Nach 1:1 im Hinspiel jetzt 1:27-Klatsche!
Tiefe Niedergeschlagenheit in Kesselstadt: Dem hessischen Siebtligisten bleibt nach 49 Gegentoren aus den vergangenen drei Spielen aktuell nur Galgenhumor. [Foto: FUSSBALL.DE / TA-Pictures]
Seinen Humor hat Thorsten Wolter noch nicht verloren. Auch wenn es nur noch Galgenhumor ist. „Ich gehe jetzt erstmal nach Hause und trinke ein Bier. Am besten gleich einen ganzen Kasten“, sagte der Vorsitzende des VfR Kesselstadt am Sonntagabend. Kurz zuvor hatte seine Mannschaft ein sportliches Debakel erlebt, das der hessische Fußballkreis Hanau schon lange nicht mehr und die Gruppenliga Frankfurt (7. Liga) noch nie gesehen hat. 1:27 hieß es gegen den FC Hochstadt. In der Hinrunde hatten sich beide Teams noch 1:1 getrennt.
Kesselstadt ist ein Stadtteil von Hanau, der Stadt, in der Rudi Völler geboren wurde. Wer mit dem VfR zu tun hat, muss ziemlich schwindelfrei sein. Turbulent war es an der Pumpstation in den vergangenen 25 Jahren häufig. Der Klub war nach vier Aufstiegen in Folge schon mal in der Verbandsliga, stürzte anschließend in die Kreisliga B ab, um gleich wieder dreimal in Serie aufzusteigen. Nun hat die Kesselstädter Gefühls-Achterbahn neue Rekordgeschwindigkeit erreicht.
"Bei uns ist kein Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Da brennt nicht mal ein Teelicht von Ikea"
Die vergangenen Monate im Zeitraffer: Aufstieg im Sommer, mit großer Euphorie in die Gruppenliga gestartet, überraschender Ausstieg von Gönnern direkt zu Saisonbeginn, Trainingsboykott, Trainer-Rücktritt, Massenflucht in der Winterpause, jetzt eine fiese Packung nach der anderen. Mit der Partie gegen Hochstadt als vorläufigem Tiefpunkt. Wenigstens sein erstes Liga-Tor im neuen Jahr hat Kesselstadt geschossen - nach einem 0:15 gegen Viktoria Nidda und einem 0:7 gegen den Tabellenvorletzten VfR Wenings. Bitter für einen Verein, der seit vielen Jahren anerkannte Jugendarbeit und vorbildliche Integration betreibt.
Thorsten Wolter hatte schon vor dem Gastspiel der Hochstädter ein ziemlich mulmiges Gefühl. „Bei uns ist kein Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Da brennt nicht mal ein Teelicht von Ikea“, hatte er festgestellt. Als dann auch noch der etatmäßige Torwart der Partie unentschuldigt fernblieb, ging für die im Winter komplett aus unterklassigen und reaktivierten Spielern neuformierte Mannschaft gar nichts mehr. Eine halbe Stunde verlief das Geschehen halbwegs erträglich, nach dem Treffer zum 1:5 in der 33. Minute aber brachen alle Dämme.
11-Tore-Mann freut sich nicht
Was folgte, waren 22 weitere Gegentore in 57 Minuten. Die Hochstädter Stürmer Metin Oymak und Jürgen Bufi lieferten sich ein Wettschießen, das sie wohl nie vergessen werden. Am Ende hatte Oymak mit 11:9 Toren knapp die Nase vorne. Richtig freuen konnte er sich darüber nicht. „Das hat eher weh getan“, sagte der 37-Jährige dem Hanauer Anzeiger. In der Jugend und in seinen ersten Jahren im Seniorenbereich hatte Oymak selbst das Kesselstädter Trikot getragen. „Kein Verein hat es verdient, veralbert zu werden“, meint er: „Ich würde dem VfR raten, wieder bei null anzufangen. Der Klub hat sich immer wieder hochgearbeitet, das wird er auch diesmal schaffen.“
Oymak führt mit nun 30 Treffern die Torjägerliste in der Gruppenliga Frankfurt Ost an. Sein erster Verfolger Jannik Jung (23 Treffer) hat in der Rückrunde auch schon gegen Kesselstadt gespielt - und dort vor einer Woche siebenmal eingenetzt. Der Tabellenletzte steht jetzt bei 10 Punkten und 13:100 Toren aus 21 Begegnungen. 51 Gegentore kassierte der VfR in den ersten 18 Spielen, 49 waren es in den vergangenen drei. Am Sonntag (15 Uhr) wartet für die Kesselstädter der Gang zum viertplatzierten FSV Bischofsheim – wenn der Gang denn noch angetreten wird…