Amateur-Alltag: Chaos beim Platzdienst
Müssen über das Jahr hinweg einiges aushalten: Fußballplätze wollen gepflegt werden[Foto: Getty Images]
Während Profivereine hochkompetente Greenkeeper beschäftigen, die mit dem grünen Daumen quasi auf die Welt gekommen sind, sind die Möglichkeiten der Rasenpflege in der Kreisliga deutlich begrenzter. Die Kreisliga-Kicker selbst können bei der Rasenpflege nicht wirklich unterstützen, die meisten wären schon mit der Betreuung eines Zimmerkaktusses überfordert. Doch wo auch Amateurkicker rund um die Sportanlage mit anpacken können, damit befasst sich Joel Grandke in der neuesten Folge der FUSSBALL.DE-Kolumne Amateur-Alltag.
So ein Fußballplatz muss schon einiges aushalten: Über das gesamte Jahr ist er Wind und Wetter ausgesetzt, zudem wird er von hunderten Paar Stollenschuhen traktiert, die auf ihm trampeln, grätschen und bei Schussversuchen in den Boden treten. Längere Erholungspausen gibt es für den Rasen kaum, da nach der Saison bekanntermaßen schon wieder vor der Saison ist. Im Profibereich legen die Vereine die Instandhaltung des Grüns in hochkompetente Hände: Die Greenkeeper sind Fachmänner, die mit dem grünen Daumen quasi auf die Welt gekommen sind. Mit bester Technologie und großem Knowhow sorgen sie im besten Fall dafür, dass die Mannschaften im Zweifel auch ein Golfspiel im Stadion austragen könnten.
Fußball-Weisheit #31: „Wenn wir hier nicht gewinnen, treten wir ihnen wenigstens den Rasen kaputt. “ (Rolf Rüssmann). In der Kreisliga engagieren sich die Clubs ebenfalls in der Platzpflege, allerdings sind die Möglichkeiten deutlich begrenzter. Einen hauptamtlichen Greenkeeper kann sich hier niemand leisten, darüber hinaus kann sich kein Verein mehrfach im Jahr einen neuen und teuren Rollrasen verlegen lassen. Einmal die Woche rast hier ein Gemeindemitarbeiter mit dem Aufsitzrasenmäher in bester Autoscooter-Manier über das Grün, im fortgeschrittenen Fall bewässert der Verein in den trockenen Tagen mit einer Sprinkleranlage. Zugegeben: Die Kreisliga-Kicker selbst können bei der Rasenpflege nicht wirklich unterstützen. An dieser Stelle sind schließlich Leute gefragt, die wissen, was sie tun – und die meisten Amateurkicker wären schon mit der Betreuung eines kleinen Zimmerkaktusses heillos überfordert.
Alarm in der WhatsApp-Gruppe
"Geometrie war noch nie eure Stärke, oder? Kreise und grade Linien sehen jedenfalls anders aus"
Doch auch ohne botanisches Wissen gibt es genügend Tätigkeiten rund um die Sportanlage, bei der Amateurspieler sehr wohl mit anpacken können. Bei vielen Mannschaften ist der Platzdienst allerdings ein leidiges Thema. Der Klassiker: In der teaminternen WhatsApp-Gruppe wird am Samstag im Minutentakt Schwachsinn gepostet. Der Libero berichtet über seine Sauf-Tour am Vorabend, der Nachwuchsspieler postet Bilder von seinem letzten Tinder-Date und der Mittelstürmer teilt ein Video von seinem Nachbarn, der auf einem Festival drei Bier hintereinander getrichtert hat. Die Mitspieler toben vor Begeisterung und ertrinken förmlich in ihren Emojis. Hier ist gerade richtig Leben in der Bude. In diese Euphorie hinein sendet der Mannschaftsbetreuer einen scheinbar harmlosen Hilferuf: „Leute, wir brauchen morgen noch ein paar Leute für den Platzaufbau. Bitte kurz Bescheid geben, wer unterstützen kann!“ Plötzlich herrscht Totenstille. Über Minuten, über Stunden. Keine Kommentare, keine Smileys. Erst kurz vor Mitternacht bricht jemand das Schweigen – natürlich eine Abmeldung: „Schaffe es vorher nicht, da ich meinem Schwager beim Renovieren helfe.“ Gute Nacht.
Am nächsten Morgen stehen dann mal wieder die üblichen Verdächtigen am Sportplatz. Es sind die drei bis vier verlässlichen Leute, die immer Gewehr bei Fuß stehen, wenn Not am Mann ist. Da sich überraschenderweise niemand mehr auf das Online-Gesuch des Betreuers gemeldet hat, packen sie nun Hand an, während die Kollegen ihren gemütlichen Sonntagsbrunch genießen. Vor dem ersten Heimspiel nach Sommerpause fallen noch mehrere Aufgaben an, um einen reibungslosen Ablauf zu ermöglichen.
Ein Duo macht sich zunächst an die Spielfeldmarkierungen. Nach einer etwas längeren Nacht sind die Jungs noch nicht ganz auf dem vollen Stand ihrer Feinmotorik, sodass sie nach dem Aufschneiden des Kreidesacks aussehen, als wäre in der Bäckerstube ein Sack Mehl explodiert. Aber sei es drum: Mit dem quietschenden Kreidewagen machen sich die beiden auf den Weg. Nach getaner Arbeit blickt der Betreuer sie entgeistert an: „Geometrie war noch nie eure Stärke, oder? Kreise und grade Linien sehen jedenfalls anders aus.“ Die Seitenlinien sind in schwindelerregenden Kurven aufgetragen worden und ragen bis zu einem halben Meter ins Feld hinein. Vielleicht war das letzte Bier am Vorabend mal wieder schlecht. Der Betreuer versucht in der Folge zu retten, was zu retten ist.
Insektenjagd im Kassenhäuschen
Parallel macht sich ein Teamkollege im Kassenhäuschen ans Werk. Dort hat sich ein Wespennest unter dem Dach eingeschlichen. Da der Baumarkt am Sonntag geschlossen hat und keine Mittel zur Verfügung stehen, die zur Insektenvernichtung oder -vergrämung taugen, nutzt der Spieler ein besonderes Hausmittel. Er stellt einen alten Trikotkoffer in das Häuschen und öffnet ihn vorsichtig. Als Mundschutz zieht er sich sein Shirt über die Nase. Der Trick: Die Trikots darin wurden nach dem letzten Punktspiel der Altherrenmannschaft nicht mehr gewaschen und gammelten über Wochen im Vereinsheim vor sich hin. Wenn die Wespen bei diesem Gestank nicht das Weite suchen, haben sie sich ihre neue Bleibe mehr als verdient.
Ein weiterer Sportsfreund kümmert sich um das Einhängen der Tornetze. Hier erwartet ihn eine böse Überraschung. Während der Aufstiegsfeier, die die Mannschaft vor zwei Monaten feiern durfte, hatte sich jeder Spieler ein Stück vom Netz herausgeschnitten und als Andenken mit nach Hause genommen. So haben sie es sich von den Profis abgeschaut, die sich solche Trophäen nach ihren WM- oder Champions-League-Siegen ebenfalls gesichert haben. Das Problem: Keiner hat sich um die Neubeschaffung gekümmert. In beiden Tornetzen sind daher große Löcher, sodass ein Treffer auch schnell mal Richtung Parkplatz sausen kann. Auch hier wird improvisiert: Die Frau des Betreuers, die ein Talent für Textilien besitzt, versucht die Löcher notdürftig zu flicken, in dem sie kleine Angelnetze an diesen Stellen anbringt. Der Vorsitzende des Vereins wird nach dem Spiel eine Brandrede in der Kabine halten und die Anschaffung neuer Netze aus der Mannschaftskasse fordern.
Nach all dem Stress trudelt nach und nach auch der Rest der Mannschaft zum Treffen ein. Obwohl die faulen Kollegen sich einen entspannten Sonntagvormittag gemacht haben, sind sie um keinen dummen Spruch verlegen. Die schwindelerregend aufgetragenen Seitenlinien werden unter Gelächter fotografiert und auf Facebook gepostet. Die Fehlleistung der tapferen Helfer wird über Tage der Running Gag in der WhatsApp-Gruppe – bis mal wieder gefragt wird, ob jemand am Platz mit anpacken kann. Dann ist endlich wieder Ruhe.
Joel Grandke, Buchautor und aktiver Amateurkicker aus Hamburg, spürt in seiner wöchentlich auf FUSSBALL.DE erscheinenden Kolumne der Faszination Amateurfußball nach. Stets mit einem Augenzwinkern.