VfL Bochum: Betriebself in der Kreisliga C
Die Betriebsmannschaft des VfL "bietet die Möglichkeit, auch diejenigen Mitarbeiter kennenzulernen, die man nicht täglich sieht."[Foto: VfL Bochum]
Die Saison 2021/2022 wird für den VfL Bochum aller Wahrscheinlichkeit nach mit einem großen Erfolg enden. Viele sprechen auch von einem Wunder. Schließlich befindet sich die Bundesligamannschaft auf dem besten Weg zum Klassenerhalt. Schon bald könnte es noch einen weiteren Grund zum Feiern geben. Seit Saisonbeginn stellt der Klub ein eigenes Kreisliga C-Team, das sich praktisch nur aus Vereinsmitarbeitern zusammensetzt. Nicht zuletzt dank der Unterstützung von Ex-Profis wie Marc-Andre Kruska könnte bereits in der Premieren-Saison der Aufstieg gelingen.
"Machst mit 'nem Doppelpass jeden Gegner nass", singt Herbert Grönemeyer in seiner Bochum-Hymne. Die VfL-Profis machen Woche für Woche so ziemlich viele Gegner nass und stehen dicht vor dem Klassenerhalt. Seit dieser Saison spielen auch die Vereinsmitarbeiter auf dem Feld Doppelpass. Der Verein aus dem Ruhrgebiet rief im vergangenen Sommer nämlich eine Betriebsmannschaft ins Leben. Besonderheit: Die Mannschaft spielt nicht in der Freizeitliga, sondern sie nimmt am regulären Spielbetrieb in der Kreisliga C teil. Und das durchaus erfolgreich: Nach 13 Partien steht das Team auf Platz drei und hat Chancen auf den Aufstieg in die Kreisliga B. Am heutigen Montag kommt es zu einem mit Spannung erwarteten Derby. Die neu gegründete Elf fährt zur zweiten Mannschaft der SG Wattenscheid 09 . Das Duell sorgte zu gemeinsamen Bundesligazeiten der Erstvertretungen für ein ausverkauftes Bochumer Ruhrstadion. Nun kommt es zu einer ungewöhnlichen Neuauflage. Anstoß ist am Ostermontag um 13 Uhr im Sportzentrum Berliner Straße in Bochum.
Der ein oder andere VfL-Mitarbeiter hat eine Wattenscheider Vergangenheit. Wie zum Beispiel Michael Jost, der von 2000 bis 2006 für verschiedene Teams der SGW auflief und über Oberliga-Erfahrung verfügt. Der 40-Jährige arbeitet an der Castroper Straße als Stellvertretender Abteilungsleiter Vertrieb. In der Mannschaft gehört er zu den erfahrenen Spielern und übernimmt zudem die Aufgaben des Trainers. Jost erklärt, wie der VfL auf die Idee kam, eine Betriebsmannschaft ins Leben zu rufen: "Überlegungen gab es schon länger. Denn so ein Team bietet die Möglichkeit, auch diejenigen Mitarbeiter kennenzulernen, die man nicht täglich sieht. Vor der Saison haben wir es dann endlich in die Tat umgesetzt."
Bewusste Entscheidung für Ligabetrieb
"Die Gegner wissen, dass viele von uns mal höher gespielt haben. Das macht es für uns nicht einfacher"
Das Team für den Ligabetrieb zu melden, dafür habe sich der VfL ganz bewusst entschieden, sagt Jost: "Wir wollten das von Anfang an mit einer gewissen Ernsthaftigkeit aufziehen." Zudem sei die Beteiligung viel höher, wenn es in der Liga um Punkte gehe. "In der Vergangenheit gab es bereits Versuche, eine Mannschaft außerhalb des Ligabetriebs auf die Beine zu stellen." Doch das habe "nicht so gut funktioniert". Obwohl bereits viele Spieler Vereinserfahrung mitbringen, sei grundsätzlich jeder VfL-Mitarbeiter im Team willkommen – völlig unabhängig vom fußballerischen Talent: "Das Leistungsgefälle ist bei uns enorm hoch. Einige haben mal Bundesliga gespielt. Andere standen beim ersten Training zum ersten Mal auf einem Fußballplatz." Manche Spieler konnten bereits Erfahrung in den unteren Amateurligen sammeln. So ging Daniel Cendrowski, der beim VfL als Content Manager arbeitet, früher für Arminia Bochum auf Torejagd.
Zu Terminkollisionen mit dem Bundesligateam kommt es selten. Denn die Spiele der Betriebself finden meist sonntags um 17 Uhr statt. Wenn es mal doch zu Überschneidungen kommt, stellt das die Mannschaft regelmäßig vor Probleme. "Meistens bitten wir dann den Gegner um eine Spielverlegung. In aller Regel finden wir eine Lösung." Dass nach aufwühlenden Bundesliga-Samstagen die Nächte auch mal länger und die Beine dementsprechend schwerer sind, sieht Jost hingegen gelassen: "Siege wie gegen den FC Bayern muss man gebührend feiern. Ich gehe davon aus, dass wir solche Spiele nicht mehr so häufig erleben." Auch wenn jemand fehlen sollte, sei das kein Problem, denn "wir haben auch genug Möglichkeiten, innerhalb der Mannschaft zu wechseln". An freien Tagen schaut sogar der Vorstand vorbei. Sportvorstand Sebastian Schindzielorz ließ es sich nicht nehmen, dem Team ein wenig zu helfen. Beim 11:1 Auswärtssieg gegen den TuS Querenburg III im vergangenen Oktober streifte er kurzerhand das Trikot über. Nicht ausgeschlossen, dass auch VfL-Trainer Thomas Reis irgendwann mal für die Elf auflaufen wird. "Mal schauen. Vielleicht werde ich ihn mal ansprechen", sagt Jost augenzwinkernd.
Ex-Profi Kruska ist Dreh- und Angelpunkt
Jost wird übrigens selbst terminlich bedingt nicht vor Ort sein. Fehlen wird wohl verletzungsbedingt auch ein weiterer Leistungsträger. Ex-Profi Marc-Andre Kruska, der einst mit 17 Jahren sein Debüt beim BVB feierte, ist im Team Dreh- und Angelpunkt. Er gehört zu den zahlreichen Spielern der Betriebssportler, die eine VfL-Jugendmannschaft trainieren. Im Hauptberuf arbeitet er als Co-Trainer der Bochumer U 19-Bundesligamannschaft. Wann immer er Zeit findet, unterstützt er seine Arbeitskollegen auf dem Feld. Im Gespräch mit FUSSBALL.DE erklärt Kruska, warum er in der untersten Liga aufläuft: "Es macht Spaß, mit den Jungs zu spielen. So kann man sich untereinander besser kennenlernen." Sein letzter Profieinsatz, damals für Bremen II in der 3.Liga, liegt inzwischen fast vier Jahre zurück. Den Ehrgeiz hat er nicht verloren: "Wenn ich auf dem Platz stehe, will ich auch gewinnen. Mitunter ärgere ich mich auch über meine eigenen Fehlpässe." Zuletzt spielte Kruska beim FC Frohlinde in der Landesliga. Aus Verletzungsgründen trat er deutlich kürzer.
Aber auch in der Kreisliga C sind die Partien für Kruska kein Sonntagsspaziergang. Mitunter muss er mächtig einstecken: "Die Gegner wissen, dass viele von uns mal höher gespielt haben. Das macht es für uns nicht einfacher." Regelmäßig spüre er die Schmerzen: "Eigentlich laufe ich gar nicht so viel. Aber wenn ich 90 Minuten durchspiele, macht sich meine Hüfte regelmäßig bemerkbar." Manchmal würde er sich daher wünschen, "ein wenig undercover" mitzumischen. Für den ehemaligen Mittelfeldspieler des FC Energie Cottbus sei der Schritt in die Kreisliga ungewohnt gewesen: "Anfangs musste ich mich schon ein wenig daran gewöhnen, dass ich nicht jeden Mitspieler so feste anspielen kann wie zu meiner Zeit als Profi", sagt Kruska. Dass nicht immer alles funktioniert, nimmt er gerne in Kauf: "Wir sind ja hier, um Spaß zu haben."
Für die "Betriebself" dürfen übrigens nur Spieler auflaufen, die für den VfL arbeiten oder mal gearbeitet haben. Auch wer den VfL verlässt, bleibt dem Team treu. Torjäger Oliver Diefenbach war beim VfL Bochum Einkaufsleiter. Inzwischen ist er für Bundesliga-Konkurrent Bayer Leverkusen in gleicher Funktion tätig. Klar ist zudem jetzt schon, dass die Betriebsmannschaft auch im Aufstiegsfall eine solche bleiben soll. Jost unmissverständlich "Wir werden weder Fußballer von anderen Klubs abwerben noch werden wir Spieler dazunehmen, die zum VfL in keinem Arbeitsverhältnis stehen."