Flüchtling |02.04.2017|00:53

Nach Flucht: FIFA-Schiri in der 11. Liga

Feierte bei einem Torfestival seinen Punktspiel-Einstand als Schiedsrichter in der Kreisliga: Ahmad Ghanoum. [Foto: Fotos privat, FUSSBALL.DE; Collage FUSSBALL.DE]

Im September 2015 ist der 41-jährige Ahmad Ghanoum aus Syrien geflohen. Er hat viel verloren und musste viel zurücklassen. Doch eine Sache hat es bis nach Werne in die Nähe von Dortmund geschafft: sein syrischer Schiedsrichterpass.

Ende letzten Jahres wurde Schiedsrichterobmann Cater Yilmaz von Eintracht Werne Kassiererin angerufen, weil jemand vor ihr stand, der kaum Deutsch sprach und Videos von sich zeigte, wie er im Ausland als Schiedsrichter auf dem Feld stand. „Ich bin noch am Abend hingefahren, wir sind ja nette Leute hier“, erinnert sich Yilmaz im Gespräch mit FUSSBALL.DE . „Auf den Videos habe ich sofort gesehen, dass da mehr als nur Kreisliga dahinter steckt.“ Ahmad Ghanoum zeigte zur Krönung noch seinen syrischen Schiedsrichterpass – leider auf Arabisch. Yilmaz nahm sich der Sache an und schickte eine Kopie des Passes an Heiko Rahn, Gruppenobmann Kamen/Bergkamen. „Er hat jemanden gefunden, der den Pass übersetzen konnte: Ahmad Ghanoum hat in der ersten syrischen Liga gepfiffen“, sagt Yilmaz. „Seit 1997 war ich 15 Jahre lang in Syrien Schiedsrichter“, sagt Ghanoum. Er pfiff als FIFA-Schiedsrichter auch internationale Spiele der Nationalmannschaften von Irak oder Iran.

„In meinem Dorf in Syrien habe ich als Kind schon Fußball gespielt. Und weil ich es mag zu pfeifen, bin ich Schiedsrichter geworden“, erzählt der 41-Jährige. Außerdem war er Leichtathletiktrainer, als Aktiver holte er einige Pokale über 100, 200 und 400 Meter. Doch dann kam der Krieg – Ghanoum musste fliehen. Über die Balkanroute gelangte er nach Deutschland. Nach einem kurzen Aufenthalt in Suhl blieb er sechs Monate lang in Arnstadt, bis er im Juli 2016 nach Werne kam. „Hier sind alle Leute freundlich, hier ist alles gut“, schwärmt der Syrer. Als Leichtathletiktrainer verdient er sich jetzt in Deutschland etwas Geld dazu und auch sein Schiedsrichteramt gibt er nicht auf.

Vier gelbe Karten

"Auf den Videos habe ich sofort gesehen, dass da mehr als nur Kreisliga dahinter steckt"

Nach einigen Freundschaftsspielen pfiff er am 12. März sein erstes Punktspiel in der Kreisliga C1 Unna-Hamm – und das hatte er voll im Griff. Der SuS Rünthe II schickte den SSV Hamm II 9:1 nach Hause, Ghanoum musste vier Gelbe Karten verteilen. „Am Anfang war ich als Pate dabei, um ihn zu unterstützen, auch wegen der Sprache. Aber eigentlich muss er gar nicht reden, er ist so souverän in seinem Auftreten und in seiner Körpersprache, da zweifelt niemand daran, dass er schon höher gepfiffen hat“, sagt Yilmaz stolz. In der Kreisliga zu pfeifen, ist für den früheren FIFA-Schiedsrichter kein Problem. „Es ist aber schwierig ohne Assistenten. In Syrien hatte ich immer welche“, scherzt Ghanoum. Das Schiedsrichteramt macht ihn nicht nur glücklich, sondern es hat ihm auch geholfen, in Deutschland anzukommen.

Vor fünf Jahren wurde seine Familie wegen des Bürgerkrieges in seinem Heimatland getrennt. Ghanoums Frau und die vier Kinder leben zurzeit in Jordanien. Seitdem sieht er seine Kleinen nur noch auf Fotos. Ghanoum hat genau zwei Wünsche, einen für die Familie und einen für den Sport: Der Schiedsrichter will einen Job finden und Geld verdienen, damit er endlich seine Liebsten wieder sehen kann. Und: „Ich würde gerne wieder ganz oben pfeifen. Borussia Dortmund wäre ein Traum.“