Amateur-Alltag: Quälerei im Trainingslager
Harte Stunden für jeden Amateur: Im Trainingslager wird Blut und Wasser geschwitzt.[Foto: imago]
Im Sommer mal das ein oder andere Bier, dazu jeden Abend den Grill aufgebaut - schnell hat sich der gemeine Amateurfußballer ein kleines Sommerbäuchlein angelacht. Im Trainingslager will der Trainer den überschüssigen Kilos seiner Spieler den Kampf ansagen - ein schwieiriges Unterfangen. Joel Grandke beschreibt in der neuesten Folge der FUSSBALL.DE-Kolumne Amateur-Alltag die schweren Zeiten eines jeden Amateurfußballers im Sommer-Trainingslager:
Fußball-Weisheit #14: „Ich schätze es, wenn Spieler verheiratet sind. Die Frau ist schließlich das beste Trainingslager. “ (Otto Rehhagel über den Familienstand von Fußballern)
Da klimpert‘s kräftig im Phrasenschwein. In der Sommerpause können es Fußballer verdientermaßen etwas ruhiger angehen lassen. Nach einer langen Saison genießen sie die trainingsfreie Zeit genauso wie die Samstage, an denen sie endlich mal ohne schlechtes Gewissen das Glas heben können. Die Aussage „Ich trinke heute nicht, weil wir morgen ein Spiel haben“ ist zwar der am häufigsten gebrochene Vorsatz in Fußballerkreisen, aber nicht mal diese Absicht muss sich in der Sommerpause vorgegaukelt werden.
Das Problem dabei: Der Körper gewöhnt sich nur zu gern an die sportliche Auszeit. Nach der Sommerpause bringen einige Spieler daher neben ihrer Vorfreude auf die neue Saison auch ein paar zusätzliche Kilos auf den Hüften mit. Schon beim Umziehen wird die harte Wahrheit offenbart: Das zuvor locker sitzende Trainingsshirt hat sich über die Wochen in eine Art Wurstpelle mit Slim-Fit-Schnitt verwandelt. „Das muss meiner Frau beim Waschen wohl eingegangen sein“, mutmaßt der Träger mit Blick auf den bedenklich spannenden Stoff. Andere nehmen ihre neuen Maße mit Humor: „Ich habe meinen Sommertrainingsplan nur so halb eingehalten. Ich wollte in der trainingsfreien Zeit eigentlich zehn Kilo abnehmen. Von dem Ziel trennen mich jetzt nur noch 15…“ Die Waage ist vielen ein härterer Gegner als es jeder noch so gute Gegenspieler je sein könnte.
"Like Schweiß in the Sunshine"
Um seine Jungs rechtzeitig zum Saisonstart wieder in Form zu bringen, baut der Coach meist ein Trainingslager in die Vorbereitung ein. Er vertraut längst nicht auf die rehhagel’sche Weisheit, dass sich seine Männer zuhause optimal fit halten. Stattdessen lässt er sie zusätzlich zum normalen Trainingsplan noch ein langes Wochenende schuften, was vor allem bei der Hitze an die Substanz geht: „Like Schweiß in the Sunshine“. Kreisliga-Teams fahren natürlich nicht ins Nobel-Hotel, das irgendwo am Mittelmeer oder in den Alpen liegt. Hier muss auch mal die Jugendherberge im benachbarten Landkreis herhalten. Weit genug weg, damit es keine alltägliche Umgebung ist, aber immer noch nah genug dran, sodass die Anreise nicht zu zeit- und kostenaufwendig ist.
Der Coach möchte an diesem Wochenende in allen Bereichen vorankommen: Kraft, Koordination, Ausdauer, Technik und Taktik. Die drei Tage sollen natürlich auch den Teamgeist fördern, aber die Arbeit steht klar im Vordergrund. Was er nicht weiß: Die Spieler haben im Koffer mit den Wechseltrikots gleich drei Kisten Doppelkorn mitgeschmuggelt. Die Ansage des Trainers, dass nichts gegen ein Feierabendbierchen nach getaner Arbeit einzuwenden sei, haben die Spieler einfach zu ihren Gunsten ausgelegt.
In der Jugendherberge angekommen, beginnt das Drama bereits bei der Zimmeraufteilung. Wer die naive Hoffnung hat, dass es einen Unterschied zwischen einer Senioren-Fußballmannschaft im Trainingslager und einer Grundschulklasse während der ersten Klassenfahrt gibt, wird schnell eines Besseren belehrt. Eine aufgeregte Absprache zwischen Erwachsenen? Fehlanzeige. Die Raumaufteilung entwickelt sich zu einer wahren Bundestagsdebatte – inklusive vorgeschriebener Redezeiten, bissigen Zwischenrufen und geheimen Absprachen. Keiner möchte mit den teambekannten Schnarchern auf eine Stube. Erst nach anderthalb Stunden haben alle – teils widerwillig – ihr Bett bezogen.
Im Anschluss geht es erstmal auf den Platz: Taktiktraining. Die Einheit entwickelt sich schnell zum völligen Chaos. Der Trainer hat sich einige neue Kniffe ausgedacht, die er seiner Truppe beibringen möchte. Er will sich als erster Trainer der Vereinsgeschichte an einer Viererkette versuchen. Durch die Lücken, die sich bereits bei der Trockenübung ergeben, könnten allerdings elf Stürmer gleichzeitig frei in Richtung Tor geschickt werden. Es bleibt also noch viel Arbeit.
Später hat das Trainerteam einen heiteren Spieleabend organisiert. Egal ob Poker oder Skat: Bei ein paar Kaltgetränken soll der Abend gemeinschaftlich ausklingen. Dieses Vorhaben geht natürlich nach voll hinten los. Kaum hat sich der Trainer in Richtung Bett verabschiedet, greifen die Regeländerungen. Bei jedem verlorenen Blatt muss von nun an ein „Straf-Schnaps“ geext werden. Der feucht-fröhliche Abend zieht sich schließlich bis in die frühen Morgenstunden.
Ausfälle bei der Laufeinheit
Am nächsten Morgen hat der Coach eine Laufeinheit angesetzt, doch nicht mal die Hälfte der Truppe findet sich pünktlich dazu vor der Herberge ein. Der zornige Trainer jagt den Kapitän los, der dafür sorgen soll, dass der Rest der Mannschaft in spätestens zehn Minuten umgezogen angetreten ist. Das gelingt dem Captain zwar mit Mühe und auf die letzte Sekunde, doch das Unheil nimmt erst einen Lauf. Ob des harten Vorabends dauert es nur wenige hundert Meter, bevor der erste Spieler schlappmacht. Er wird nicht das einzige Opfer der gerade mal drei Kilometer langen Laufstrecke bleiben…
Nach einer Mittagspause folgt das Testspiel gegen eine lokale A-Junioren-Mannschaft. Trotz fliegender Wechsel merkt man dem Team die fehlende Frische deutlich an. Eigentlich wollte der Coach gegen einen lockeren Gegner die neue Taktik probieren, doch für sein wankendes Team geht es von Beginn an nur um Schadensbegrenzung. Das Nachwuchsteam fegt die Senioren schließlich mit 0:4 von der Platte. Autsch. Der Trainer ist bedient.
Nach der „Eigendynamik“, die der erste Abend entwickelt hat, soll zumindest der zweite Abend ruhig ausklingen. Die älteren Spieler sind ohnehin noch viel zu kaputt, um eine weitere Nacht Vollgas zu geben. Drei Jugendspieler, die gerade erst zum Herrenteam gestoßen sind, haben da schon deutlich mehr Ausdauer. Sie schleichen sich nachts heimlich aus ihrem Fenster, um sich zu einer nahegelegenen Abi-Fete (Motto: „Wir glühen nicht vor, wir fackeln ab – 2.0“) abholen zu lassen. Sie kommen davon erst so spät zurück, dass der bereits frühstückende Trainer sie noch erwischt. Bei der folgenden Abschlusseinheit beschäftigt er das noch sichtlich angeschlagene Trio mit Diagonalsprints, während die anderen eine lockere Runde kicken dürfen. Hinzu kommt die Strafe, dass sie die Schuhe ihrer Teamkameraden vor den ersten drei Punktspielen putzen müssen. Trotz all dem Stress, dem misslungenen Spiel, den unterirdischen Lauf- und Taktikeinheiten hat das Trainingslager so immerhin noch dafür gesorgt, dass die Schuhe der Spieler mal eine Zeit lang sauber sind. Und Hand aufs Herz: An ihre körperlichen Grenzen sind am Ende alle Spieler gegangen – sowohl auf dem Platz, als auch bei der abendlichen Unterhaltung.
Joel Grandke, Buchautor und aktiver Amateurkicker aus Hamburg, spürt in seiner wöchentlich auf FUSSBALL.DEerscheinenden Kolumne der Faszination Amateurfußball nach. Stets mit einem Augenzwinkern.