Materborns Eul: 31 Treffer - als Verteidiger!

Mit 31 Treffern aus 15 Spielen führt Sebastian Eul die Torjägerliste der Kreisliga B, Gruppe 1, Kleve/Geldern an. Der Spielertrainer des verlustpunktfreien Spitzenreiters SV Siegfried Materborn ist allerdings kein typischer Torjäger, sondern bringt gleich zwei Voraussetzungen mit, die seine Quote so besonders macht.

Der früher Junioren-Bundesligakicker des MSV Duisburg, der damals auf Lehrgängen mit der B-Jugend-Niederrheinauswahl unter anderem mit Weltmeister Lukas Podolski und Ex-Nationalspieler Marcell Jansen in einem Team auflief, ist erstens schon 38 Jahre alt. Und zweitens kein Stürmer oder offensiver Mittelfeldakteur – sondern Innenverteidiger! Im Interview verrät "Eule", im Beruf Leiter einer integrativen Kindertagesstätte in Kleve, wie es dazu kommt, dass er auf seine "alten Fußballtage" noch knipst wie verrückt. 

Sebastian Eul, ist Ihnen in der Abwehr bei Siegfried Materborn zu langweilig, dass Sie dauernd im gegnerischen Strafraum zu finden sind?

Sebastian Eul: (lacht) Das kommt aufs Spiel und den Spielverlauf an. Von unseren 15 Siegen waren sieben zweistellig, da gab es also genügend Gelegenheiten, sich mit einzuschalten und den Weg nach vorne zu suchen. In den anderen Partien, die knapper für uns ausgegangen sind, habe ich natürlich in erster Linie darauf geachtet, dass wir hinten gut aufgestellt sind.

"Ich habe Spaß daran, Dinge mitgestalten zu können"

Trotzdem: 31 Tore macht man ja nicht so nebenher...

Eul: Das stimmt schon, aber immerhin haben wir insgesamt schon 122 Treffer erzielt und in Dennis Thyssen sowie Miguel Wurring haben wir zwei weitere Spieler, die in der Torjägerliste vorne mit dabei sind. Wir haben eine starke Mannschaft beisammen, mit der wir meistens ein gutes Angriffsspiel aufziehen können – und wenn mich dann einer anschießt, dann ziehe ich das Bein bestimmt nicht weg (lacht). Und da ich 1,93 Meter groß bin, habe ich bei Standardsituationen einen Vorteil, sodass von den 31 Toren einige per Kopfball dabei waren.

Sind Ihre Mitspieler nicht sauer, dass der Trainer, der auch noch Abwehrspieler ist, immer trifft?

Eul: Nein, nein, da gibt es keine Beschwerden. Die Jungs wissen, dass ich nicht mehr ganz so viele Jahre als Aktiver habe, da gestehen sie mir meine jetzige Erfolgssträhne gerne zu. Es ist auch nicht so, dass ich immer in der Frequenz getroffen habe, sondern sonst waren es meist zwischen zehn und 15 Tore.

Wie lange wollen Sie denn noch selbst auf dem Platz stehen?

Eul: Mindestens eine weitere Saison traue ich mir noch zu, denn ich fühle mich nach wie vor sehr fit und lebe für den Fußball. Wichtig ist aber, was die Mannschaft braucht. Wenn künftig das Coaching im Vordergrund stehen muss, dann werde ich mich auf meine Rolle als Trainer konzentrieren und nur noch gelegentlich selbst auflaufen. Meine beiden Co-Trainer René Grundmann und Viktor Mast spielen übrigens auch noch, sodass wir da ein gutes Trainerteam bilden.

Sind Sie generell ein Typ, der gerne Verantwortung übernimmt, beruflich wie im Fußball?

Eul: Ja, das kann man so sagen. Ich habe Spaß daran, Dinge mitgestalten zu können und war ja auf meinen vorherigen Stationen als Spielertrainer tätig. In meiner Zeit beim 1. FC Bocholt, wo der langjährige Bochumer Bundesligaprofi Jupp Tenhagen mein Trainer war, habe ich dieses Amt mit erst 26 Jahren in der Niederrheinliga übernommen. Danach war ich dann auch beim SC 26 Bocholt insgesamt acht Jahre lang Spielertrainer, ehe ich 2020 nach Materborn gegangen bin.

In der Jugend haben Sie das heimische Kleve verlassen und sind zum Duisburg gewechselt. Haben Sie damals von einer Profikarriere geträumt?

Eul: Davon träumt sicher jeder junge Fußball, zumal wenn er die Chance hat, hochklassig zu spielen wie ich beim MSV in der B-Junioren-Bundesliga. Zu der Zeit wurde ich auch regelmäßig zu Lehrgängen der Niederrheinauswahl eingeladen und habe dort im 1985er-Jahrgang mit Lukas Podolski und Marcell Jansen in einem Team gezockt. Die U 19 habe ich in Duisburg sogar übersprungen und sofort einen Vertrag für die U23 erhalten. "Ennatz" Dietz war mein Trainer und Pierre Littbarski bei den Profis, wo ich bei einigen Testspielen mitmischen durfte. Zu mehr ist es aber leider nicht gekommen. Ich habe damals in der Oberliga Nordrhein gespielt, unter anderem gegen Fortuna Düsseldorf.

Nun also Siegfried Materborn, das vor ein paar Jahren immerhin auch mal in der Verbandsliga am Ball war. Die Rückkehr immerhin in die Kreisliga A ist angesichts von bereits elf Punkten Vorsprung auf den Tabellenzweiten DJK Appeldorn gebucht, oder?

Eul: Wir wollen hoch, keine Frage. Letzte Saison waren wir schon nahe dran, mussten uns aber als Tabellenzweiter der SGE Bedburg-Hau II beugen. Die Entwicklung ist gut, nachdem wir vor zwei Jahren noch kein Kandidat fürs obere Drittel waren. Wenn wir in der Rückrunde so weitermachen wie bisher, dürfte uns der Aufstieg nicht zu nehmen sein.

Und am Ende der Saison nehmen Sie noch die "Torjägerkanone für alle" mit?

Eul: In der Hinsicht habe ich keine Ambitionen, die Kanone darf sich gerne ein anderer Torjäger schnappen. Wir wollen aufsteigen, das ist das oberste Ziel – ganz egal, ob wir als Mannschaft noch auf über 200 Treffer kommen oder ich persönlich noch ein paar Buden mache.