Häßler und Co.: Weltmeister im Amateurfußball
Drei Weltmeister bei den Amateuren: Thomas Häßler, Jürgen Kohler und Klaus Augenthaler (v.l.). [Foto: Fotos Getty, imago; Collage FUSSBALL.DE]
Weltmeister bleibt man sein ganzes Leben lang. Der Gewinn des FIFA-Weltpokals ist die Krönung einer Fußballer-Laufbahn. Mehr geht nicht. Viele WM-Helden nutzen den Titel als Sprungbrett, legen auch nach ihrem sportlichen Rücktritt eine eindrucksvolle Karriere hin: Ob in der Medienbranche (Günter Netzer), als DFB-Teamchef (Franz Beckenbauer, Rudi Völler), als Trainer (unter anderem Jupp Heynckes, Berti Vogts und Jürgen Klinsmann) oder als Vereinsfunktionär (Uli Hoeneß, Wolfgang Overath, Rainer Bonhof). Der Weltmeistertitel öffnet häufig Tür und Tor.
"Einen Verein wie Club Italia neu zu entwickeln, sehe ich als eine spannende Aufgabe. Ich bin sehr glücklich, dass ich das Vertrauen des Vereins bekommen habe"
Umso erstaunlicher, dass sich eine ganze Reihe der Weltmeister von 1990 heute nicht mehr im Rampenlicht tummeln, sondern die große Bühne verlassen haben, um ihre wertvollen Erfahrungen im deutschen Amateurfußball einzubringen - quer über die Bundesrepublik verteilt. Immerhin blicken Thomas Häßler, Klaus Augenthaler, Jürgen Kohler und Günter Hermann zusammen auf 235 A-Länderspiele und nicht weniger als 1464 Bundesligapartien zurück.
„Icke“ zurück in Berlin
Club Italia 80 Berlin , Bezirksliga Staffel 1: Einige Gegner in der kommenden Saison sind der BSC Eintracht Südring, SV Stern Britz, Grünauer BC und der FC Liria. Was im ersten Augenblick keinen weltmeisterlichen Glanz versprüht, ändert sich beim Betrachten der Trainerbank: Thomas Häßler, gebürtiger Berliner, nimmt dort ab sofort Platz , bereitet seine Mannschaft auf die neue Saison vor. Es ist „Ickes“ erster Cheftrainer-Posten.
Zuletzt machte Häßler unter anderem mit verschiedenen Ausflügen in die Show-Branche von sich reden. Bei „Let’s Dance“ schaffte der 1,66 Meter große Häßler zusammen mit Tanzpartnerin Regina Luca immerhin den Sprung in die fünfte Runde der RTL-Sendung. In der Show „Ewige Helden“ duellierte sich der ehemalige Edeltechniker mit anderen Größen im Ruhestand, unter ihnen Olympiasieger wie Diskuswerfer Lars Riedel, Schwimmerin Britta Steffen oder Leichtathletin Heike Drechsler, in verschiedenen Wettkämpfen.
Nun kehrt der Fußballer des Jahres 1989 und 1992, der 101 Länderspiele für Deutschland bestritt, zu seinen Wurzeln zurück. Bei seinem Trainer-Engagement beim Club Italia handelt es sich nicht etwa um einen Marketing-Gag. Häßler hat in der 8. Liga einen Vertrag bis 2018 unterschrieben. „Einen Verein wie Club Italia neu zu entwickeln, sehe ich als eine spannende Aufgabe. Ich bin sehr glücklich, dass ich das Vertrauen des Vereins bekommen habe und hoffe, dass wir gemeinsam unsere Ziele erreichen werden“, so Häßler.
Der Berliner Amateurverein ist nicht die erste außergewöhnliche Stelle von „Icke“. Der seit wenigen Wochen 50-Jährige war Assistent von Berti Vogts, Trainer der Europameister von 1996, bei der nigerianischen Nationalmannschaft. Ebenfalls Co-Trainer war Häßler beim iranischen Erstligisten Padideh Maschad, außerdem Techniktrainer beim Nachwuchs des 1. FC Köln. Nun kehrte Häßler, der einst mit seinem Siegtor in der WM-Qualifikation gegen Wales (2:1) der deutschen Mannschaft erst den Weg zur WM nach Italien und damit zum späteren Finaltriumph über Argentinien (1:0) geebnet hatte, in seine Heimatstadt zurück.
Augenthaler: Landesliga statt Champions League
Beim bayerischen Landesliga -Aufsteiger SV Donaustauf , rund 500 Kilometer südlich von Berlin, ist jetzt mit Klaus Augenthaler der Abwehr-Chef der WM-Elf von 1990 wieder als Trainer tätig . Jüngst landete die Augenthaler-Elf einen 3:2-Auswärtserfolg bem SV Fortuna Regensburg. Nach drei Spielen rangiert der SVD mit sieben Zählern auf Platz drei.
Augenthaler, der als Profi mit dem FC Bayern München unter anderem sieben Deutsche Meisterschaften und dreimal den DFB-Pokal gewann, trainierte - anders als Thomas Häßler - bereits einige Bundesliga-Mannschaften. Den 1. FC Nürnberg führte „Auge“ 2001 zum Aufstieg in das Oberhaus. Weitere Stationen waren Bayer 04 Leverkusen und der VfL Wolfsburg. Leverkusen rettete der 58-Jährige 2003 vor dem drohenden Abstieg und führte die Rheinländer anschließend in die Champions League. Im September 2005 musste der einstige Libero das Feld bei Bayer 04 räumen, nur drei Monate später heuerte er beim VfL Wolfsburg an, wo er bis Mai 2007 tätig war.
Über die Station bei der SpVgg Unterhaching (von März 2010 bis Sommer 2011) landete Augenthaler nun in der bayerischen Oberpfalz. Ehrenbürger von Donaustauf ist ein alter Bekannter von Augenthaler: Klaus Eder, seit 1988 Physiotherapeut der Nationalmannschaft, hat seine Praxis noch heute im benachbarten Regensburg.
„Fußballgott“ Kohler in Alfter
Weitere 500 Kilometer weiter Richtung Nordwesten, im Rhein-Sieg-Kreis, befindet sich die Gemeinde Alfter, unweit der ehemaligen Bundeshauptstadt Bonn. Ein weiterer Weltmeister von 1990 leitet seit diesem Sommer die Geschicke beim ortsansässigen VfL . Jürgen Kohler, Fußballer des Jahres 1997 und einst für den SV Waldhof Mannheim, den 1. FC Köln, den FC Bayern München, Juventus Turin und Borussia Dortmund am Ball, befindet sich seit Mitte Juli mit seiner neuen Mannschaft in der Vorbereitung auf die Saison in der Mittelrheinliga . Dass Kohlers Engagement beim 678-Mitglieder-Verein in Alfter etwas Besonderes für die Region ist, beweist das Kamerateam, das den Trainingsauftakt begleitete.
Kohler ist allerdings schon ein „alter Hase“, was das Trainieren von Amateurvereinen angeht. Mit der SpVgg EGC Wirges (Rheinland-Pfalz) schaffte der „Kokser“, der zuvor beim MSV Duisburg und beim VfR Aalen tätig war, 2014 den Aufstieg von der Rheinlandliga in die Oberliga Rheinland-Pfalz/Saar. In der vergangenen Saison stand Kohler beim pfälzischen Oberligisten SC Hauenstein an der Seitenlinie. Er gewann mit seinem Team das Finale des Südwest-Verbandspokals gegen den Ligakonkurrenten TSV Schott Mainz (2:1 nach Verlängerung) , bescherte seinem Ex-Verein damit das Duell mit dem Bundesligisten und Champions League-Teilnehmer Bayer 04 Leverkusen in der ersten DFB-Pokalrunde am Sonntag, 21. August (ab 15.30 Uhr). Am Regionalliga-Aufstieg schrammte Kohler mit Hauenstein als Vizemeister hinter der TuS Koblenz in der folgenden Aufstiegsrunde knapp vorbei.
Es bleibt abzuwarten, ob die Präsenz von Jürgen Kohler, einst in Dortmund „Fußballgott“ getauft, auch den Besucherschnitt der 23.435 Einwohner-Gemeinde Alfter in die Höhe schnellen lässt. Ganze 184 Fans sahen bislang im Schnitt die Spiele des VfL im 1.500 Zuschauer fassenden Waldstadion - unter anderem gegen Blau-Weiß Friesdorf, den SV Breinig oder Viktoria Arnoldsweiler.
Günter Hermann: Erfolge als Profi und Trainer
Günter Hermann ist nach wie vor in Bremen zu Hause. Der 55-Jährige, der den Großteil seiner Profikarriere beim SV Werder verbrachte (1983 bis 1992), blieb bei der WM 1990 zwar ohne Einsatz, stand aber im Kader von Teamchef Franz Beckenbauer und darf sich mit Fug und Recht Weltmeister nennen. Beim FC Oberneuland fungiert Hermann aktuell als Teammanager in der Bremen-Liga (fünfthöchste Spielklasse).
Hermann hat seine Trainerfähigkeiten bereits unter Beweis gestellt. Den Verein für Sport und Körperpflege (VSK) Osterholz-Scharmbeck führte der zweimalige Deutsche Meister und Europapokalsieger von 1992 (mit Werder Bremen unter Trainerlegende Otto Rehhagel) von der Bezirksliga bis in die Oberliga Nord. Insgesamt war Hermann von 2001 bis 2014 Trainer beim VSK. Zuletzt gelang ihm auch mit dem FC Oberneuland, für den auch Hermanns Sohn Patrick aufläuft, ebenfalls die Rückkehr in die Oberliga.
Außerdem hat sich Günter Hermann ein zweites Standbein aufgebaut. Bereits seit 1996 betreibt er ein Sportfachgeschäft in Osterholz-Scharmbeck.