Janik Steringer in doppelter Mission
Janik Steringer, Co-Trainer von Arminia Bielefeld, spielt selbst weiter, sofern es seine Zeit zulässt - und das auf gehobenem Amateurniveau bei Oberligist Lippstadt.
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[Foto: Sandra Ritschel]
Dennis Dietel, 49, leitet seit zwölf Jahren das Sportgericht des Berliner Fußball-Verbandes (BFV). Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) konnte vergangene Woche anhand des Lagebildes des Amateurfußballs rückläufige Zahlen bei Spielabbrüchen und Gewaltvorfällen vermelden. Auch Berlins oberster Sportrichter beobachtet eine gewachsene Achtsamkeit und erklärt im FUSSBALL.DE-Interview, warum ein starres Strafmaß keine gute Idee ist.
Herr Dietel, wie lange sind Sie schon im Amt?
Dennis Dietel: Ich gehöre seit 15 Jahren dem Sportgericht Berlin an, seit zwölf Jahren bin ich dort der Vorsitzende. Seit sechs Jahren bin ich zudem als Sportrichter beim Nordostdeutschen Fußballverband (NOFV). Beim Sportgericht Berlin werden von den jährlich etwa 1800 Verfahren rund 200 Verfahren mündlich verhandelt, also schon so vier oder fünf pro Woche. Bei den verhandelten Fällen handelt es sich größtenteils um Vorfälle mit verbaler oder körperlicher Gewalt, welche zum Teil auch zu einem Spielabbruch geführt haben. In Berlin unterscheiden wir zwischen verbaler und physischer Gewalt, wobei die verbale Gewalt auch die Diskriminierung umfasst
Während deutschlandweit die Zahl der Vorfälle um rund fünf Prozent rückläufig ist, verzeichnet der Berliner Fußball-Verband Zuwächse.
"Was früher noch am Stammtisch als lustig galt, wird heute gesellschaftlich als Diskriminierung anerkannt"
Dietel: Das stimmt, allerdings lohnt es, sich die Zahlen etwas genauer anzuschauen. Die größten Zuwächse an Vorfällen erleben wir bei verbaler Gewalt und Diskriminierung. Diese Steigerung hängt auch mit der ansteigenden Sensibilisierung zusammen. Die Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter und auch die Sportrichter wurden hierzu in den letzten Jahren besser geschult und reagieren achtsamer, wenn es zu einer Diskriminierung kommt. Insbesondere jüngere Menschen haben hier ein anderes Bewusstsein. Was früher noch am Stammtisch als lustig galt, wird heute gesellschaftlich als Diskriminierung anerkannt. Gleichzeitig hat sich aber auch die Kommunikation zwischen den Jugendlichen verändert. Begrifflichkeiten wie „Du Ehrenloser“ werden heute im privaten Bereich unter Jugendlichen anders verwendet als noch vor ein paar Jahren. Auch dies versuchen wir beim Sportgericht zu werten. Hier helfen uns auch unsere Jugendschöffen.
Wie entwickeln sich die Zahlen bei physischer Gewalt in Berlin?
Dietel: Da beobachten wir keine nennenswerte Steigerung. Gefühlt nehmen die schweren Gewaltexzesse ab, wie etwa das Treten gegen den Kopf von am Boden liegenden Spielern. Wir hatten 2023 den Fall eines Berliner Jungen, der bei einem Jugendturnier in Frankfurt von einem jungen Spieler eines französischen Vereins geschlagen und dabei so schwer verletzt wurde, dass er verstarb. Der Vorfall hat natürlich auch im Berliner Fußball die Runde gemacht.
Endet die Gewalt auf dem Fußballplatz?
Dietel: Zu beobachten und auch ein Problem der sportgerichtlichen Zuständigkeit ist leider eine Entwicklung dahingehend, dass die Auseinandersetzungen auch außerhalb des Sportplatzes und in den sozialen Netzwerken geführt werden. Der Grundsatz „was auf dem Platz passiert, bleibt auf dem Platz“, gilt leider schon lange nicht mehr.
Inwiefern?
Dietel: Es gab in der letzten Saison einen Fall, in welchen es um einen Streit zwischen einem Spieler und den Trainer ging. Hier kam es außerhalb des Trainings- und Spielbetriebes und auch außerhalb des Sportplatzes zu einer körperlichen Auseinandersetzung. In einem anderen Fall haben sich zwei Jugendliche unterschiedlicher Vereine, ebenfalls außerhalb des Trainings- und Spieltriebes, auf dem Vereinssportplatz geprügelt. Solche Vorfälle müssen verfolgt und geahndet werden. Ist dies aber in diesen Bereichen die Aufgabe der Sportgerichte oder nicht vielmehr der ordentlichen Gerichtsbarkeit? Wir kommen hier immer wieder zur Abgrenzung der Zuständigkeit des Sportgerichts, welche auch per Satzung vorgegeben ist. Wir als Sportgericht Berlin sind der Auffassung, dass es zumindest einen unmittelbaren Zusammenhang mit dem Trainings- und Spielbetrieb geben muss. Wir legen die Satzung hier sogar weit aus, indem wir den Trainingsbetrieb als umfasste Vorstufe des Spielbetriebes sehen.
Was sind das für Leute, die auf dem Fußballplatz gewalttätig werden?
Dietel: Vor allem sind es junge Männer, größtenteils zwischen 17 und 25 Jahren. Der Überfall der Hamas und der Einmarsch Israels in den Gazastreifen haben auch auf die Plätze in Berlin abgestrahlt. Makkabi Berlin musste in den Wochen danach deutlich mehr Anfeindungen und auch Angriffe erleiden. Wenn ich als Richter darauf hinweise, dass es doch absurd ist, Konflikte aus dem Nahen Osten im Berliner Amateurfußball auszutragen, ernte ich meistens ein Schulterzucken. „Der hat mich einfach provoziert“, so etwa lautet dann die Antwort. Wir müssen auch feststellen, dass wir nun auch vereinzelt Gewaltvorfälle im unteren Jugendbereich, sogar in der E- und F- Jugend oder im Mädchen und Frauenfußball haben. Fälle aus diesen Bereichen gab es früher nicht. Auch hier gibt es eine Verschiebung.
Hat Corona zu mehr Gewalt auf den Plätzen geführt?
Dietel: Jedenfalls in meiner Wahrnehmung hat Corona nicht zu einer Verschärfung geführt.
Welche anderen Katalysatoren sehen Sie?
Dietel: Der Berliner Fußballverband prüft und bewertet vor Spieltagen mögliche Risikospiele und entsendet für diese Spiele besonders geschulte Beobachter. Kriterien für eine solche Bewertung sind neben Auffälligkeiten der Mannschaften in der Vergangenheit auch Einträge in den sozialen Netzwerken vor dem Spiel oder politische Entwicklungen. Meist sind diese Spiele dann jedoch unauffällig und es knallt am anderen Ende der Stadt zwischen zwei Mannschaften, die zuvor noch nie auffällig geworden sind. Dennoch gibt es jede Saison immer zwei oder drei Mannschaften, welche besonders auffällig sind. Hier geht der BFV aktiv auf die Vereine zu und bietet Hilfe an. Diese Angebote werden oftmals erfolgreich angenommen.
Welche Wirkung haben Strafen?
Dietel: Wir haben immer wieder die Diskussion, dass Mindeststrafen erhöht werden sollen und die Sportgerichtsbarkeit zu milde ist. Ich bin ein großer Freund von weiten Strafrahmen, um dem Sportgericht für den Einzelfall ein breites Ermessen zu ermöglichen. Strafen müssen auch verhältnismäßig sein. Ein Schubser ist anders zu sanktionieren als ein Faustschlag ins Gesicht. Ab einer gewissen Strafe hat der Strafrahmen auch keine präventive Wirkung der Abschreckung mehr. Der Täter lässt sich nicht von seiner Tat dadurch abhalten, dass er statt einem Jahr eine Strafe von zwei Jahren erhalten wird. Im Gegenteil. Droht nicht sogar die Gefahr, dass der Täter nach dem Schubser realisiert, dass er wegen der Gewalt gegen einen Schiedsrichter für zwei Jahre gesperrt wird und dann sämtliche Hemmungen verliert? Der maximal zulässige Strafrahmen von zwei Jahren wird jedenfalls bei exzessiven Gewalttaten bereits ausgenutzt und der Täter dauerhaft vom Verband ausgeschlossen. Dass auch die aktuellen Strafen grundsätzliche ihre Wirkung entfalten, zeigt der Umstand, dass wir kaum Wiederholungstäter haben. Die Wiedererteilung des Spielrechts wird auch an die Teilnahme an einem Anti- Gewaltkurs oder andere Maßnahmen geknüpft.
Wurden Sie selbst als Richter schon bedroht?
Dietel: Nein, das nicht. Ich bin aber auch 1,94 Meter groß und bringe 100 Kilogramm auf die Waage, da ist die Hemmschwelle vermutlich eine andere. Ich weiß aber, dass es besondere Fälle gibt, bei welche Sportrichterinnen und Sportrichter Sorge haben, dass diese Anfeindungen nach der Verhandlung ausgesetzt werden. Konkrete Bedrohungen sind mir aber auch da in den letzten Jahren nicht bekannt geworden.
Macht Ihnen die Aufgabe denn noch Spaß?
Dietel: Das ist ambivalent. Wir als Sportrichter haben Kraft Amtes keine sympathische Aufgabe und sind ständig der Kritik ausgesetzt. Ich bin jetzt 15 Jahre dabei und da gibt es dann auch Abnutzungserscheinungen. Wir Sportrichter werden für jeweils vier Jahre gewählt, sodass auch ich immer wieder für mich prüfe, ob ich dieses Ehrenamt mit hohem Zeitaufwand weitere vier Jahre ausüben möchte. Obwohl die Rahmenbedingungen immer schlechter werden, überwiegt derzeit noch die Freude zusammen mit den anderen Sportrichter*innen und Schöff*innen Freizeit zu verbringen, Sachverhalte und Zeugenaussagen zu bewerten und die Satzungen und Ordnungen anzuwenden und auszulegen. Auch wenn dies aus Sicht des Sportgerichts merkwürdig klingen mag: Ich bedaure die Entwicklung, dass immer häufiger über das Sportgericht Spielergebnisse am „grünen Tisch“ geändert werden sollen und im Ergebnis auch müssen, obwohl sich alle Beteiligten bewusst sind, dass diese „Verfehlung“ keine Auswirkung auf das sportlich erzielte Ergebnis hatte. Hier geht es oftmals um komplizierte Fragen des Spielrechts oder Fotos von Spielern, welche sonst bereits ein Spielrecht für den Verein haben, aber ohne hinterlegtes Foto im DFBnet nicht eingesetzt werden dürfen. Aus meiner Sicht wird hier die Spielwertung zur Erziehung der Vereine missbraucht.
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