Oma Klinzmann: Schon bei 1. Länderspiel dabei
Drei Klinzmann-Generationen (links): Marc und der elfjährige Jon-Age mit Christel, die 21 Mal für Deutschland gespielt hat. Das Foto rechts stammt von einem Länderspiel gegen die Schweiz im Jahr 1988. [Foto: Hennies, privat / Collage: FUSSBALL.DE]
Christel Klinzmann, deutsche Nationalspielerin der ersten Stunde, ist auch noch mit 63 Jahren im Fußball engagiert. Die heute vierfache Oma wurde beim ersten DFB-Länderspiel, einem 5:1-Erfolg gegen die Schweiz in Koblenz, eingewechselt - vor exakt 35 Jahren.
Am 10. November 1982 wurde Geschichte geschrieben: Die Frauen-Nationalmannschaft des DFB absolviert ihr erstes Länderspiel. Beim Debüt besiegen Deutschlands Frauen die Schweiz vor rund 5.000 Zuschauern im Koblenzer Stadion Oberwerth mit 5:1 (1:0). Das Gros der Auswahl stellt das damalige Megateam der SSG Bergisch-Gladbach. Christel Klinzmann vom VfR Eintracht Wolfsburg war eine der Ausnahmen von einem anderen Klub. Sie wurde in der 52. Minute eingewechselt, spielte also genau 18 Minuten lang - denn Frauenspiele dauerten damals nur 2 x 35 Minuten.
"Manchmal muss ich sogar noch Autogramme geben, weil meine Karriere doch bei vielen Menschen bekannt ist"
Die konsequente und kompromisslose Defensivspielerin kam bis zu ihrem letzten Spiel gegen die USA am 22. Juli 1988 auf insgesamt 21 Einsätze für das deutsche Nationalteam. Dazwischen liegen sechs ereignisreiche Jahre für die Niedersächsin, die in der Gemeinde Rennau bei Helmstedt in Niedersachsen aufgewachsen und dort auch weiterhin heimisch ist: Beim 5:0-Sieg über Island am 30. Juli 1986 konnte sie ihr einziges Länderspieltor erzielen, und zwar zum 2:0 in der 47. Minute. Oder die Zeit, als das Nationalteam in damals hochmodernen Trainingsanzügen aus Ballonseide reiste. In hellgelber Farbe. „Modern Talking“ um Dieter Bohlen und Thomas Anders hätten nicht nur ihre helle Freude gehabt – sie wären absolut neidisch gewesen auf die Mädels des DFB. Diesen Dress übrigens hat Christel Klinzmann vererbt: Über ihren Sohn dann sogar an die darauf folgende Generation. „Ich weiß gar nicht, ob das gute Stück immer noch existiert“, lacht sie.
In ihrer Heimat Rottorf ist die heute 63-Jährige nach wie vor dem Fußball verbunden. Fußballverrückt ist, steht auch heute noch auf dem Platz, als immerhin inzwischen vierfache Großmutter. „Manchmal muss ich sogar noch Autogramme geben, weil meine Karriere doch bei vielen Menschen bekannt ist“, erzählt sie. Ein klein bisschen stolz sei darauf dann doch, obwohl sie den Fußball in ihrem Leben als etwas ganz Selbstverständliches betrachtet. „In der gesamten großen Familie ist Fußball ein absolut bestimmendes Element. Man ist immer irgendwie dabei, will nichts verpassen. Bei Heimspielen meines Enkels Jon-Age zum Beispiel muss ich auch schon mal Schiedsrichterin machen und ich tue das sehr gerne.“ Jon Ages Vereinstrainer übrigens ist Marc Klinzmann, Sohn von Christel Klinzmann und Fußballer durch und durch. Altherren-Spieler beim TSV Germania Helmstedt , Jugendtrainer mit frisch erneuerter B-Lizenz und Coach der Kreisauswahl für den Jahrgang 2008. Sogar Schiedsrichter war er eine Zeit lang.
Kaum verwunderlich: Marcs Schwester Daniela hat als echte Klinzmann natürlich ebenfalls viele Jahre gekickt. Beim TSV Barmke und wie ihre Mutter in der Abwehr. Danielas elfjähriger Sohn Jon-Age hat es bereits bis in den DFB-Stützpunkt geschafft. Marcs Ehefrau Susanne übrigens hat ebenfalls für den TSV Barmke die Kickstiefel geschnürt. „Ich bin erst spät, mit 20 Jahren, zum Vereinsfußball gekommen, weil mein Vater das nicht gerne sah“, berichtet sie. „Damals war meine Schwiegermutter Christel meine Trainerin. Manchmal waren wir auch gemeinsam Spielerin im gleichen Team. Aber das war eher selten.“
Die Kinder von Susanne und Marc, Niklas, Janne-Marie und Jette, haben ebenfalls Fußball gespielt. Jette bevorzugt heute allerdings Tennis, Ballett und Handball. Wie Christel Klinzmann bei ihren Kindern sind auch Susanne und Marc sehr oft dabei, wenn die Kinder Sport treiben. „Sport ist für uns eine Familienangelegenheit“, sagt Marc Klinzmann. Und seine Frau ergänzt: „Ich finde diese Einstellung wichtig, dass die Eltern sich interessieren. Gerade weil es ja bei meinem Vater nicht so war.“
Zurück zu Christel Klinzmann: Die war ab 2006 Trainerin im Jugendbereich des TSV Germania Helmstedt. „Vor vier Jahren hab ich dann damit aufgehört. Bis dahin habe ich auch noch sporadisch bei den Ü 40-Männern mitgespielt. Aber die Knie machen jetzt nicht mehr mit“, erzählt Christel Klinzmann, die einfach kein Ende finden konnte und das auch gar nicht wollte. „Fußball ist ein Sport fürs Leben.“ Nach ihrer richtig aktiven Zeit wurde sie deshalb auch bis 2003 Mädchen- und Frauentrainerin beim TSV Barmke. Im Frauenteam hat sie selbst noch gespielt nach dem Ende ihrer Wolfsburger Zeit im Leistungssport. Ehemann Dieter war lange beim VfL Rottorf engagiert, im Vorstand und auch als Jugendtrainer.
Einst kam es zu dem Zufall, das Christels Jugendteam des TSV Barmke gegen das von Dieter beim VfL Rottorf spielte. „Ich kann mich an das Jahr nicht mehr genau erinnern und auch nicht an das Ergebnis, aber wir haben gewonnen“, lacht Christel Klinzmann. Die hatte einst als Mädchen mit ihren Brüdern dort mit dem Fußball begonnen. „Weil's Spaß gemacht hat und es auf dem Dorf sowieso nichts anderes gab.“ Nach den ersten Schritten im Jungenteam des VfL ging es beim TSV Ochsendorf weiter.
Zeitsprung: „Nach der Geburt meines Sohnes hatte ich 1975 mein erstes Spiel für den VfR Eintracht Wolfsburg gemacht“, erinnert sie sich. „Wir haben damals auch schon viermal die Woche trainiert.“ 1984 verlieren die VfR-Frauen, gegründet 1973, ihr Vereinshighlight, das DFB-Pokalfinale in Berlin gegen die SSG Bergisch Gladbach mit 0:2. Der VfR war 1990 Gründungsmitglied der zweigleisigen Frauen-Bundesliga, belegt in der ersten Saison 1990/91 in der Gruppe Nord den sechsten Platz. Mit Abschluss der Saison 91/92 beendete Christel Klinzmann 38-jährig ihre Karriere auf Topniveau.
Als größtes Highlight ihrer Karriere nennt sie etwas überraschend nicht die Länderspiele, sondern das Erreichen des DFB-Pokalendspiels 1984. „Wir haben im Frankfurter Waldstadion gespielt, vor rund 15.000 Zuschauern aber gegen die SSG Bergisch Gladbach mit 0:2 verloren. Für mich war das dennoch das Riesenereignis, das ich vor die Länderspiele stelle, weil es ein Erfolg mit dem Vereinsteam war, den wir uns mit erkämpft haben. Ein DFB-Pokalfinale zu erreichen, ist für mich absolut besonders“, erklärt Klinzmann.
Vom Konkurs bedroht wechselte die Frauenfußball-Abteilung des VfR 1996 geschlossen zum WSV Wendschott , einem Wolfsburger Stadtteil, spielte unter dem Namen WSV Wolfsburg weiter ehe sie am 1. Juli 2003 geschlossen zum VfL Wolfsburg wechselte. Klinzmanns Lieblingsspielerin dort übrigens heißt Alexandra Popp. Kein Wunder bei dem kämpferischen Einsatz, zumal auch Popp einst in Duisburg zunächst als Verteidigerin spielte.