Das Parkstadion in Gelsenkirchen hat schon einige unvergessliche, große Fußballmomente gesehen. Spiele bei der WM 1974, den Schalker Hurraritt zum UEFA-Cup-Sieg 1997 und die bittere Vierminuten-Meisterschaft von 2001. Nach einem Umbau spielt hier inzwischen die U 23 der Königsblauen in der Regionalliga West. Für Bernd Schipmann, bisher Torhüter von Rot Weiss Ahlen, war es der letzte Einsatzort vor einer Weltreise.
Der 26 Jahre alte Torhüter ist erstmals für die Nationalmannschaft der Philippinen berufen worden, Schipmanns Mutter stammt aus dem Inselstaat in Südostasien. Nach einer 1:6-Klatsche auf Schalke setzt sich der gebürtige Münsteraner in den Flieger nach Katar, wo sich die Auswahl von Trainer Scott Cooper zur Vorbereitung auf drei Spiele in der WM-Qualifikation 2022 trifft. Wir sprechen mit dem 1,94-Meter-Mann über die Partien gegen China (0:2), Guam (3:0) und die Malediven (1:1) und seinen Wechsel nach Asien.
FUSSBALL.DE: Bernd Schipmann, können Sie schon einschätzen, was in den letzten Tagen und Wochen auf Sie eingeprasselt ist?
Bernd Schipmann: Ja, das ist kein Problem. Natürlich war das eine sehr spannende Zeit, und vor allem die Reaktionen nach meinem Debüt für die Philippinen gegen China waren schon überwältigend. Mein Instagram -Kanal ist fast explodiert vor Nachrichten. (lacht) Insgesamt bin ich aber ein eher gelassener Typ, daher kann ich ganz gut damit umgehen.
"Ein Trikot werde ich meiner Familie auf den Philippinen schenken. Sie hat in der Heimat meiner Mutter so mit mir mitgefiebert und mich mit Nachrichten bombardiert, das war schon der Wahnsinn"
Wie war denn der genaue Ablauf, vom letzten Einsatz für Rot Weiss Ahlen bis zum Abflug nach Asien und dem letzten Spiel in diesem WM-Quali-Dreierpack gegen die Malediven?
Schipmann: Ich bin am 20. Mai ins Trainingslager nach Katar geflogen, vorher war ich zehn Tage lang in Quarantäne, das war Pflicht für die Einreise in asiatische Länder. Die drei Spiele in der WM-Qualifikation hätten eigentlich schon letztes Jahr im Herbst stattfinden sollen, sind aber wegen der Pandemie ausgefallen. Leider konnten wir wegen der nach wie vor strengen Corona-Regeln jetzt auch nicht in China oder auf den Philippinen spielen, sondern das Ganze fand als eine Art Miniturnier in Dubai statt. Fans waren nicht zugelassen, und die Mannschaften befanden sich in einer Blase im Hotel.
Der Traum vieler Fußballer, das Trikot der Nationalmannschaft tragen zu dürfen, hat sich für Sie erfüllt. Auch wenn die Umstände sicherlich schöner hätten sein können.
Schipmann: So ist es, aber daran kann man nichts ändern. Ich hatte total Bock, vor Zuschauern aufzulaufen, das pusht einen noch mehr. Trotzdem werde ich diese drei Wochen in meinem Leben nie mehr vergessen, auch wenn es Spiele in leeren Stadien waren.
Vom kleinen Ahlen in Westfalen auf die große Bühne der WM-Qualifikation: Wie kam diese außergewöhnliche Geschichte überhaupt zustande?
Schipmann: Ich bin schon früher mehrfach zu Lehrgängen oder Spielen der philippinischen Nationalmannschaft eingeladen worden, zum Beispiel zur Asienmeisterschaft 2019. Da habe ich aber vorher immer abgesagt, weil es zeitlich nicht passte oder ich verletzt war. Diesmal wollte ich mir diese Chance nicht nehmen lassen, auch wenn es mir schwer gefallen ist, den Jungs in Ahlen im Endspurt der Saison beim Kampf um den Klassenerhalt in der Regionalliga nicht mehr helfen zu können. Ich wusste aber, dass sie es auch so schaffen würden.
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Und dann waren Sie gegen das große China plötzlich die Nummer eins der Philippinen!
Schipmann: Da unser Stammkeeper und Vizekapitän Neil Etheridge von Birmingham City abgesagt hatte, habe ich mir schon gute Chancen auf einen Einsatz ausgerechnet. Von daher habe ich mich sehr darüber gefreut, für das harte Training belohnt zu werden. Ich denke, dass meine Leistung in Ordnung war, sonst hätte mich unser Nationaltrainer im nächsten Spiel gegen Guam ja nicht wieder aufgestellt. Es war schön, zu gewinnen und zu Null zu spielen. Im letzten Match gegen die Malediven war es dann so abgesprochen, dass ich anfange und zur zweiten Halbzeit Kevin Ray Mendoza Hansen zum Einsatz kommt.
In der Nationalmannschaft der Philippinen hat etwa die Hälfte der Spieler eine ähnliche Biographie wie Sie, sprich zwei Staatsbürgerschaften, darunter einige aus Deutschland, Österreich oder der Schweiz. Hat Ihnen dieser Umstand geholfen, sich problemlos ins Team einzufinden?
Schipmann: Auf jeden Fall. Ich bin schon zusammen mit Stephan Schröck nach Katar geflogen und dort vor Ort haben sich Martin Steuble oder Patrick Reichelt sehr um mich gekümmert. Es ist schon der Wahnsinn, wie viele Spieler es in der ganzen Welt gibt, die philippinische Vorfahren haben. Das hat gerade für Neuankömmlinge wie mich den Vorteil, dass man schnell integriert wird. In der Kabine und auf dem Platz wird Englisch gesprochen, das können ja alle, und mit den deutschsprachigen Jungs unterhält man sich eben außerhalb der Kabine in seiner Landessprache.
Haben Sie schon einen Ehrenplatz für Ihr Nationaltrikot im Auge?
Schipmann: Noch nicht, aber ich habe selbstverständlich alle Trikots behalten. Es sind sogar verschiedene, da wir gegen China in Weiß und gegen Guam in Gelb gespielt haben. Mein Torhüter-Kollege von Guam wollte gerne das Shirt mit mir tauschen, aber ich habe ihm gesagt: "Sorry, guy, but I need it for myself!" Ein Trikot werde ich aber meiner Familie auf den Philippinen schenken. Sie hat in der Heimat meiner Mutter so mit mir mitgefiebert und mich mit Nachrichten bombardiert, das war schon der Wahnsinn. (lacht)
Wie gut kennen Sie die Heimat Ihrer Mutter?
Schipmann: Es ist schon zwölf Jahre her, dass ich das letzte Mal dort war. Das ist ja von Deutschland aus gesehen nicht gerade um die Ecke und oft hatte ich einfach nicht die Zeit, um dort hinzufliegen. Früher war die Schule wichtiger, danach kam die Ausbildung zum Groß- und Einzelhandelskaufmann und meistens passte es auch vom Fußball wegen der Saisonvorbereitung nicht wirklich.
Wird man Sie, den frisch gebackenen Nationaltorwart, denn noch einmal in Ahlen sehen?
Schipmann: Nein. Ich sehe meine Zukunft in Asien und bin mir mit einem Klub hier einig geworden. Welcher das ist, kann ich noch nicht verraten, aber das ist jetzt der Weg, den ich einschlagen möchte. Ich hatte vorher auch schon in Deutschland einige Anfragen von Vereinen, die höher als in der Regionalliga spielen, aber jetzt versuche ich noch einmal ganz woanders, im Profifußball anzugreifen. Darauf freue ich mich schon sehr!
Autor/-in: Heiko Buschmann