Echte Liebe? Fußballer im Beziehungskonflikt
Diese beiden DFB-Fans beweisen: Ja, auch Fußball kann romantisch sein.
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„Hass gehört nicht ins Stadion. Solche Gefühle sollte man gemeinsam mit seiner Frau daheim im Wohnzimmer ausleben.“ Es klimpert wieder kräftig im Phrasenschwein. Sicher keine Aussage, mit der ein Paartherapeut seine erste Sitzung beginnen würde - hier die neueste Folge der FUSSBALL.DE-Amateurkolumne Amateur-Alltag von Joel Grandke.
Fußball-Weisheit #26: „ Hass gehört nicht ins Stadion. Solche Gefühle sollte man gemeinsam mit seiner Frau daheim im Wohnzimmer ausleben . “ Es klimpert wieder kräftig im Phrasenschwein. Da will man Berti Vogts nach dem ersten Satz schon feierlich die Mahatma-Gandhi-Friedensmedaille um den Hals hängen – und dann sowas. Sicher keine Aussage, mit der ein Paartherapeut seine erste Sitzung beginnen würde. Und auch sicher keine Botschaft, mit der Alice Schwarzer ihren Leitartikel in der „Emma“ beenden würde. Wir wollen an dieser Stelle aber nicht weiter auf das Beziehungsleben vom Kollegen Vogts oder anderen Sport-Prominenten eingehen. Stattdessen widmen wir uns der allseits bekannten Problematik, dass Fußball und Beziehung durchaus mal in Konflikt geraten können.
Jetzt mal unter uns gefragt, liebe Amateurkicker: Hat eure Beziehung den diesjährigen Valentinstag überstanden? Vergeblich warteten Fußballfans darauf, dass „Amnesty International“ noch etwas gegen die skandalöse Ansetzung des Champions-League-Achtelfinales zwischen Real Madrid und Paris Saint-Germain am Tag der Liebe unternimmt. „Gelten für Fußballfans denn gar keine Menschenrechte mehr?“, fluchten verzweifelte User in unzählige Kommentarspalten der sozialen Medien. „Sitzen bei der UEFA eigentlich nur einsame Männer mit sadistischen Neigungen?“ Selbst diejenigen, die den Valentinstag sonst als plumpe Geschäftemacherei boykottieren, werden plötzlich zu hoffnungslosen Romantikern: „Wie respektlos kann man sein, um Fußballspiele am Tag des Heiligen Valentin anzusetzen? #whereisthelove“
Im Netz nahm man die Umstände aber auch mit Galgenhumor. In jeder Timeline tauchte wohl das Bild auf, in dem der Mann grübelnd auf der Bettkante sitzt und seine Partnerin ihn hinterrücks beobachtet. Sie für sich: „Er denkt gerade garantiert an eine andere Frau!“ Seine wahren Gedanken aber: „Wie bringe ich ihr nur bei, dass ich am Valentinstag das Champions-League-Spiel gucken muss?“ Diese Problematik stellte die ein oder andere Beziehung massiv auf die Probe. Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt: Wer das Gespräch mit einem „Schatz, Paris ist ja die Stadt der Liebe…“ beginnt, hält nach diesen Worten bereits eine überglückliche Freundin im Arm, die direkt ihre Koffer für den ultimativen Pärchen-Ausflug packen möchte. Diese Erwartungshaltung ist eine denkbar schlechte Grundlage für die Ankündigung eines bierlastigen Sofaabends.
"Malle ist schließlich nur einmal im Jahr, Schatz…"
Die Gratwanderung am diesjährigen Valentinstag ist aber nur eine von vielen Hürden, die Partnerschaften mit Fußball-Hintergrund zu meistern haben. Häufig beginnt es schon bei der Urlaubsplanung. Der leidenschaftliche Amateurkicker nimmt natürlich nur dann Urlaub, wenn die Kreisliga-Saison vorbei ist. Die Vorfreude auf eine gemeinsame Reise verschwindet bei seiner Freundin schlagartig, sobald er akribisch die möglichen Nachholspieltage und Relegationspartien recherchiert. Während sie sich im Reisebüro nach beliebten Zielen erkundigen möchte, telefoniert er mit dem Staffelleiter und bespricht alle Eventualitäten für die Sommerpause im kommenden Jahr. Nicht zu vergessen: Der Termin für die Abschlussfahrt mit der Mannschaft muss natürlich zuerst festgezurrt werden: „Malle ist schließlich nur einmal im Jahr, Schatz…“
Sollte die schwierige Organisations-Phase überstanden und das Paar tatsächlich gemeinsam im Italien-Urlaub sein, lauern hier die nächsten Gefahren. Am Samstagabend lotst er sie in eine „kultige“ Eckkneipe in Rom, die zufälligerweise Fußball überträgt. Es darf von ihrer Seite aus zurecht bezweifelt werden, dass dieser uncharmant eingerichtete Laden tatsächlich ein „Geheimtipp aus dem Reiseführer“ darstellt. Restlos bedient ist sie spätestens dann, als er sich beinahe mit dem Wirt prügelt, da dieser sich weigert, vom Coppa-Finale zwischen AS und Lazio Rom auf das Spiel seiner Kölner gegen den Hamburger SV umzuschalten. Der Wirt erhält anschließend kein Trinkgeld, unser Amateurkicker dafür ein lebenslanges Hausverbot. Lediglich seine bemitleidenswerte Freundin erhält zum Abschied noch einen Grappa aufs Haus.
Einige Kreisliga-Spieler können allerdings noch einen drauflegen. Sie planen nicht nur den gemeinsamen Urlaub, sondern auch ihren Hochzeitstermin auf Grundlage ihres Spielplans. Sie wollen es sich schließlich nicht mit der Truppe verscherzen: Sollte die Mannschaft für die Feier absagen oder nichts trinken, weil sie am nächsten Tag ein Spiel hat, würde die Hochzeitsgemeinschaft ja nur aus Verwandten und ein paar alten Freunden bestehen. Eine grauenvolle Vorstellung! Sollte sich die Braut doch durchsetzen und der Termin auf ein Spieltags-Wochenende fallen, darf allerdings die Ruhe bewahrt werden. Wir wissen alle, dass sich die Truppe eine Hochzeit mit Getränke-Flatrate niemals entgehen lässt – egal, ob das nächste Spiel am nächsten Morgen oder erst zwei Wochen später stattfindet. Übrigens: Es kommt auch nicht so gut an, wenn der Bräutigam während der Trauung einen versteckten In-Ear-Kopfhörer im Ohr hat, mit dem er leise die Bundesliga-Konferenz verfolgt.
Ärger droht auch bei anderen Terminen im Familienkreis: Wenn der runde Geburtstag der Schwiegermutter mit dem Kreispokal-Halbfinale zusammenfällt, ist Diplomatie gefragt. Nur mit Müh und Not kann er seine Freundin davon überzeugen, erst nach dem Spiel zur Gruppe dazuzustoßen. Es liegt aber auf der Hand, dass es bei dieser Absprache nicht bleibt. Gegen Mitternacht ruft er schließlich schwer angetrunken bei seiner Partnerin an, die schon längst zuhause im Bett liegt, und fragt, ob sie ihn abholen und zur Feier bringen könnte, da er nicht mehr fahren dürfte. Der Abend habe eine „gewisse Eigendynamik“ entwickelt, da das Spiel noch nach dramatischem Elfmeterschießen gewonnen wurde. Als im Hintergrund dröhnende „Fiiinaaaleee, ooohooo!“-Sprechchöre schallen, legt sie wortlos auf.
Amateurkicker stecken in solchen Situationen oftmals in einem Dilemma. Sie werden förmlich vor die Entscheidung der „echten Liebe“ gestellt, mit der der BVB beispielsweise Eigenwerbung betreibt. In dem Fall übersetzt in die simple Frage: Fußball oder Freundin? Das Gute daran ist, dass die Freundin meist von Beginn an weiß, dass ihre bessere Hälfte durch und durch fußballbekloppt ist. Bei all ihrer Wut hilft das zumindest beim Verständnis, wenn sich ihr Gatte später für das eigene Fehlverhalten entschuldigt. Am Ende ist, wie so oft im Leben, wohl ein Mittelweg zielführend. So kann man am Valentinstag erstmal schick essen und zur Frühvorstellung von „Shades of Grey 3“ gehen, um danach mit „stechenden Kopfschmerzen“ den abendlichen Ausklang nach Hause zu erzwingen. Wer seine Herzdame den Tag über angemessen verwöhnt hat und auf dem Sofa dann „zufällig“ ins CL-Spiel zappt, kann auf Gnade hoffen. Wenn sie sich dann ihm zuliebe 90 Minuten durch das Spiel quält, können wir getrost von echter Liebe sprechen – sicher auch ganz im Sinne vom Heiligen Valentin.
Joel Grandke, Buchautor und aktiver Amateurkicker aus Hamburg, spürt in seiner wöchentlich auf FUSSBALL.DE erscheinenden Kolumne der Faszination Amateurfußball nach. Stets mit einem Augenzwinkern.