Magazin | 19.11.2025 | 11:00

Petersen: "Das Ehrenamt ist nicht hoch genug zu bewerten"

"Nur ein Hobby": Ex-Nationalspieler Nils Petersen spielt jetzt für SF Oberried II.[Foto: Imago/SF Oberried]

Nils Petersen kann nicht ohne Fußball. Der frühere Bundesligaprofi und Nationalspieler trägt seit Sommer das Trikot der zweiten Mannschaft der Sportfreunde Oberried in der Kreisliga B. Für den Klub aus dem Südbadischen Fußballverband trifft der 36-Jährige wie am Fließband. Nicht nur seine Mitspieler sind begeistert, auch bei den Gegnern ist Petersen als Persönlichkeit total respektiert.

Dass er ein Herz für den Fußball an der Basis hat, hat der Ex-Profi, der schon als Amateurschiri aktiv und beim "Wochenende des Amateurfußballs" auf dem DFB-Campus dabei war, mehrfach betont. Warum aber ist Nils Petersen noch mal als Spieler in den Amateurfußball zurückgekehrt? FUSSBALL.DE hat sich mit ihm darüber unterhalten.

FUSSBALL.DE: Nils Petersen, was motiviert Sie als zweimaligen deutschen Nationalspieler dazu, für die zweite Mannschaft der Sportfreunde Oberried in der Kreisliga B aufzulaufen?

Nils Petersen: Ein guter Freund von mir spielt in Oberried, aus einer losen Idee wurde dann relativ schnell Realität. Ich hatte einfach Lust, wieder regelmäßig zu kicken. Zwar hatte ich in jüngerer Vergangenheit immer mal Einladungen zu Hallenturnieren oder Traditionsmannschaften. Aber die Regelmäßigkeit, wenn man so will einen Rhythmus, habe ich erst jetzt wieder im Punktspielbetrieb.

Sie haben Ihre Karriere 2023 beim SC Freiburg beendet. Haben Sie gemerkt, dass ein Leben ganz ohne Fußball nicht so toll ist?

Petersen: Mein Leben seit Ende der aktiven Laufbahn war und ist ausgefüllt, ich habe mich keinen einzigen Tag gelangweilt und bin dankbar für all die neuen Erfahrungen - vom Buch-Autor über Keynote-Vorträge bis zu den Tätigkeiten als TV-Experte. Das macht mir extrem Spaß. Deshalb sollte und kann meine Zusage für den Spielbetrieb beim SF Oberried auch nur ein Hobby bleiben. Fußball als schönste Nebensache der Welt, nachdem es viele Jahre die Hauptsache in meinem Leben war.

"Fußball als schönste Nebensache der Welt, nachdem es viele Jahre die Hauptsache in meinem Leben war"

Wie erleben Sie die Sonntage im Amateurfußball?

Petersen: Ich liebe den Bratwurstgeruch, Zuschauer mit Bierbechern und schlauen Kommentaren, den Treffpunkt mit dem Team, das Siegergetränk danach. Teil einer Mannschaft zu sein, das habe ich am meisten vermisst in den vergangenen zwei Jahren.

Nehmen Sie als ehemaliger Profi bei den Gegnern eine besondere Rolle ein?

Nils Petersen: Das kann ich nicht beurteilen, ich möchte aber gar keine Sonderrolle einnehmen. Weder in meinem Team noch beim Gegner. Aber es bleibt sicherlich nicht aus, dass sich gegnerische Verteidiger auch mal mit einem ehemaligen Bundesligaspieler messen wollen. Jedenfalls hatte ich bisher nie das Gefühl, dass jemand sagt: "Dem zeigen wir es aber mal so richtig." Es geht in der Regel bei allem Ehrgeiz absolut fair zu. 

Welche Bedeutung haben der Amateurfußball in Deutschland und das vielfältige ehrenamtliche Engagement Ihrer Meinung nach?

Nils Petersen: Der Amateurfußball ist und bleibt das Fundament für die große Popularität. Der Sport ist nicht abstrakt oder nur weit weg im TV zu bewundern, sondern kann überall gespielt werden. Bei jedem Wetter und in jedem Alter. Das Ehrenamt ist nicht hoch genug zu bewerten, in meiner Beobachtung bringen Übungsleiter oder Betreuer eher noch Geld mit, als dass sie etwas verdienen für ihre Tätigkeit. Meinen großen Respekt an jeden, der sich im Sport engagiert. 

"Ich liebe den Bratwurstgeruch, Zuschauer mit Bierbechern und schlauen Kommentaren, das Siegergetränk danach"

Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre Anfänge im Amateurfußball in Wernigerode und Halberstadt?

Nils Petersen: Ich bin auf Sportplätzen aufgewachsen, habe meinen Trainer-Vater regelmäßig begleitet und kann mich natürlich auch noch an meine ersten Schritte als Steppke erinnern. Mein Vorbild war damals meine größere Schwester Norma, eine richtig gute Fußballerin. In einer Zeit, als Frauenfußball in der Wahrnehmung kaum eine Rolle spielte.

Später haben Sie unter anderem für Bayern München, Werder Bremen und den SC Freiburg gespielt. Wie denken Sie heute vor allem über das Jahr beim FC Bayern?

Nils Petersen: Dieses eine Jahr im Starensemble möchte ich nicht missen, auch wenn es nur zu drei zweiten Plätzen reichte inklusive "Finale dahoam" 2012. Ich habe sehr viel gelernt, meine Grenzen ausgelotet und bin ziemlich weich gefallen. Insofern denke ich gern an diese Zeit an der Seite der Allerbesten zurück. 

Außerdem haben Sie zweimal für die A-Nationalmannschaft gespielt. Was bedeutet Ihnen das?

Nils Petersen: Die Nationalhymne auf dem Rasen zu hören, das deutsche Trikot zu tragen, in diesem Moment einer der Auserwählten seines Landes zu sein - das ist schon sehr speziell und war damals fast schon unwirklich. Aufgesaugt habe ich vor allem die Olympischen Spiele in Brasilien mit dem deutschen Team. Sportlich und menschlich waren das einige der schönsten Wochen meiner Karriere.

"Die Olympischen Spiele in Brasilien waren sportlich und menschlich einige der schönsten Wochen meiner Karriere"

Sie sind bis heute der erfolgreichste Joker in der Geschichte der Bundesliga. Wegen der Fähigkeit, nach der Einwechslung direkt im Spiel zu sein, haben Sie vermutlich seltener in der Startelf gestanden, als es hätte möglich sein können. War es Fluch und Segen zugleich, ein perfekter Joker zu sein?

Nils Petersen: Vermutlich. Natürlich hätte ich gern öfter von Beginn an gespielt und habe mich mit der Rolle nie gänzlich abgefunden. Aber ich hatte zum Glück relativ früh begriffen, dass darin auch eine Chance besteht und Schmollen mir nicht weiterhilft. Rückblickend bin ich auf den Rekord, auf dieses Alleinstellungsmerkmal, wirklich stolz. 

Dürfen Sie jetzt bei der zweiten Mannschaft der Sportfreunde Oberried regelmäßig beginnen - oder sind Sie auch dort als Joker eingeplant?

Nils Petersen: Bisher durfte ich von Beginn an spielen und versuche die Leistung so zu organisieren, dass das auch so bleibt. (lacht)

Können Sie sich vorstellen, sich auch künftig im Amateurfußball zu engagieren?

Nils Petersen: Vorstellen kann ich mir einiges. Nachdem ich das lange kategorisch ausgeschlossen hatte, freunde ich mich immer mehr auch mit der Rolle als Trainer an. Für die entsprechenden Lizenzen habe ich mich inzwischen angemeldet und lasse alles Weitere auf mich zukommen.