Familienbande |20.02.2019|09:00

Remark: Tore verhindern in Bramfeld

„Es war eine tolle Erfahrung, unter meinem Vater zu trainieren" : Niklas Remark über Vater Thomas Remark.[Foto: privat]

50 Buden in 78 Spielen: Mit der Quote würde ein heutiger Topstürmer vermutlich zweimal nacheinander Torschützenkönig werden und bald in die Hall of Fame des deutschen Fußballs einziehen. Thomas Remark hingegen ist ein wenig in Vergessenheit geraten, dabei schoss der ehemalige Spieler von Hertha BSC die Berliner in den Jahren 1980 bis 1982 mit exakt dieser Ausbeute nach oben – allerdings seinerzeit von der zweiten in die erste Liga. Inzwischen ist der 59-Jährige, der unter anderem noch mit Waldhof Mannheim in der Bundesliga sowie bei Olympique Lyon stürmte, Trainer beim Kreisligisten VfL Oberbieber. Sein Sohn Niklas spielte nur als Kind im Angriff, heute verteidigt er beim Hamburger Verbandsligisten Bramfelder SV – die neueste Folge unserer Serie „Familienbande“.

Heynckes deckt den Fehler auf

TV-Moderator Arnd Zeigler ist mit seiner „Wunderbaren Welt des Fußballs“ dafür bekannt, herrliche Fußball-Anekdoten aus der Tiefe des Raums hervorzuholen. So auch eine Partie der Mannheimer 1985 gegen Borussia Mönchengladbach, als Thomas Remark zwar zwei Treffer gelingen, ein weiterer aber wegen einer vermeintlichen Abseitsstellung aberkannt wird. Dennoch schafft es das Tor versehentlich in die Auswahl zum „Tor des Monats“, weil vor über drei Jahrzehnten Spielberichte noch handschriftlich oder mit der Schreibmaschine angefertigt werden und ein Datensammler der ARD „Absatztor“ statt „Abseitstor“ einträgt. Erst der große Jupp Heynckes deckt den Schwindel auf, nachdem in der „Sportschau“ die „Tore des Monats“ vorgestellt werden. Der damalige Gladbacher Stürmer moniert, Remarks Treffer hätte doch gar nicht gezählt. Die ARD bittet die Zuschauer daraufhin, nicht für Remark abzustimmen, doch der landet bei der Wahl zum „Tor des Monats September 1985“ trotzdem immerhin auf Platz vier.

Geschichten, wie sie nur der Fußball schreibt? Mehr als drei Jahrzehnte später kann Thomas Remark über die Anekdote nur schmunzeln, schließlich hat er von Klaus Schwarze, dem Erfinder des „Tor des Monats“ zur Entschädigung eine Kaffeetasse geschenkt bekommen. Und so wird Thomas Remark plötzlich auch jenen Fußballfans wieder geläufig, die sonst bei dem Namen vielleicht mit den Schultern gezuckt hätten. „Natürlich sind es aber vor allem die etwas Älteren, die damit etwas anzufangen wissen und sagen: ‚Ah, der hat doch in Mannheim und bei Hertha gespielt!‘ “, nickt Niklas Remark und führt aus: „Irgendwann weiß es dann jeder mal.“

„Es war eine tolle Erfahrung, unter meinem Vater zu trainieren“

Er selbst muss als Kind viel umziehen, der Beruf des Vaters bringt es mit sich. 1994 in Rüdesheim am Rhein geboren, geht es früh nach Berlin, weil Thomas Remark zu der Zeit ein Engagement als Spielertrainer bei Tasmania Neukölln annimmt. Die nächste Station ist die Schweiz, Niklas Remarks erster Verein ist der FC Liestal in der Nähe von Basel. „Da habe ich bei den Minikickern noch ganz vorne gespielt, im Laufe der Jahre bin ich aber immer weiter nach hinten gewandert“, verrät der heutige Bramfelder Innenverteidiger.

Dann wird der talentierte Niklas beim FC Lörrach (heute FV Lörrach) angemeldet. Der Klub verfügt nicht nur über eine Top-Sportanlage, sondern führt in seiner Ahnengalerie jede Menge Promis: Christian Streich, Ottmar Hitzfeld und Sebastian Deisler haben unter anderem am Grüttpark gekickt. Niklas Remark muss aber bald wieder umziehen, nun geht es ins Saarland. In der E-Jugend schließt er sich dem FC Viktoria 09 St. Ingbert an, ab der C-Jugend spielt er für die JFG St. Ingbert. Trainer dort ist Ex-Profi Wenanty Fuhl. „Da hat man gemerkt, wenn jemand Erfahrung und Ahnung vom Fußball hat. Er war menschlich ein toller Typ und hat das auch sportlich auf den Platz vermitteln können“, berichtet Niklas Remark und führt aus: „Legendär bleibt in meinen Ohren der Satz, den er mal beim Schusstraining äußerte: Ja, war nicht schlecht, war ganz schlecht – das natürlich mit einem Augenzwinkern.“

Mit Löw bei der Freiburger „Old-Stars“

Den großen Fußball erlebt der kleine Niklas derweil in Freiburg. Als ehemaliger Spieler des Sportclubs wird Vater Thomas regelmäßig zu Benefiz-Kicks eingeladen. Im Europapark Rust spielen die Freiburger „Old-Stars“ gegen ein Team um die deutschen Skispring-Asse Martin Schmidt und Sven Hannawald. An der Seite von Thomas Remark läuft auch ein gewisser Joachim Löw auf... „Das war schon ein einprägsamer Moment für mich, als ich dem Jogi gegenüberstand und seine Hand schütteln durfte“, strahlt Niklas Remark.

Seine Wege führen als B-Jugendlicher von St. Ingbert zur JFG Obere Saar in der Nähe von Bübingen, wo Niklas Remark zusammen mit seinem Cousin Jannik in einer Mannschaft spielt. Nach seinem Abitur und einem Jahr Fußballpause wird die Familienbande auf dem Platz noch enger. Niklas Remark wechselt zur SG Bad Breisig, sein Trainer dort heißt: Thomas Remark. „Es hat natürlich immer zwei Seiten, wenn der eigene Vater der Trainer ist. Er muss aufpassen, dass keiner denkt: Der Niklas spielt nur, weil sein Vater die Mannschaft aufstellt“, bemerkt Niklas Remark.

Er ist 18 und kann noch in der A-Jugend auflaufen, doch sein Vater zieht ihn vorzeitig in die erste Mannschaft hoch. „Das erste Herrenjahr war nach der Fußballpause ein hartes Stück Arbeit. Das Tempo, die Härte, das ist schon was anderes als in der Jugend“, gibt er zu, aber: „Ich denke, dass ich durch Leistung überzeugen konnte und deshalb Spekulationen über eine mögliche Bevorzugung nicht angebracht waren. Im zweiten Jahr hat mein Vater dann den Verein auch während der Saison verlassen. Ich bin da geblieben und habe auch dann gespielt. Von daher hatte sich sich das Thema Vater/Sohn im Verein erledigt.“

Aktuell sind sie über 500 Kilometer voneinander entfernt. Nach seinem Soziologiestudium in Mainz, wo er für eineinhalb Jahre beim Kreisligisten TSV Wackernheim kickt, tritt Niklas Remark Anfang 2016 ein Praktikum bei einer Unternehmensberatungsfirma in Hamburg an. Er bleibt an der Elbe und findet im Verbandsligisten Bramfelder SV auch fußballerisch ein neues Zuhause.

Eine Rückkehr in die „Heimat“, für ihn nach so vielen Umzügen in der Kindheit eher ein diffuser Begriff, ist aktuell kein Thema. Eine Zusammenarbeit mit seinem Vater irgendwann aber schon. „Es war eine tolle Erfahrung, unter ihm zu arbeiten. Ich habe mir immer gerne etwas von meinem Vater abgeschaut, weil er als langjähriger Profi in Sachen Trainingsinhalte sehr viel geben konnte“, betont Niklas Remark.

Wenn sie sich mal sehen, sind auf jeden Fall echte und vermeintliche „Tore des Monats“ immer ein Thema. So zum Beispiel beim 5:3-Heimerfolg des SV Waldhof am 9. Oktober 1985 gegen Stuttgart. Zur Halbzeit führt der VfB 2:1, dann schlägt die Stunde des Mannheimer Stürmers: Innerhalb von 13 Minuten erzielt Thomas Remark drei Treffer und wandelt den Spielstand in eine 4:2-Führung für Waldhof um. Lang ist's her, aus einer Zeit als die Daten noch per Hand erfasst wurden – und aus einem Abseits- schon mal ein Absatztor wurde.