Jung-Trainer |19.01.2017|15:15

Ex-Nationalspieler Helmes: Plötzlich Chef

Hat viel vor mit seinen Spielern: der neue Cheftrainer Patrick Helmes. [Foto: imago]

Patrick Helmes ist zurück im Fokus. Nachdem der frühere deutsche Nationalspieler wegen eines Hüftschadens vor eineinhalb Jahren seine Karriere beenden musste, ist er nun seit einigen Wochen Trainer der U 23 des 1. FC Köln in der Regionalliga West. Der 32-Jährige bereitet den Tabellenzwölften auf die Rückrunde vor, die am 12. Februar mit einem Nachholspiel gegen den Bonner SC startet.

Im FUSSBALL.DE -Interview blickt Helmes auf seine eigene wechselhafte Vergangenheit zurück. Er verrät, was der größte Fehler seiner Karriere war, warum er sich mit einem noch unvollständigen Puzzle vergleicht und warum er die Spieler zu mehr Eigenverantwortung erziehen möchte.

FUSSBALL.DE: Herr Helmes, seit Ende des vergangenen Jahres sind Sie Cheftrainer der U 23 des 1. FC Köln. Wie bewerten Sie diese Aufgabe?

Patrick Helmes: Es ist eine tolle Chance für mich. Ich bin den Verantwortlichen dankbar dafür, dass sie mir das Vertrauen entgegenbringen. Nach meinem Karriereende im Sommer 2015 ging ja alles unheimlich schnell. Ich war zunächst Assistent von Martin Heck, danach von Stefan Emmerling. Seitdem er kurz vor Weihnachten zum SC Paderborn gewechselt ist, stehe ich plötzlich in der ersten Reihe.

"Dass ich mir während eines privaten Kicks in der Halle einen Kreuzbandriss zugezogen habe, wird mich wahrscheinlich ewig begleiten. Aber das ist auch in Ordnung. Ich weiß, dass es ein Fehler war und kann damit umgehen"

Wie haben Sie die Arbeit mit der Mannschaft bisher erlebt?

Helmes: Ich durfte vorher schon viel Verantwortung übernehmen. Die Arbeit mit den Jungs ist ähnlich wie vorher. Ich spüre allerdings, dass ich in der Öffentlichkeit mehr im Fokus stehe. Es gibt verschiedene Interviewanfragen und man muss mehr organisatorische Dinge erledigen. Aber das gehört dazu, das mache ich gerne.

Sie waren selbst lange Profi. Ist das ein Vorteil, um sich besser in die Spieler reinversetzen zu können?

Helmes: Es schadet sicher nicht. Das sind alles junge Kerle. Ich kann nicht in ihren Kopf schauen. Aber ich bekomme schon ganz gut mit, was sie bewegt. Als Trainer einer Nachwuchsmannschaft hat man immer auch einen Erziehungsauftrag. Mir ist es wichtig, dass sich Spaß und Ernst die Waage halten. Die Jungs dürfen Fehler machen. Das gehört zur Persönlichkeitsentwicklung dazu. Aber sie müssen daraus lernen. Ich habe in meiner Karriere ebenfalls Fehler gemacht. Und ich weiß auch genau, welche Frage Ihre nächste sein wird.

Welche denn?

Helmes: Was mein größter Fehler war.

Und was antworten Sie?

Helmes: Das ist doch klar. Dass ich mir während eines privaten Kicks in der Halle einen Kreuzbandriss zugezogen habe, wird mich wahrscheinlich ewig begleiten. Aber das ist auch in Ordnung. Ich weiß, dass es ein Fehler war und kann damit umgehen. Manche Dinge passieren eben, auf die man gut hätte verzichten können. Man muss nach vorne schauen. Das versuche ich meinen Spielern auch zu vermitteln.

Welchen Eindruck macht die Mannschaft bisher auf Sie?

Helmes: Alle sind mit großem Eifer dabei. Die Intensität ist hoch. Es ist nicht alles perfekt. Aber das erwarte ich auch gar nicht. Der Wille ist auf jeden Fall deutlich zu spüren.

Der Wille wofür? Um den Sprung in die Bundesliga zu schaffen?

Helmes: Viele haben diesen Traum. Aber der Wille alleine wird nicht reichen, um das zu schaffen. Da kann ich aus eigener Erfahrung sprechen. Es gehören noch einige andere Dinge dazu.

Welche zum Beispiel?

Helmes: Ein wenig Glück hat noch nie geschadet. Verletzungen können einen schon ziemlich zurückwerfen. Talent haben alle. Aber die Jungs müssen ihre Fähigkeiten zur richtigen Zeit auf den Platz bringen. Sie müssen in ihrer Jugend viel opfern. Natürlich dürfen sie auch abends mal in die Stadt gehen. Das haben wir auch gemacht. Wichtig ist aber, dass sie am nächsten Morgen wieder auf dem Platz stehen und ihre Leistung bringen.

Ist Ihnen das gelungen?

Helmes: Nicht immer, aber doch schon ziemlich häufig. Mich haben Verletzungen zurückgeworfen und letztlich auch gestoppt. Dennoch bin ich nicht unzufrieden mit dem, was ich erreicht habe. Ich glaube, dass ich vor dem Tor Qualitäten hatte, die andere Spieler nicht hatten. Aber mein Körper hat leider zu oft gestreikt. Sonst wäre ich sicher auch häufiger bei der Nationalmannschaft dabei gewesen. Es bringt jedoch nichts, diesen Geschichten heute noch nachzutrauern. Es ist ja sowieso nicht mehr zu ändern.

Ärgert es Sie inzwischen, dass Sie nicht alles aus sich herausgeholt haben?

Helmes: Mit dem Blick des Trainers heute, macht man sich schon manchmal seine Gedanken. Habe ich wirklich immer total professionell gelebt? War ich fleißig genug? Solche Fragen kann man sich oft erst wahrheitsgemäß beantworten, wenn es vorbei ist. Wenn ein Trainer einem jungen Spieler solche Dinge erzählt, gehen die bei ihm häufig in das eine Ohr rein und beim anderen wieder raus. Ich versuche gerade einen Weg zu finden, dass diese Dinge nicht wieder rausgehen aus den Köpfen der Jungs.

Hilft da vielleicht Ihre eigene Vita?

Helmes: Ja, eventuell schon. Die Jungs kennen meine Karriere noch ganz gut. Ich bin ja noch nicht so lange raus aus dem Geschäft.

Kürzlich haben Sie mal wieder eindrucksvoll gezeigt, dass Sie offenbar immer noch den Instinkt eines Torjägers haben. Sie haben bei einem Hallenturnier in Krefeld mitgespielt und sind prompt Torschützenkönig geworden.

Helmes: Das Toreschießen habe ich nicht verlernt. Es hat großen Spaß gemacht, mit den Jungs mal wieder auf dem Platz zu stehen. In den nächsten Tagen habe ich allerdings deutlich gemerkt, dass ich etwas gemacht habe. Mir tat alles weh, vor allem die Hüfte.

Wegen der Hüfte mussten Sie Ihre Karriere beenden. Wie geht es Ihnen heute?

Helmes: Im Alltag bin ich zum Glück wieder schmerzfrei. Das war nicht immer so. Es ist eine Qual, wenn man ständig Probleme hat. Ich bin froh, dass das jetzt nicht mehr der Fall ist. Mittlerweile kann ich auch wieder etwas Fitnesstraining machen. Das ist wichtig, um meinen Körper einigermaßen in Schuss zu halten. Ab und an kann ich auch etwas kicken. Aber ich darf es nicht übertreiben. Zu viel Fußball akzeptiert mein Körper nicht.

Wie schwer fällt es einem Vollblutfußballer wie Ihnen, das Geschehen nun als Trainer von der Bank aus zu verfolgen?

Helmes: Am Anfang war das tatsächlich nicht einfach. Als da der eine oder andere Spieler mal wieder eine riesige Chance hat liegen gelassen, wäre ich schon gerne auf den Platz gerannt und hätte es besser gemacht. Aber das ist natürlich Quatsch. Ich habe zu meiner aktiven Zeit sicher auch Möglichkeiten vergeben, bei denen sich mein jeweiliger Trainer die Haare gerauft hat. Inzwischen bin ich ruhiger geworden und habe meine neue Rolle gefunden.

Welcher Trainer hat Sie besonders beeinflusst?

Helmes: Ich möchte mich da nicht auf einen speziellen festlegen. Ich sehe mich als Trainer wie ein Puzzle. Ein Teilchen muss zu dem anderen passen. Ich hatte viele gute Trainer, die mich beeinflusst und die mir imponiert haben. Überall versuche ich mir meinen Teil mitzunehmen. Mein Puzzle ist noch lange nicht vollständig.

Und konkret Peter Stöger?

Helmes: Peter Stöger ist extrem erfahren. Ich finde es beeindruckend, wie er eine Mannschaft führen kann. Ich bin immer wieder begeistert, wie er es schafft, alle Spieler bei Laune zu halten. Auch diejenigen, die nicht jede Woche auf dem Platz stehen. Mich beeindruckt auch die Emotionalität von Jürgen Klopp. Ich möchte aber nicht kopieren. Das würden meine Spieler sofort merken. Ich möchte meinen eigenen Weg finden.

Sie sind erst 32 Jahre alt und haben bereits den A-Schein. Wohin führt ihr Weg?

Helmes: Ich bin in den vergangenen eineinhalb Jahren ziemlich nach oben gespült worden. Die aktuelle Konstellation macht mich glücklich. Ich kann mich in einer verantwortungsvollen Position entwickeln. Wo mein Weg mich dann hinführt, ist jetzt noch überhaupt nicht absehbar.

Bei vielen Vereinen ist der Trainer der zweiten Mannschaft in der jüngeren Vergangenheit zum Cheftrainer aufgestiegen …

Helmes: Ich bin ziemlich sicher, dass das hier nicht der Fall sein wird. Peter Stöger leistet großartige Arbeit. Wir tauschen uns eng aus. Ich hoffe, dass er dem Verein noch lange als Cheftrainer erhalten bleiben wird.