Besuch eines Turniers in Berlin |16.01.2016|10:00

Warum wir den Hallenfußball so sehr lieben

Großer Sport vor kleiner Kulisse: In der Berliner Sporthalle Schöneberg rollt regelmäßig der Ball. [Foto: Schlichting]

Schnee oder Regen, vereiste oder matschige Plätze. Draußen Fußball zu spielen, ist im Moment kein Vergnügen. Schön, dass es Hallen gibt. Überall im Land wird derzeit unterm Dach gekickt. Stadtmeisterschaften, Einladungsturniere, Turniere einzelner Ligen ... irgendwo wird jeder Interessierte fündig. Zum Beispiel in Berlin. Wir haben uns exemplarisch in den Hallen der Hauptstadt umgesehen.

Seit Mitte Dezember bis weit in den Februar stehen an 25 Tagen fast 40 Veranstaltungen im Berliner Amateurbereich auf dem Programm. Zweiter Weihnachtsfeiertag und Neujahr inklusive. Von der Berlin-Liga bis zur Kreisliga C spielt jede Klasse ihre Besten aus, im Frauen-, Jugend sowie Seniorenbereich und auch bei den Schiedsrichtern finden Turniere statt. Oft über mehrere Tage. Niemand wird sie alle sehen, das ist schon durch terminliche Überschneidungen nicht machbar. Aber es gibt sogar Whatsapp-Gruppen, in denen sich Freunde des kleinen Sports auf dem Laufenden halten, wer wann und wo hingeht.

"Freunde, dit Spiel is vorbei"

Daniel Kübler ist in einer solchen Gruppe. Er sieht weit mehr als 20 Turniere. Bei den Frauen ist er Hallensprecher. „Ich mag die kleinen Turniere einfach. Hier ist immer was los, es geht Schlag auf Schlag“, sagt Kübler. Beispiele gefällig? 8:6 in der Kreisliga C, 3:4 nach 3:0 in der Kreisliga A. Und 0:0? Selten. In solch einem Fall ist die Spielzeit von nur zehn Minuten ein Segen.

Die Sporthalle Schöneberg ist – auch bedingt durch die Belegung anderer Sportstätten mit Flüchtlingen – mehr denn je der Mittelpunkt des Hallenlebens. Nicht perfekt, dafür mit Charme. Sie passt zu den Turnieren. In den 50er-Jahren erbaut, in gelb und braun gehalten, mit Garderoben, die wohl nur ältere Besucher noch offen erlebt haben. Die große Uhr hinter dem Tor geht mal richtig, mal falsch und mal gar nicht. Die zwei Uhren, auf denen die Spielzeit mitläuft, gehen meistens. Wenn sie stehen, hat mitunter einfach der Zeitnehmer vergessen, nach einer Unterbrechung den Knopf zu drücken.

Werbung für "Bernd vom Grill"

Wie die Liga, so die Hallenrunde. Die Berlin-Liga , höchste Spielklasse der Stadt, lockt an zwei Tagen mehr als 2000 Zuschauer in die Halle. Es gibt einen recht professionellen Sprecher („Der Torwart kommt bitte zu uns. Er kennt den Weg ja schon“ – bei der zweiten Zwei-Minuten-Strafe), zwischendurch wird ausführlich den Sponsoren gedankt. Durchblättern des über 70 Seiten starken Programmheftes lohnt schon allein wegen Anzeigen wie der von „Bernd vom Grill“: Ein Mann, vermutlich Bernd, steht in roter Schürze vor seinem Imbiss. Darunter die Adresse. Fertig.

Am anderen Ende des Ligensystems lädt die Kreisliga C zum Hallenvergnügen. Hier sind auch Gast-Teams aus der Freizeit- oder Kirchenliga willkommen. Die Zuschauer – meist zwischen zehn und 40 – gehören fast immer zum Kampfgericht, den Vereinen oder den Schiedsrichtern. Der Schiri nimmt sich die Zeit, die Hallenregeln ausführlich zu erläutern. Während des laufenden Spiels. Der Sprecher, gleichzeitig Organisator nutzt das Mikro für Kommunikation jeglicher Art. Von „jeht dit so mit den Farben?“ (zum Schiedsrichter, wenn zwei Teams in ähnlichen Trikotfarben spielen) bis „Freunde, dit Spiel is vorbei“ (wenn die Emotionen nach dem Ende hochkochen). Gemessen an der Fülle der Spiele – allein im Männerbereich alles in allem weit mehr als 300 – passiert nicht viel. Bislang gerieten sich je einmal Zuschauer und einmal Teams richtig in die Haare.

Acht Mettbrötchen am Tag

Gerade in den unteren Spielklassen ist Improvisationstalent gefragt. Sagt eine Mannschaft Bescheid, dass sie nicht kommt, ist das nett, hilft aber 15 Minuten vor Beginn nur bedingt. Ein Veranstalter bastelt dann spontan eine Vierergruppe mit Hin- und Rückrunde. Das gefällt den Zuschauern. Ein anderer bleibt einen Tag später beim selben Problem beim vorgesehenen Plan. Folge: Pausen. Viele Pausen. Den Betreiber des Bierstands freut es, den Besucher weniger. Immerhin bleibt mehr Zeit für die Beschaffung von Mettbrötchen (nur echt mit Zwiebeln, Gurke und Pfeffer). Für Stammgast Kübler dürfen es in Schöneberg pro Turnier mindestens vier halbe Brötchen sein. Bei tagesfüllenden Turnieren bis zu acht. Der 36-Jährige ist am Imbiss bestens bekannt. Das Bedauern des Verkäufers ist ehrlich, wenn die begehrte Ware bereits früh ausgegangen ist.

Seit Jahren wird im Vorfeld das zurückgehende Interesse der Vereine beklagt. „Das ist schon etwas traurig und ich hätte mir natürlich mehr Teilnehmer gewünscht“, sagte etwa Carsten Polte, Vorsitzender der Bezirksliga-AG im Hallen-Sonderheft der Fußball-Woche . Es waren 16 Vereine dabei, sechs weniger als im Vorjahr. „Eine Zwischenrunde lohnt sich schon längst nicht mehr“, sagte Polte. Wenn der Ball rollt, sind die Leute jedoch da. Die Bezirksliga zählte in Vor- und Endrunde insgesamt mehr als 400 zahlende Zuschauer. Eine Klasse höher in der Landesliga kamen gut 1000. Der Amateur-Hallenfußball lebt in Berlin. Und nicht nur da.