Unparteiischer, Integrationsbeauftragter, Förderer des Schiri-Nachwuchses: Hamid Rostamzada ist dem Fußball auf verschiedenen Ebenen verbunden. Der 48-Jährige lebt in Mayen bei Koblenz, stammt aus Afghanistan und musste in seinem Leben schon so manchen Rückschlag verarbeiten. Die Liebe zum Sport und zum sozialen Miteinander treiben ihn an.
An seine Flucht aus Kabul vor knapp 33 Jahren erinnert sich Rostamzada noch so genau, als sei sie erst wenige Tage her: "Das war hollywoodreif." Sein Vater wurde Ende der Achtziger von den russischen Besatzern politisch verfolgt, Hamid und sein Bruder sollten zum Militär einberufen werden. In der Flucht sah die Familie den einzigen Ausweg. "An der Grenze zu Pakistan wurden wir von Hubschraubern aus beschossen. Über Indien wollten wir dann schließlich nach Deutschland fliegen. Die Maschine musste wegen eines Defekts aber in Abu Dhabi zwischenlanden. Dort erkannten sie, dass wir gefälschte Pässe hatten, und sie wollten uns schon wieder zurückschicken. Erst nach zähen Verhandlungen und einigem Zittern durften wir den Weg nach Frankfurt fortsetzen."
Schiri durch Knieverletzung
Die neunköpfige Familie landete schließlich in der Nähe von Mayen. "Von der Metropole Kabul in das kleine Dörfchen Mimbach, das auf einmal doppelt so viele Einwohner hatte wie zuvor - die Umstellung war schon groß für uns", lacht Rostamzada. Seine sehr guten Deutschkenntnisse, die er als Schüler in Afghanistan erworben hatte, halfen ihm dabei, in der neuen Heimat schnell Fuß zu fassen - und der Fußball: "Seit meiner Kindheit habe ich Fußball geliebt und gespielt."
"Von der Metropole Kabul ins kleine Dörfchen Mimbach, das auf einmal doppelt so viele Einwohner hatte wie zuvor - die Umstellung war schon groß für uns"
Als B-Junior kickte er für die SG Nachtsheim/Weiler/Boos, als A-Junior dann zwei Saisons lang für den TuS Kottenheim. Eine schwere Knieverletzung bremste ihn aber aus. Doch entmutigen ließ sich Rostamzada dadurch nicht: "Zufällig erfuhr ich vom SV Fortuna Nachtsheim, dass sie einen Schiedsrichter suchen. Der Verein fragte mich, ob ich mir vorstellen könnte, einen Anwärterlehrgang zu absolvieren. Angesichts der Tatsache, dass ich aufgrund der Verletzung nicht mehr richtig Fußball spielen konnte, habe ich mich für die Schiedsrichterei entschieden."
Im November 1995 war es soweit. Nach einer gewissen Anlaufzeit ging es Schritt für Schritt nach oben. 2001 gelang ihm der Aufstieg in die Bezirksliga, ein Jahr danach in die (damalige) Landesliga. Ab 2005 durfte Rostamzada in der höchsten Spielklasse des Fußballverbands Rheinlands ran. Seine Premiere dort hatte es gleich in sich: "Ich pfiff ein Spiel des SV Dörbach und war sehr aufgeregt, weil es mein erstes Match in der Rheinlandliga war. Der Dörbacher Vorsitzende Peter Stoffel äußerte während des Spiels mehrfach seinen Unmut und kritisierte meine Entscheidungen. Nach dem Spiel diskutierten wir darüber. In den folgenden Jahren sind wir uns mehrfach begegnet, und wir haben bis heute freundschaftlichen Kontakt."
"Auf Augenhöhe" mit Promis
Mit großer Begeisterung berichtet der kaufmännische Angestellte einer Gebäudesystemtechnik-Firma davon, wie er auf und neben dem Platz, Fußballer mit großem Namen getroffen hat: "Ob Stefan Kuntz, Harry Koch, Frank Hartmann, die Familie Sasic oder etwa auch William Georg Hartwig-Almer und Cacau als damalige Integrationsbeauftragte des DFB: Als Trainer oder Mitglieder von Prominentenmannschaften hatten sie mit mir zu tun. Wir sind uns immer auf Augenhöhe begegnet, und es war sehr angenehm."
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Voller Anerkennung erhielt Rostamzada in Fußballerkreisen den Spitznamen "Manuel Gräfe", weil ihm wie seinem großen Vorbild mit Ausstrahlung und Fingerspitzengefühl oft mehr gelang als mit Strenge. Mit einem Augenzwinkern steckte er auch missliche Situation weg, wie die nach einem Spiel in der Frauen-Regionalliga Südwest in Rodenbach bei Neuwied. Aus Versehen war er da in der Schiedsrichterkabine eingesperrt worden. "Im ganzen Gebäude befand sich keine Menschenseele mehr. Mir blieb nichts anderes übrig, als aus einem schmalen Fenster herauszuklettern." Pflichtbewusst rief er später einen Vereinsverantwortlichen an und bat diesen, das Fenster wieder zu schließen. Die Kuriosität schaffte es auch in die Rubrik "Pech & Pannen" der regional erscheinenden Rhein-Zeitung.
2011 gab es für Rostamzada indes den nächsten Keulenschlag. Infolge eines schweren Verkehrsunfalls war er rund zehn Wochen an den Rollstuhl gefesselt. Erst nach zwei Jahren konnte er wieder schmerzfrei laufen. Mit großer Disziplin und angetrieben durch seine große Fußball-Leidenschaft kämpfte sich der dreifache Vater aber wieder zurück - wieder bis in die Rheinlandliga. Altersbedingt leitet er mittlerweile noch Spiele auf Kreisebene.
Von Neuendorf ausgezeichnet
Im Spielkreis Rhein/Ahr übt er zudem das Amt des Integrationsbeauftragten aus. Probleme von Migranten hat er im Laufe der Jahre immer wieder aus nächster Nähe mitbekommen. Im Alltag sind oft viele verschiedene Hilfestellungen nötig, sei es bei Behördengängen, wenn es um Übersetzungen oder auch mal um das Beschaffen von Lebensmitteln aus der Heimat geht - überall packt Rostamzada mit an oder lässt zumindest sein Netzwerk spielen. Eng arbeitet er mit den Flüchtlingsnetzwerken zusammen.
Zudem war er Mitglied der Verbandskommission Gewaltprävention und Integration. Flüchtlinge, die Fußball spielen wollen, in die Vereine einzubinden, ist Rostamzadas zentrales Ziel. Integration ist für ihn keine Einbahnstraße, sondern bedingt gegenseitiges Engagement: "Beide Seiten müssen sich aufeinander zubewegen, voneinander lernen und einander verstehen."
Der Rückgang der Schiedsrichterzahlen stellt auch aus seiner Sicht "ein erhebliches Problem" dar. Deshalb unterstützt er die Arbeit der Nachwuchsreferenten im Kreis Rhein/Ahr. Um das Image des Unparteiischen zu verbessern, sollte in Schulen oder Vereinen mehr Öffentlichkeitsarbeit betrieben werden: "Das Pfeifen bringt im Leben so viele Vorteile - und das weit über den reinen Sport hinaus."
Für sein vielfältiges Wirken wurde er im Rahmen der Aktion "Danke, Schiri" ausgezeichnet. Aus den Händen von DFB-Präsident Bernd Neuendorf erhielt der Mayener den Preis in der Alterskategorie U 50. Diese Begegnung beeindruckte Rostamzada besonders: "Wir hatten ein richtig gutes Gespräch, und ich habe den Eindruck gewonnen, dass Bernd Neuendorf ernstnimmt, was an der Basis passiert."