Das Finale um den Niederrheinpokal zwischen Rot-Weiss Essen und dem Wuppertaler SV am Samstag (ab 17 Uhr/Live-Konferenz in der ARD) im Stadion Essen an der Hafenstraße strotzt nur so vor Historie und Tradition. Es ist am Finaltag der Amateure das einzige Duell zweier Klubs, die schon in der Bundesliga am Ball waren und sich dort sogar viermal in direkten Vergleichen gegenüberstanden. RWE ist außerdem der einzige Verbandspokal-Finalist, der sich sogar schon in die Siegerliste des DFB-Pokals eintragen konnte. Der Titelverteidiger aus Essen ist mit acht Titeln auch Rekordpokalsieger am Niederrhein, der WSV folgt mit sechs Triumphen auf Platz zwei.
Auch wenn beide Klubs derzeit nicht ganz an alte Erfolge anknüpfen können und in der kommenden Saison in der Regionalliga West starten werden, ist die Strahlkraft die Partie zwischen den beiden Erzivalen bis heute ungebrochen. Über 15.000 Tickets wurden bereits im Vorverkauf abgesetzt, davon gehen 4.500 an den Anhang des WSV. Der Finalrekord aus dem Vorjahr, als 18.500 Fans weitere Fans zum Duell zwischen RWE und Rot-Weiß Oberhausen (6:5 im Elfmeterschießen) in das im August 2012 eröffnete Schmuckkästchen geströmt waren, ist damit schon in Reichweite gerückt.
Rot-Weiss Essen
So manch betagter RWE-Fan wird sich noch an den Triumph im DFB-Pokal 1953 gegen Alemannia Aachen erinnern. Nach Toren der Vereinslegenden Franz „Penny“ Islacker und Helmut „Boss“ Rahn, dem späteren Schützen des legendären 3:2-Siegtreffers für Deutschland im Finale der WM 1954 gegen Ungarn, gewannen die Rot-Weissen im damaligen Düsseldorfer Rheinstadion 2:1. Den Treffer für die Aachener erzielte der spätere Bundestrainer Jupp Derwall (1978 bis 1984). Nur zwei Jahre nach dem Pokaltriumph feierten die Rot-Weissen mit dem Gewinn der Deutschen Meisterschaft (4:3 im Endspiel gegen den 1. FC Kaiserslautern) den größten Erfolg ihrer Vereinsgeschichte. 1994 stand RWE noch einmal im „großen“ Pokalfinale, unterlag dem SV Werder Bremen in Berlin 1:3.
"Es wird eine Partie auf Augenhöhe"
Für Sven Demandt, den aktuellen Trainer von Rot-Weiss Essen, spielt die stolze Historie für das Duell gegen Wuppertal keine Rolle. „Die Spieler sind viel zu jung, das ist kein Thema bei uns. Wir konzentrieren uns nur auf die sportliche Gegenwart. Und die zeigt, dass Wuppertal gerade als souveräner Oberliga-Meister aufgestiegen ist. Wir wollen mit Freude an die Aufgabe gehen und unsere Stärken auf den Platz bringen. Dann bin ich guter Dinge, dass wir das Spiel gewinnen werden“, meint Demandt im Gespräch mit FUSSBALL.DE .
„Es heißt ja, dass der Pokal seine eigenen Gesetze hat. Ich bin schon lange im Geschäft dabei, doch bis heute habe ich die Gesetze nicht verstanden. Es wird eine Partie auf Augenhöhe“, so Demandt, der als Spieler 139 Erst- und 317 Zweitligaspiele unter anderem für Fortuna Düsseldorf, den FSV Mainz 05 und Bayer 04 Leverkusen bestritt.
Für die Rot-Weissen wäre ein erneuter Finalerfolg und damit der Einzug in den DFB-Pokal ein versöhnlicher Abschluss einer insgesamt enttäuschenden Saison. Statt - wie erhofft - in der Spitzengruppe mitzuspielen, wurde erst am vorletzten Spieltag der Klassenverbleib unter Dach und Fach gebracht. Für das Pokalendspiel sind bei den Essenern die Einsätze der angeschlagenen Kevin Grund und Kapitän Moritz Fritz fraglich.
Die wichtigsten Fakten:
Gründungsjahr: 1907
Mitgliederzahl: 5044
Liga-Zugehörigkeit: Regionalliga West
Trainer: Sven Demandt
Ligatoptorjäger: Marcel Platzek (acht Saisontreffer)
Größter Erfolg der Vereinsgeschichte: Deutscher Meister 1955, DFB-Pokalsieger 1953
Weg ins Finale: Mülheimer SV 07 (2:0), KFC Uerdingen 05 (4:1 n.V.), Spvgg. Sterkrade-Nord (6:1), SV Hönnepel-Niedermörmter (2:0), FC Kray (4:1)
Wuppertaler SV
Der Weg des Wuppertaler SV vom heimischen „Stadion am Zoo“ zum Stadion Essen beträgt nur 35 Kilometer. Der Weg zurück in die sportliche Erfolgsspur war deutlich beschwerlicher. Vor drei Jahren musste der WSV Insolvenz anmelden und den Zwangsabstieg in die fünftklassige Oberliga Niederrhein hinnehmen. Dort reichte es in den ersten beiden Spielzeiten nur zu den Plätzen drei und zwei.
Seit Sommer 2015 steht der frühere U 19-Trainer Stefan Vollmerhausen bei den Bergischen an der Seitenlinie. Mit ihm schaffte der WSV im dritten Anlauf die Rückkehr in die Regionalliga West. „Das war unser erklärtes Saisonziel, das haben wir erreicht. Daher treten wir jetzt ganz gelöst in Essen an. Wir wissen aber um die Euphorie, die wir bei unseren Fans entfacht haben. Dieser Verantwortung wollen wir gerecht werden und RWE einen großen Kampf liefern“, so Vollmerhausen gegenüber FUSSBALL.DE .
Dass der WSV schon mit der höherklassigen Konkurrenz mithalten kann, stellte die Mannschaft unter anderem im Niederrheinpokal-Halbfinale gegen den Vorjahresfinalisten Rot-Weiß Oberhausen (6:4 nach Elfmeterschießen) unter Beweis. „Wir haben zusammen mit unseren Fans einen Kraftakt hingelegt. Jetzt wollen auch an der Hafenstraße als Außenseiter unsere Chance nutzen“, so der 43-jährige WSV-Trainer.
Sollte das gelingen, dann könnten die Fans der Bergischen auf ähnlich spektakuläre Pokalauftritte ihrer Mannschaft wie zuletzt in der Saison 2007/2008 hoffen. Mit Siegen gegen den FC Erzgebirge Aue (5:4 nach Elfmeterschießen) und Hertha BSC (2:0) erreichte der WSV das Achtelfinale, verlor dort vor der Rekordkulisse von 61.500 Zuschauern in der Gelsenkirchener Arena gegen den Rekordmeister und späteren Pokalsieger FC Bayern München nach großem Kampf 2:5.
Die wichtigsten Fakten:
Gründungsjahr: 1954
Mitgliederzahl: 1400
Liga-Zugehörigkeit: Oberliga Niederrhein, ab 1. Juli Regionalliga West
Trainer: Stefan Vollmerhausen
Ligatoptorjäger: Ercan Aydogmus (14 Saisontreffer)
Größter Erfolg der Vereinsgeschichte: Teilnahme an der Bundesliga 1972 bis 1975
Weg ins Finale: SV Glückauf Möllen (7:0), VfL Rhede (6:0), TuRU Düsseldorf (2:0), ETB Schwarz-Weiß Essen (3:0), Rot-Weiß Oberhausen (6:4 n.E.)
Die Partie RWE gegen WSV bildet zudem den Abschluss der FUSSBALL.DE-Videoserie Road to DFB-Pokal.