Amateur-Alltag |22.12.2018|15:00

Weihnachten: Wunschzettel der Amateurkicker

[Foto: imago/epd]

Fußball-Weisheit #37: „Die Bremer sollen ruhig oben stehen bis Weihnachten. Aber der Nikolaus war noch nie ein Osterhase. Am Ende wird der FC Bayern wie immer vorne sein.“ (Uli Hoeneß zur Tabellensituation kurz vor der Bundesliga-Winterpause 2006/2007. Bayern landete am Saisonende übrigens auf dem vierten Platz.)

Da klimpert’s kräftig im Phrasenschwein. Dieses Hoeneß-Zitat liegt zwölf Jahre zurück, allerdings wäre eine solche Bayern-Kampfansage auch in der heutigen Situation durchaus vorstellbar. Klar, momentan grüßen nicht die Bremer, sondern die Borussen aus Dortmund vom Platz an der Sonne. Trotz einer durchwachsenen Hinrunde fehlen den Münchnern vor dem letzten Spieltag aber nur sechs Punkte auf die Tabellenspitze. Entschieden ist also noch lange nichts, die Rückrunde wird noch lang. Wer weiß, womöglich haben die Bayern die Konkurrenz ja schon zur Osterzeit hinter sich gelassen. Der Nikolaus ist eben nicht der Weihnachtsmann und der Weihnachtsmann ist auch nicht der Osterhase. Und ob überhaupt jemand von ihnen die Zeit hat, über die Meisterschaft in der Bundesliga zu entscheiden, ist eine ganz andere Frage, die wir an dieser Stelle auch nicht abschließend klären können.

Der Weihnachtsmann hat dieser Tage jedenfalls ganz andere Aufgaben vor der Brust, schließlich muss er am Heiligabend unzählige Geschenke verteilen und dabei die großen und kleinen Wünsche erfüllen. Glaubt man der spanischen Presse, steht bei den Bayern der französische 80-Millionen-Weltmeister Lucas Hernandez ganz oben auf dem Wunschzettel. In der Kreisliga ist der Gabentisch nicht so reich gedeckt. Hier geht es deutlich bescheidener zu und nicht um millionenschwere Spieler, Trainer oder gar Stadien, die ohnehin nur schwer unter dem Weihnachtsbaum Platz finden würden. Werfen wir einen Blick auf die Wunschzettel einiger Akteure aus dem Amateurbereich.

Nachwuchskicker: In den jungen Fußballerjahren wird noch großer Wert auf Äußerlichkeiten gelegt. Das spiegelt sich auch auf den Wunschzetteln der Talente wieder. Fußballschuhe sind häufig an erster Stelle zu finden, schließlich ist das aktuelle Paar schon geschlagene drei Monate alt und damit auf der Coolness-Skala schon unter das „Dabbing“, den „Harlem Shake“ und die Redewendung „Leider geil“ gerutscht. Es dürfen auf keinen Fall (!) irgendwelche Bolzer sein. Farblich bedienen sich die Sportschuhhersteller offenbar wahllos im gesamten Regenbogen-Spektrum: Je mehr sich die grellen Farben optisch beißen, desto besser. Im besten Fall können die Schnürsenkel im Dunkeln leuchten. Zudem gilt: Ohne individuell eingestickte Buchstaben- und Zahlenkombinationen wie „MM15“ (Initialen von Marvin Müller plus Rückennummer), „M+C 2018“ (Marvin plus Freundin Chantal inklusive Jahr des Beziehungsbeginns) oder „04751-439281“ (Telefonnummer vom Lieblings-Dönermann) lässt sich in der Kabine vor den Teamkollegen nicht punkten. Sollte es keine neuen Bolzer zu Weihnachten geben, werden sich alternativ Tattoos gewünscht. Diese sollten natürlich genauso aussehen wie die vom großen Idol Leroy Sané. Ein Abbild von sich selbst, das sich über den gesamten Rücken verteilt? Das hat doch mal eine klare Message! Es könnte ansonsten auch die Nummer vom Dönermann in einer fetzigen Tribal-Schriftart auf dem Unterarm landen.

Alte Herren: Ihre Fußballschuhe sind schon zehn Jahre alt und werden nur noch von drei Rollen Panzertape zusammengehalten. Dennoch notieren die Senioren-Kicker nur widerwillig den Wunsch nach einem neuen Paar auf ihrem Zettel. Zu viele Erinnerungen haften an dem alten Paar, mit dem sie Auf- und Abstiege, große Derbys gewonnen und verloren haben. Die Einsicht, dass es ausgedient hat, fällt schwer. Die Ansprüche an die neuen Bolzer sind – im Vergleich zu denen der Nachwuchskicker – nicht hoch, allerdings macht ihre einzige Bedingung den Wunsch zu einem kniffligen Unterfangen für den Weihnachtsmann. Es sollen einfach nur schwarze Fußballschuhe aus Leder sein. Weiße Streifen sind noch okay, aber sonst bloß kein Schnickschnack. Doch wo soll der Weihnachtsmann die bloß herbekommen? Werden die heutzutage überhaupt noch irgendwo verkauft? (Hinweise bitte direkt auf dem Wunschzettel vermerken!)

Ersatzspieler: Mit guten Leistungen und Einsatzwillen sollte sich eigentlich jeder Spieler für die erste Elf empfehlen können, aber es gibt doch diejenigen, die häufiger auf der Bank Platz nehmen müssen als andere. Sollte sich ihr Wunsch nach mehr Spielzeit nicht erfüllen, sollte sich der Weihnachtsmann zumindest gnädig zeigen und ihnen mit einer dicken Winterdecke aushelfen, um zumindest in der kalten Jahreszeit nicht so auf der Bank zu frieren.

Trainer: Seine Wünsche sind vielfältig, aber er hätte schon eine besondere Bescherung, wenn nur einer von ihn erfüllt werden würde. Einerseits liegt es in seinem Interesse, dass möglichst alle seine Kicker eine feste Freundin an ihre Seite bekommen, damit diese vielleicht einen beruhigenden Einfluss auf deren Nachtleben nimmt. Wenn der Samstag vor dem Spiel öfters mal für einen gemütlichen „Netflix-&-Chill“-Abend genutzt wird, anstatt jede Flatrate-Zeltfete des gesamten Landkreises abzuarbeiten, würde sich das sicher leistungssteigernd auf die Form der gesamten Mannschaft auswirken. Andererseits wünscht er sich eine bessere Kondition für seine Kicker, wobei der Weihnachtsbraten am ersten und zweiten Weihnachtsfeiertag diese Gabe wohl direkt wieder zunichte machen würde.

Sonderwünsche:

Stürmer ohne Torerfolg: Er wünscht sich, dass endlich mal der Knoten platzt. Vielleicht kann der Weihnachtsmann ihm ja den Ball (mit Schleifchen drum) so nah an der Linie zuspielen, dass selbst er die Bude nicht mehr verfehlen kann.

Spielmacher: Er wünscht sich, dass sich der Wunsch des eben genannten Angreifers mit Ladehemmung erfüllt, damit seine klugen Pässe endlich mal zu Toren führen.

Wirt aus dem Vereinsheim: Er wünscht sich, dass er den letzten Spieler an den Mannschaftsabenden nicht immer noch selbst nach Hause bringen muss, weil dieser ansonsten komatös auf dem Tresen weiterschlafen würde. Im Amateurbereich kümmert man sich halt noch umeinander.

Unabhängig von dem, was die Kreisliga-Akteure so auf ihrem Wunschzettel notiert haben, wünsche ich allen Lesern vor allem gute Gesundheit und ein besinnliches Weihnachten im Kreise der Liebsten – also der Kollegen vom Fußball, versteht sich. Und wenn der Weihnachtsmann noch nicht alle Wünsche erfüllt hat, keine Panik: Bald kommt ja auch schon wieder der Osterhase. Auch der besucht nicht nur Uli Hoeneß.


Joel Grandke, Buchautor und aktiver Amateurkicker aus Hamburg, spürt in seiner wöchentlich auf FUSSBALL.DE erscheinenden Kolumne der Faszination Amateurfußball nach. Stets mit einem Augenzwinkern.