Fairer Ex-Profi |02.10.2017|20:58

Ex-Profi Reich: "Möchte so nicht gewinnen!"

Einst Nationalspieler für Deutschland, heute Spielertrainer in der Bezirksliga bei der SG Schmittweiler: Marco Reich. [Foto: Getty Images, FUSSBALL.DE / Collage: FUSSBALL.DE]

Die Landessieger der Fair Play-Medaillen stehen fest: Im Rahmen des WM-Qualifikationsspiels der deutschen Nationalmannschaft gegen Aserbaidschan in Kaiserslautern wird am 8. Oktober aus 21 Kandidaten der Bundesgewinner gekürt. FUSSBALL.DE stellt bis zur Verleihung ausgewählte Fair Play-Sieger vor. Heute: Ex-Bundesligaspieler Marco Reich, der auch nach der großen Karriere noch mit Sportsgeist glänzt. Und zwar für die SG Schmittweiler im Südwestdeutschen Fußballverband.

Marco Reich ist ein echter Vollprofi. Der gelernte Mittelfeldspieler lief für Kaiserslautern, Köln und Bremen insgesamt 143 Mal in der Bundesliga auf, mit den „Roten Teufeln“ gewann er in der Saison 1997/98 als einziger Aufsteiger der Geschichte den Titel im deutschen Oberhaus. Ein DFB-Pokal-Sieg und eine weitere Meisterschale schmücken seine Vita, 1999 absolvierte er unter Erich Ribbeck sein einziges Länderspiel für die Nationalelf. Der Pfälzer hat in der Fußballwelt alle Höhen und Tiefen erlebt, wohl auch deshalb ging er am jenen 21. Oktober 2016 besonnen mit gutem Beispiel voran.

"Das habe ich alleine so entschieden. Das war für mich eine Selbstverständlichkeit"

Es ist der 15. Spieltag der Bezirksliga Nahe, auf dem Rasenplatz an der Höhenstraße stehen sich die SG Schmittweiler und der Bollenbacher SV gegenüber. Es läuft die 41. Spielminute, die Gastgeber sind gerade auf dem Weg zum Tor, als Reich auf einmal abdreht. „Es ging alles recht schnell“, erinnert sich der Ex-Lauterer im Gespräch mit FUSSBALL.DE an diese Szene zurück. „Wir hatten eigentlich die Chance einen Treffer zu erzielen. In unserem Sechzehner lag aber noch ein Gegenspieler.“ Pflichtbewusst will er den Ball ins Aus klären, stattdessen wird sein missglückter Schuss jedoch zu Vorlage. Mitspieler Dennis Köhler drückt den Ball zum 2:0 über die Linie.

Es herrscht Entgeisterung bei den Gästen, gefolgt von wütenden Protesten beim Schiedsrichter. „Die Bollenbacher waren davon ausgegangen, dass sich ihr Spieler verletzt hatte und hatten erwartet, dass wir den Ball ins Aus schießen“, schildert Reich. „Deshalb hatten sie unseren Angriff erst gar nicht unterbunden.“

Während um ihn herum die Gemüter überkochen, behält der Ex-Profi die Ruhe. Ohne zu zögern fordert er seine Mitspieler dazu auf, beim folgenden Anstoß den Gästen ohne Gegenwehr das Anschlusstor zu ermöglichen. „Das habe ich alleine so entschieden“, sagt der 39-Jährige, der in Schmittweiler als Spielertrainer die Autorität auf dem Platz darstellt. „Das war für mich eine Selbstverständlichkeit. So möchte ich kein Spiel gewinnen!“

Das sah innerhalb der Mannschaft offenbar nicht jeder so. Einige Widerworte musste sich Reich nach seiner Aktion schon anhören. „Aber das war mir egal. Solch ein faires Verhalten gehört für mich zum Spiel dazu“, stellt er unmissverständlich klar. Die Bollenbacher zeigten sich auf jeden Fall dankbar ob der fairen Geste der Hausherren. „Die gegnerische Mannschaft hat applaudiert und sich bedankt“, so der Coach. „Danach haben wir einfach ganz normal weitergespielt.“

Am Ende gewann Schmittweiler mit 3:1, doch das Ergebnis spielte zu dem Zeitpunkt ohnehin kaum noch eine Rolle mehr. „Die beiden Teams sind nach dem Abpfiff noch geblieben und wir haben den Abend zusammen verbracht“, erklärt Reich. „Da ist etwas zusammengewachsen, was weit über den Fußball hinausgeht.“

So wurde der Heimerfolg für die Pfälzer auch zu einem menschlichen Gewinn. Wohl auch deshalb steht Reich noch heute zu seiner Entscheidung. „Aus meiner persönlichen Überzeugung heraus würde ich das jederzeit wieder tun, auch bei einem Rückstand“, gibt er klar zu verstehen. Der Mittelfeldmann zeigt aber auch Grenzen auf: „Das beruht natürlich immer auch auf Gegenseitigkeit. So eine Geste kann man nur zeigen, wenn es das Verhalten des Gegners rechtfertigt. Fair ist mehr sollte von beiden Seiten gelebt werden.“

Die Beteiligten taten das auf jeden Fall und sendeten somit auch ein wichtiges Signal: „Das Spiel war ein großes Zeichen von beiden Vereinen“, sagt Reich und unterstreicht die Vorbildfunktion seines Handelns. „Wir haben gerade den jungen Spielern gezeigt, dass man ehrgeizig aber gleichzeitig auch fair sein kann“ - ein Verhalten, das er sich auch von den Großen des Sports einmal wünschen würde. Dabei nimmt der gebürtige Meisenheimer auch Medien und Bundesligaspieler mit in die Pflicht. „Aktionen wie von Felix Bastians, der gegen Darmstadt trotz Rückstand einen Elfmeter zurücknehmen ließ, passieren zu selten und bekommen zu wenig Beachtung“, kritisiert der 39-Jährige. „Stattdessen wird lieber das Negativverhalten gezeigt und imitiert, weil das offensichtlich viel eher zum Erfolg führt.“ Daher sei es wichtig, dass Fair Play häufiger in den Vordergrund gestellt werde.


Ob Kreisliga oder Nationalmannschaft - der Deutsche Fußball-Bund sucht den fairsten Spieler, Trainer, Betreuer oder Zuschauer. In Anerkennung des Fair Play zeichnet der DFB zusammen mit seinen Landesverbänden faire Gesten mit der Fair Play-Urkunde sowie dem Fair Play-T-Shirt aus.

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