Es ist (fast) wie in einem Märchen: Der SV Oberachern aus der Oberliga Baden-Württemberg darf sich einmal mehr auf einen "Hochkaräter" im DFB-Pokal freuen. Nachdem sich der SVO in der abgelaufenen Spielzeit bei seiner Premiere im bundesweiten Pokalwettbewerb gegen den Bundesligisten Borussia Mönchengladbach (1:9) antreten durfte, wird es in der neuen Saison 2023/2024 noch einmal eine Nummer größer.
Schließlich ist mit den SC Freiburg nicht nur ein Europa-League-Teilnehmer der kommende Gegner. Vielmehr kommt es auch noch zu einem südbadischen Nachbarschaftsduell. Gerade mal rund 90 Kilometer trennen die beiden Klubs voneinander. Seinen bislang einzigen Auftritt der Vereinsgeschichte im DFB-Pokal hatte Oberachern außerdem im traditionsreichen Dreisamstadion, der früheren Spielstätte der Freiburger Profis und dem aktuellen Zuhause des Frauenteams und der zweiten Mannschaft des Sport-Clubs. Ob die Pokalpartie nun erneut in der Freiburger Spielstätte stattfindet, wird aktuell noch verhandelt.
Jubel bei der Auslosung
"Es ist auf jeden Fall ein überragendes Los für uns", freut sich Oberacherns Offensivspieler Marin Stefotic, der zwischen 2014 und 2019 selbst fünf Jahre in der Nachwuchsabteilung des SC Freiburg verbracht hatte, im Gespräch mit FUSSBALL.DE . "Innerhalb des Teams haben wir uns Freiburg gewünscht. Neben dem FC Bayern München war es für uns alle das absolute Wunschlos."
"Einfach ein unbeschreibliches Gefühl, vor so vielen Zuschauern in einem Stadion auf den Platz zu kommen, wo ich vor einigen Jahren noch Balljunge war"
Die Stimmung im Vereinshaus, in dem einige SVO-Spieler gemeinsam mit den Verantwortlichen und zahlreichen Fans die Auslosung live verfolgt hatten, war entsprechend ausgelassen, als Stabhochspringerin Sarah Vogel zunächst den SV Oberachern aus dem Amateurtopf gezogen hatte und DFB-Präsident Bernd Neuendorf anschließend die Kugel mit dem Wappen des SC Freiburg in die Kamera hielt.
Für den erst 21 Jahre alten Marin Stefotic ist es sogar ein ganz besonderes Los. Schließlich spielte er unter anderem mit den aktuellen Freiburger Profis Kenneth Schmidt und Noah Atubolu, die beide derzeit mit der deutschen U 21-Nationalmannschaft an der Europameisterschaft in Georgien und Rumänien teilnehmen, sowie dem 19 Jahre alten Robert Wagner noch in der Nachwuchsabteilung des Sport-Clubs zusammen.
Für "Stefo" - wie ihn einige seine Mitspiele liebevoll nennen - hatte es beim aktuellen Europa-League-Teilnehmer im Jahr 2019 allerdings nicht zum ganz großen Sprung ausgereicht. "Ich hatte in der Freiburger Jugend starke Konkurrenz vor mir", sagt er im Rückblick. "Mir war es aber wichtig, dass ich regelmäßig zum Einsatz komme und dabei nicht den Spaß am Fußball verliere."
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Stattdessen fand der Angreifer über den "Umweg" bei den Juniorenteams des Freiburger FC und des kroatischen Klubs Slaven Belupo Koprivnica sowie der ersten Mannschaft des SC Lahr schließlich im Sommer 2022 den Weg zum Fünftligisten SV Oberachern. Dass sein erstes Pflichtspiel für den SVO gleich gegen den Bundesligisten Borussia Mönchengladbach sein würde, hätte er sich bei seiner Vertragsunterschrift im kleinen Örtchen Oberachern, das weniger als 5000 Einwohner hat, einige Monate zuvor kaum vorstellen können.
Freiburgs Grifo Bälle zugeworfen
Dass es am Ende gegen Gladbach 1:9 für die "Fohlen" ausging und Stefotic erst kurz vor Schluss einwechselt wurde, geriet schnell zur Nebensache. "Es war für jeden von uns ein einmaliges Erlebnis", erinnert sich der Angreifer mit der Rückennummer "9" zurück. "Es ist einfach ein unbeschreibliches Gefühl, vor so vielen Zuschauern in einem Stadion auf den Platz zu kommen, wo ich vor einigen Jahren noch als Balljunge im Einsatz war. Kurz vor meiner Einwechslung war es eine Mischung aus Nervosität und Sprachlosigkeit. Dass ich von Beginn an spielen würde, hätte ich ohnehin nicht erwarten können. Schließlich war ich erst einige Wochen zuvor zur Mannschaft gestoßen."
Noch vor wenigen Jahren hatte der Jungspund als Balljunge unter anderem dem italienischen Nationalspieler und Freiburger Spielmacher Vincenzo Grifo Bälle zugeworfen. Jetzt darf er ihm schon Mitte August womöglich in einem direkten Duell gegenüberstehen. Damit es beim zweiten Anlauf auch mit einem Platz in der Startelf klappt, schiebt der gebürtige Ettenheimer - zwischen Freiburg und Oberachern gelegen - noch vor dem Vorbereitungsstart am 1. Juli Extraschichten, um sich fit zu machen. "Mein Ziel ist es, schon gut vorbereitet in die Vorbereitung zu starten. Dafür habe ich schon vor einigen Tagen mit Laufeinheiten und Krafttraining angefangen. Nach und nach werde ich die Belastung dabei erhöhen."
Mit Marin Stefotic in Bestform soll dann möglichst auch die Sensation gegen die Freiburger gelingen. "Wir sind als Mannschaft in der zurückliegenden Spielzeit extrem gereift. Das spiegelt sich auch in den Ergebnissen der zurückliegenden Saison wider", betont Stefotic. "Als ich beim SVO unterschrieben hatte, lag der Verein auf einem Abstiegsplatz. Seitdem gab es zwei Erfolge im Landespokal, eine Begegnung im DFB-Pokal und einen herausragenden sechsten Tabellenplatz in der Liga. Wir werden also auch gegen Freiburg mit dem klaren Ziel in das Spiel gehen, den Platz möglichst als Gewinner zu verlassen."
Dass sich der 1,80 Meter große Stürmer ambitionierte Ziele setzt, zeigt auch sein Anspruch an sich selbst. Nach elf Treffern in der abgelaufenen Saison visiert Stefotic in der kommenden Spielzeit "15 bis 20 Saisontore" an. Außerdem will er sich mit dem SV Oberachern in der Top Fünf der Oberliga Baden-Württemberg etablieren. Bis es allerdings soweit ist, soll zunächst die Hürde SC Freiburg im DFB-Pokal aus dem Weg geräumt und damit wohl für eine der größtmöglichen Überraschungen der ersten Runde gesorgt werden.
Autor/-in: Filippos Kounelis/MSPW