen stimmt auch das Klima innerhalb des Teams. Dazu trägt Westphal selbst bei, wie SG-Vorsitzender Björn Klieve erzählt: „Er stellt eine große Persönlichkeit dar und ist menschlich ein richtig großartiger Typ.“ So sei der zweifache Familienvater fast „immer mit einem freundlichen Lächeln zu sehen“ – ohne dabei jedoch seinen Ehrgeiz zu vergessen. „Er macht auch mal klare Ansagen“, sagt Klieve.
Wie der aktuelle Tabellenstand demonstriert, haben die westfälischen Fußballer der SG also die richtige Mischung gefunden. In der Kreisliga A im Kreis Herne ist der Verein nämlich kaum noch einholbar, hat schon acht Zähler Vorsprung auf den zweitplatzierten SG Herne 70. Sicher profitiert der Klub hierbei nicht nur von der starken Führung Westphals, sondern insbesondere seine Fähigkeiten als Fußballer helfen der SG. Klieve: „So eine Präzision habe ich in der Kreisliga noch nicht gesehen. Seine 35 Meter-Flachpässe genau in den Fuß sind eine Augenweide.“ Demnach ist es schnell erkennbar, dass da ein Ex-Profi bei der SG am Ball ist. „Alles, was er macht, hat Hand und Fuß.“ Als Sechser ist er in Castrop-Rauxel letztlich auch derjenige, der die „Strippen zieht“, so Klieve.
Mit der Post-Elf gegen Ballack
Und er ist auch durchaus ein Fußballer, dem der Durchbruch im Profifußball hätte gelingen können. 2008, beim damaligen Zweitligisten Rot-Weiß Oberhausen, legte Westphal einen vielversprechenden Start hin. Er sagt selbstbewusst: „Ich bin in der Vorbereitung eingeschlagen, was kein anderer gedacht hat.“ Allerdings warfen Westphal dann ein Muskelbündelriss und ein Faserriss zurück, sodass es unter Trainer Jürgen Luginger zu keinem Einsatz im Oberhausen-Trikot reichte. Es folgte der Wechsel zu den Sportfreunden Siegen – eine falsche Entscheidung, sagt der 30-Jährige heute. Doch zu dem Zeitpunkt gab es nicht allzu viele Alternativen. Von diesen habe er „erst im Nachhinein erfahren“, sagt Westphal enttäuscht.
Westphal kann mittlerweile gut damit leben, im Jahr 2017 und wohl auch darüber hinaus in Castrop-Rauxel mit Kumpel Marco Taschke zu spielen. Es ist demnach immer ein schönes Gefühl, wenn Mitspieler auf ihn zukommen und nach den Erfolgen zu ihm sagen: „Danke Tino! Das kommt von dir.“ Zudem hält sich Westphal für die Post-Fußballmannschaft fit. „Da spielt man gegen Leute wie Michael Ballack und Zvjezdan Misimovic. Da musst du fit sein“, meint er.
Die Priorität Nummer eins in seinem Leben hat aber nun die Familie. Er trauert auch zu keinem Zeitpunkt mehr seiner Profikarriere hinterher. „Dann hätte ich vielleicht die tolle Frau und die tollen Kinder nicht. Das sind alles Schicksalssachen“, betont Westphal. So war die Liebe zu seiner Partnerin Kamilla nicht unkompliziert, benötigte Energie und Zeit. „Sie ist Palästinenserin. Da hatten wir mit der Beziehung richtig kämpfen müssen.“ Doch all das hat sich gelohnt. Westphal ist seiner Frau dankbar, gerade nach dem Ende der Profizeit für ihn da gewesen zu sein. „Sie hat mich aufgefangen und mir den Rücken gestärkt“, ist Westphal erleichtert. Und mit seinem neuen Leben absolut glücklich.