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Der Klassiker im Amateurfußball auf dem Land: die Traktor-Fahrt nach dem Meistertitel.[Foto: imago]
Meisterfeiern gehören zum Fußball dazu wie der Ball und die Eckfahne. Buchautor und Amateurfußballer Joel Grandke greift einige Besonderheiten der Feiern in seiner Kolumne auf FUSSBALL.DE auf.
Fußball-Weisheit #52: „Man kann nicht überrascht sein, wenn Bayern München Meister wird. Das ist das, was in fünf Jahren dreimal passiert.“ Da klimpert‘s kräftig im Phrasenschwein. Michael Skibbe war noch als Trainer von Eintracht Frankfurt aktiv, als er sich auf diese Art über die fehlende Spannung in der Bundesliga beklagte. Sein Zitat ist nicht mal zehn Jahre alt. Und heute? Da wäre der geneigte Fußballfan, der es nicht mit den Bayern hält, wohl mehr als glücklich, wenn die Münchner „nur“ drei von fünf Meistertitel einfahren würden. Heute reckt der FCB schließlich seine sechste Schale in Folge in die Höhe. Und sind wir ehrlich: Es gibt nur wenige Optimisten, die tatsächlich glauben, dass es im nächsten Jahr anders aussehen wird. Der Serienmeister dominiert die Liga derzeit mühelos und nach Belieben.
Nicht nur die Häufigkeit, sondern auch die Art und Weise der Titel bringen nur wenig Nervenkitzel mit sich. Während wir wehmütig an frühere Last-Minute-Entscheidungen denken, die dem Finale eines spannungsgeladenen Hitchcock-Thrillers glichen, erinnern die heutigen Meisterschaften eher an mehrstündige Reisedokumentationen über Butterfahrten nach Helgoland – ohne Wellengang, versteht sich. Es plätschert gemütlich vor sich hin, bis das längst vorhersehbare Ende eintritt. Die Bayern sichern sich den Titel schon Wochen vor dem letzten Spieltag. Da wundert es kaum, dass man den Spielern unterstellen muss, die Schale nicht so euphorisch zu feiern, wie es eines deutschen Meistertitels eigentlich würdig wäre. Deutlich mehr Emotionen waren da schon in Düsseldorf oder Nürnberg einzufangen, deren Clubs nach ihrem Aufstieg ins Oberhaus verdientermaßen freidrehten.
Umso schöner, dass es im Amateurbereich in der Regel gleich beide Dinge zu feiern gibt: Eine Meisterschaft und Aufstieg gehen meist Hand in Hand. Wer da am letzten Spieltag nicht ordentlich die Korken knallen lässt, hat entweder Rufbereitschaft auf der Arbeit oder den Teamgedanken nie gelebt. Ein Meister-Abo wie beim FC Bayern gibt es hier nur in Ausnahmefällen. Wer eine Liga aufsteigt, marschiert in den nächsten Jahren nur selten von Klasse zu Klasse. Zu groß ist der Leistungsunterschied, um direkt wieder der Primus auf höherem Niveau zu sein.
Dennoch gibt es auch in den unteren Ligen ein paar Serienmeister. Beispiel ist die TuS Dassendorf, die bereits zum fünften Mal in Folge die Oberliga Hamburg anführt. Auch in der laufenden Saison hat die Truppe längst den Titel klar gemacht. Warum der Klub nicht den Sprung in die Regionalliga wagt? Die Führungsetage sieht das Vereinsumfeld als nicht regionalliga-tauglich an. Das 3000-Seelen-Dorf sei in der Oberliga an ihrer Grenze angekommen. Man fühle sich in der fünfthöchsten Spielklasse wohl und suche daher nicht die größere sportliche Herausforderung. Die Regionalliga-Chance wird folglich an den Vizemeister weitergegeben. Solche Aufstiegsverweigerer bleiben allerdings die Seltenheit. Viel zu groß ist für die anderen Teams der Reiz, sich für ihre großartige Saison zu belohnen und im Spiel der „Größeren“ mitzumischen. Und sollte es in der nächsten Spielzeit direkt wieder runtergehen, hat man immerhin ein höherklassiges Abenteuer in der Karriere-Vita, bei dem man zumindest dem ein oder anderen Favoriten ein Bein stellen konnte.
Verfrühte Meister, wie es die Bayern auch in diesem Jahr wieder waren, finden sich im Amateurbereich durchaus häufiger. In der ganzen Republik lassen sich bis heute über 20 Mannschaften finden, die ihre Liga ohne jeden Punktverlust anführen. Diese und weitere Teams durften also schon ihre vorgezogene Feier starten und den Titel begießen, während die Spannung in anderen Ligen noch bis zum Abpfiff des letzten Spieltags anhalten wird. Am Ende ist es aber egal, ob die Entscheidung früh oder in letzter Minute fällt, ob sich der Favorit oder ein krasser Außenseiter durchsetzt: Einen Vorwurf, die Meisterschaft nicht angemessen zu zelebrieren, wird man in der Kreisliga wohl keinem Team machen können. Die Klubs lassen sich meist besondere Dinge einfallen, um den krönenden Abschluss gebührend zu feiern. Im ländlichen Raum ist der Trecker-Korso eine beliebte Variante. Ein Landwirt lenkt dabei sein PS-starkes Gefährt direkt nach Abpfiff auf den Sportplatz. Auf dem Hänger stehen bereits literweise Bier und Mischgetränke bereit, sodass die Truppe direkt aufsitzen kann. Ungeduscht und im verschwitzten Trikot geht es dann laut hupend auf die große Rundfahrt durch das Dorf. Die Tour endet erst, wenn der Sprit ausgeht: Also entweder das Benzin im Tank oder der Schnaps auf dem Anhänger.
Während der Fahrt werden bereits neue Vereinslieder gedichtet, da man endlich wieder einen aktuellen Meistertitel in den Text einbauen kann. Ein neues Meister-Shirt liegt natürlich für den gesamten Kader bereit – für viele ist es das neueste Exemplar seit dem legendären „Kreisliga-D-Jugend-Meister 94/95“-Aufdruck. Es ist auch die Zeit der großen Worte: Der langjährige Trainer, der sonst für seine nüchterne und kontrollierte Art bekannt ist, schreit Liebesbekundungen an sein Team heraus und stimmt Gesänge gegen den verhassten Nachbarklub an. Heute sind alle Regeln aufgehoben. Ein Urgestein aus der Mannschaft verkündet anschließend unter Tränen seinen Rücktritt: „Männer, ich habe jetzt alles mit euch erreicht. Ich mache Platz für die jüngere Garde.“
Es folgt eine feucht-fröhliche Nacht mit großen Emotionen und ebenfalls meisterlichen Leistungen am Tresen. Diese führen soweit, dass sich am nächsten Morgen nicht mehr jeder Spieler lückenlos an die vergangene Feier erinnern wird. In Ausnahmefällen erfahren sie sogar erst in der Zeitung am Frühstückstisch, dass sie am Vortag aufgestiegen sind. Von diesem Abend mögen zwar nicht so viele Selfies und Videos auf Instagram zu finden sein wie von der heutigen Meisterfeier der Bayern, aber ein völlig zerrockter Traktor-Anhänger ist Dokumentation genug für eine würdige Party.
Joel Grandke, Buchautor und aktiver Amateurkicker aus Hamburg, spürt in seiner wöchentlich auf FUSSBALL.DE erscheinenden Kolumne der Faszination Amateurfußball nach. Stets mit einem Augenzwinkern.
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