Sonntag, 18.30 Uhr, die bekannte Melodie der Sportschau ertönt: Millionen Fußballfans sitzen vor dem Bildschirm oder verfolgen auf dem Handy den Livestream der Auslosung des DFB-Pokalachtelfinals. Live vor der Kamera im WDR-Studio in Köln steht neben Moderatorin Jessy Wellmer und Weltmeister Benedikt Höwedes ein Mann, dessen Name vorher nur den wenigsten bekannt ist: Peter Zimmermann.
Der erste Vorsitzende der SG Ahrtal, die aus den vier Vereinen SV Eintracht Schuld , SV Insul , SC Dümpelfeld und SV Hönningen besteht, ist exemplarisch als Vertreter der Klubs dabei, die bei der Hochwasserkatastrophe Mitte Juli Sportplätze, Vereinsheime oder schlichtweg alles verloren haben. Der ehrenamtliche Vorstand des B-Ligisten macht nicht nur als "Glücksfee" einen guten Job, sondern verrät im Interview mit FUSSBALL.DE auch, wie kleine Klubs in der Not dank der riesigen Solidarität innerhalb der Fußballfamilie und unter anderem durch die Unterstützung der Stiftung "Fußball hilft" des Fußballverbandes Rheinland wieder Hoffnung schöpfen können.
FUSSBALL.DE: Herr Zimmermann, sind Sie mit Ihrer Rolle als Losfee zufrieden?
Peter Zimmermann: Auf jeden Fall! Da sind ein paar schöne Spiele dabei, das Berliner Derby, St. Pauli gegen Dortmund, und der FC hat ein Heimspiel: Besser hätte man es kaum treffen können. (lacht) Zumal es bei allen acht Partien nicht von vornherein klar ist, wer weiterkommen wird. Wie schon in der zweiten Runde kann es wieder einige Überraschungen geben, zum Beispiel ist 1860 München als einzig verbliebener Drittligist gegen den KSC, der immerhin Leverkusen aus dem Pokal geworfen hat, sicher nicht chancenlos.
"Vereine von ganz weit weg haben uns ihre Spieltagseinnahmen gespendet, andere Bälle oder Trainingsklamotten geschickt. Das war schon überwältigend, welch große Solidarität vorherrscht"
Ist die SG Ahrtal auch ein Pokalschreck?
Zimmermann: Das wäre eine Übertreibung, in meiner Erinnerung ist nur unsere zweite Mannschaft mal ins Kreispokalfinale gekommen. Mal sehen, was wir in der dritten Runde des Kreispokals reißen, wenn wir am 10. November gegen die SG Löf spielen.
Jetzt kennt zumindest ganz Fußball-Deutschland Sie und Ihren kleinen Verein.
Zimmermann: Darum geht es mir nicht, sondern es war für mich, als Vertreter des Amateurfußballs, eine absolute Ehre, so etwas einmal erleben zu dürfen. Es war ein wunderbarer Tag im Fernsehstudio, es hat sehr viel Spaß gemacht, das Sportschau -Team und das ganze Drumherum beim Fernsehen einmal kennenzulernen.
Wie ist der Stand der Dinge, nachdem die aus den vier Vereinen SV Schuld, SV Insul, SC Dümpelfeld und SV Hönningen bestehende SG Ahrtal alles verloren hat?
Zimmermann: Unsere Mannschaften trainieren seit Ende Juli auf der Anlage des SV Reifferscheid , das ist ein Nachbarort, der nur ein paar Kilometer entfernt liegt. Wir sind den Reifferscheidern sehr dankbar dafür, dass sie uns die Möglichkeit geboten haben, weiter Fußball zu spielen. Denn alle unsere vier Sportplätze, drei Naturrasenplätze und ein Tennenspielfeld, sind bei der Hochwasserkatastrophe Mitte Juli komplett zerstört worden.
Wie könnte es auf den bisherigen Anlagen in Schuld, Insul, Dümpelfeld und Hönningen weitergehen?
Zimmermann: In Schuld und Dümpelfeld gar nicht mehr. Die Plätze sind zu nah am Fluss gebaut und würden beim nächsten Hochwasser wieder überflutet werden. Wir müssen nachhaltig denken und unsere Kräfte bündeln, das geht am ehesten, wenn wir uns auf zwei Anlagen konzentrieren, in Insul und Hönningen.
Wie hoch ist der entstandene Schaden und wie viel Geld muss man in die Hand nehmen, um wieder auf eigenem Gelände trainieren und spielen zu können?
Zimmermann: Wenn wir alle vier Plätze mit Vereinsheimen, Kabinen und so weiter wieder herstellen würden, wäre das deutlich über eine Million Euro. Wir sind aber in intensiven Gesprächen mit den Ortsgemeinden der vier SG-Vereine und prüfen, was wir an Bundes- sowie Landesmitteln beantragen können, um, wie erwähnt, künftig an zwei Standorten Fußball spielen zu können.
Müssen dann auch die Vereinsstrukturen erneut geändert werden?
Zimmermann: Darüber reden wir gerade. Uns schwebt ein Zusammenschluss der drei Vereine SV Schuld, SV Insul und SC Dümpelfeld, die der Verbandsgemeinde Adenau angehören, vor. Hönningen gehört zur Verbandsgemeinde Altenahr, ist von der Anzahl der Mitglieder*innen der mit Abstand größte Verein von den vieren der SG Ahrtal und wird mit hoher Wahrscheinlichkeit eigenständiges Mitglied der SG bleiben. Es ist gut möglich, dass demnächst der "Sportclub Ahrtal" gemeinsam mit dem SV Hönningen als Zweier-Spielgemeinschaft Ahrtal an den Start gehen wird, aber das ist noch nicht spruchreif.
Der SC Dümpelfeld hat bisher 4000 Euro für die Sanierung des Vereinsheims erhalten. Warum die anderen Vereine noch nicht?
Zimmermann: Weil das Vereinsheim dem SC Dümpelfeld gehört, während die anderen drei Vereine innerhalb der SG Ahrtal keine eigenständigen Anlagen haben, sondern diese im Besitz der jeweiligen Ortsgemeinde sind.
Wie gut ist der Kontakt zum Fußballverband Rheinland (FVR) und wie hat dieser den Klubs bisher helfen können?
Zimmermann: Da ist Dieter Sesterheim als Vorsitzender des Fußballkreises Rhein/Ahr unser erster Ansprechpartner. Er hat sich in den ersten Tagen nach der Flut von Adenau aus aufs Fahrrad gesetzt, um nachzusehen, wie es bei uns aussieht. Anfangs hatten wir ja keinen Strom und kein Telefon, man konnte sich nicht mal eben anrufen, sondern musste ganz viel improvisieren, nachdem man den ersten Schock über das Ausmaß der Zerstörung überwunden hatte. Wir haben einen ganz engen Kontakt zu Dieter Sesterheim und über ihn auch zum FVR.
Der über seine Stiftung "Fußball hilft!" schon Unterstützung zugesagt hat.
Zimmermann: Dafür sind wir sehr dankbar, in solch einer Situation sieht man, wie der Fußball zusammenhält. Vereine von ganz weit weg haben uns ihre Spieltagseinnahmen gespendet, andere Bälle oder Trainingsklamotten geschickt. Das war schon überwältigend, welch große Solidarität vorherrscht.
Wie war Ihre erste Reaktion, nachdem das Wasser kam, und waren auch Sie privat von der Katastrophe betroffen?
Zimmermann: Wir haben am Anfang geheult! Das war ja unvorstellbar, wie es im Ahrtal aussah. Meine Familie und ich selbst sind verschont geblieben, weil unser Haus nicht so nah an der Ahr steht, sondern zwei Straßen weiter und etwas höher gelegen. Ich hatte ein bisschen Wasser im Auto stehen, das war's. Aber die Verwandtschaft sowie viele Freunde und Nachbarn haben teilweise alles verloren – und 15 an der Ahr gelegene Vereine auch. Da wird noch viel passieren müssen, bis wir hier nur annähernd wieder zur Normalität zurückkehren können.
Autor/-in: Günter Schneider