Club-Hopping: Wiedersehen macht Freude
Hin und zurück: Mats Hummels läuft wieder für den BVB auf.[Foto: Getty Images/Collage: FUSSBALL.DE]
Bayern-Dortmund-Bayern-Dortmund. Doppel-Rückkehrer Mats Hummels sorgt mit seinem Wechsel zurück zum BVB derzeit für Aufsehen. Ist das Phänomen eines solchen "Club-Hopping" bei Profis eher Seltenheit, so ist es im Amateurbereich beinahe an der Tagesordnung. Denn: Viele Vereine sind in einem Umkreis von wenigen Kilometern zueinander beheimatet. Joel Grandke mit seiner neuesten Ausgabe der Kolumne Amateur-Alltag.
Fußball-Weisheit #94: „In den Ferien treffe ich hoffentlich auch eine gute Bekannte wieder – meine Passsicherheit. Die ist nach dem Österreich-Spiel einfach schon in den Sommerurlaub abgehauen. Das fand ich nicht so nett von ihr.“ (Mats Hummels im Sommer 2011)
Da klimpert’s kräftig im Phrasenschwein. Die zitierte Ferienplanung von Mats Hummels gilt zwar nicht für das aktuelle Jahr, doch auch in diesem Sommer kann er sich auf das Wiedersehen guter Bekannter freuen. Anstatt mit seinem Kopfballtiming, seinem Zweikampfverhalten und seiner Schusskraft auf die Malediven zu fliegen, zieht es den Weltmeister allerdings in alte Gefilde – zurück in den Ruhrpott. Hummels mutiert mit seinem BVB-Wechsel zum Doppel-Rückkehrer: In der Jugend kickte er für die Bayern, in Dortmund entwickelte er sich schließlich zum Weltklasse-Verteidiger, danach sammelte er weitere Titel mit dem FCB, denen er nun wieder mit Schwarz-Gelb den Kampf ansagen will. Der 30-Jährige hat wohl schon als kleines Kind in wechselseitiger Bayern-BVB-Bettwäsche geschlafen. Besondere Brisanz bringt diese Konstellation natürlich durch die traditionsreiche Konkurrenzsituation beider Vereine mit sich. Nicht selten haben deren Fans einem ihrer Spieler den Wechsel zum anderen deutschen Elite-Club einigermaßen übel genommen. Hummels beweist ein unerschütterliches Selbstvertrauen, indem er munter zwischen den Betten beider Vereine hin- und herspringt. Es besteht allerdings kein Zweifel daran, dass er nicht auch beim zweiten BVB-Anlauf von der Südkurve mit offenen Armen empfangen wird. Wenn sowohl aus dem rot-weißen als auch das schwarz-gelben Fanlager der Satz zu hören ist, dass „der Jung doch einer von uns ist“, dann muss dieser Jung schon eine besondere Art mit sich bringen.
„Verträge“ auf dem Bierdeckel
"Wasch es einfach und bring es in zwei Jahren mit, wenn du wieder zurückkommst."
So groß Vereinstreue und Loyalität im Amateurbereich auch geschrieben werden: Auf diesem Niveau ist das „Hopping“ zwischen verschiedenen Mannschaften keine Seltenheit. Die Kreisliga-Welt ist klein, sodass sich oftmals die Möglichkeit bietet, innerhalb von 20 Kilometer Radius für zig verschiedene Vereine auf einem ähnlichen Level zu spielen. Ein Wechsel bedeutet damit aus rein räumlicher Sicht nur den Unterschied, dass man nach dem Ortsschild nicht die erste Abbiegung rechts, sondern die zweite Abbiegung links nimmt – und schon steht man in der kommenden Saison für ein anderes Team auf dem Platz.
Die Gründe für einen Vereinswechsel können vielfältig sein. Ein häufiger Grund sind auf einem Niveau, auf dem der Spaß im Vordergrund steht, die Freundeskreise. Der Fußball wird hier für niemanden mehr zum Beruf werden, daher sollte es vor allem menschlich zwischen den handelnden Akteuren matchen. Spielen die Klassenkameraden aus alten Schulzeiten für Grün-Weiß Meppen, die Clique aus der Nachbarschaft aber für Rot-Weiß Meppen, ist ein Interessenkonflikt vorgezeichnet. Da langfristige Verträge in der 2. Kreisklasse eher eine Seltenheit sind, grüßt das Murmeltier jeden Sommer aufs Neue: In geselliger Runde versuchen einem die ehemaligen Schulkumpels, mit denen man gerade nicht zusammenkickt, bei zahlreichen alkoholischen Mischgetränken einen Wechsel schmackhaft zu machen. Im Suff werden dann schnell mal Stammplatzgarantien und Tankgutscheine versprochen, die nach Vollzug des Wechsels natürlich niemals umgesetzt beziehungsweise verteilt werden. Frei nach dem Motto: „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern.“ Ein Jahr später werden die Karten bei unserem unentschlossenen Spieler dann aber wieder neu gemischt: Sollte er diesmal von seiner Nachbarsclique am Tresen abgefangen werden, kann eine Rückkehr schneller vertraglich bindend auf einem Bierdeckel unterzeichnet sein als das erste Gedeck Cola-Korn geleert ist.
Darüber hinaus stellen auch Familienkonstellationen einen triftigen Grund für Vereins-Hopping dar. Sollte der eigene Vater Trainer von Rot-Weiß Meppen sein, der gesamte Freundeskreis allerdings für Grün-Weiß Meppen auflaufen, führt das womöglich zum inneren Zweikampf zwischen Pflichtgefühl und Spaßfaktor. Keiner will seinen alten Herren im Stich lassen, gleichzeitig ködern die Kumpels mit unzählig lustigen Stories aus ihrem Mannschaftsleben, in denen man als einziger eben nicht auftaucht.
Den Erfolgen hinterherhecheln…
Deutlich weniger emotional ist der sogenannte Winning-Team-Joiner, der im Fußball zurecht keinen guten Ruf genießt. Definitorisch ist er nah am sogenannten Söldner-Typus – mit dem feinen Unterschied, dass er seine „Dienste“ nicht an den Meistbietenden verkauft, sondern sich schlicht und ergreifend der erfolgreichsten Truppe anschließt, die auf seinem jeweiligen Niveau in der Region zu finden ist. Dieser Charakterzug widerstrebt jeder Kämpfernatur, die so vielen Kreisliga-Kickern als Vorbild dient. Anstatt mit einem Club auch mal durch schlechtere Zeiten zu gehen, heuert er nach zwei Niederlagen in Folge direkt bei einem neuen Verein an. Da der Fußball auch im Amateurbereich ein schnelllebiges Geschäft ist (mehr Futter für das Phrasenschwein!) , kommt dieser Schlag Spieler gewaltig herum. Über die langen Jahre einer Kreisliga-Karriere erleben die verschiedenen Vereine Höhen und Tiefen, sodass solch ein Kicker durchaus auch mehrfach wieder beim selben Verein landen kann – selbstverständlich nur, wenn dieser gerade im Aufschwung ist. Möglich, dass unser Spieler dann sogar mehr als „nur“ ein- oder zweimal sein Comeback bei einem Verein feiert. Sein Trikot kann er beim (natürlich kurz darauffolgenden) Abschied direkt behalten: „Wasch es einfach und bring es in zwei Jahren mit, wenn du wieder zurückkommst.“
Ein Zurück zu den Wurzeln ist per se natürlich nichts Verwerfliches. Im Gegenteil: Wer sich seine Bolzer wieder in einer altvertrauten und liebgewonnenen Umgebung schnürt, braucht in der Regel keine Eingewöhnungsphase. Der Wirt im Vereinsheim weiß noch genau, dass du mit einem „Für mich einmal wie immer!“ ein Gedeck aus einem Bier, einem Jägermeister und einem Eierlikör meinst. Du weißt genau, auf welchen Millimeter du den Temperaturregler der Dusche einstellen musst, damit sie nicht entweder eiskalt wie ein Bad in der Arktis oder heiß wie flüssige Lava ist. Du weißt noch, dass das rechte Rad vom Kreidewagen eiert, weil der Verein nach Jahren noch immer keinen neuen angeschafft hat. Und du hast zuhause noch ausgewaschene Trainingsanzüge und Shirts von deinem alten und neuen Verein, die über die Zeit in die trendige Kategorie „Retro Chic“ fallen. Das schafft Eindruck bei den Teamkollegen! Und die ganz Fortgeschrittenen haben natürlich noch einen Bettbezug in den passenden Vereinsfarben. Im besten Fall dann sogar wie Kollege Hummels, der womöglich den BVB-FCB-Wechselbezug – je nach aktueller Vertragssituation – über seine Decke zieht. So etwas gibt es sicher auch in den Vereinsfarben der Meppener Kreisliga-Clubs.