SV Aasen: Yamal als "Neuzugang" vorgestellt

Dass Deutschland und Spanien bei der UEFA Euro 2024 am Freitag (ab 18 Uhr, live in der ARD und bei MagentaTV) bereits im Viertelfinale aufeinandertreffen, löst bei Matthias Reddemann (46) keine uneingeschränkte Freude aus. "Das ist sehr schade, ich hätte dieses Duell lieber erst im Endspiel gesehen", sagt der geschäftsführende Vorstand des SV Aasen 1928 aus der Bezirksliga Schwarzwald, im FUSSBALL.DE-Gespräch: "Da werden zwei Herzen in meiner Brust schlagen."

Das kommt nicht von ungefähr. Schließlich trainiert "La Furia Roja", wie die spanische Nationalmannschaft genannt wird, während des EM-Turniers auf der bestens gepflegten Anlage des südbadischen Achtligisten und hat sich im Ort schon viele Freunde gemacht. "Alle im gesamten Staff sind sehr nahbar und freundlich, die Stimmung im Team ist sehr familiär, soweit man das von außen beobachten kann", so Reddemann: "Von Starallüren ist absolut nichts zu spüren." So radelte beispielsweise auch der erst 16 Jahre alte Shootingstar Lamine Yamal vom FC Barcelona gemeinsam mit dem zweiten Flügelstürmer Nico Williams (Athletic Bilbao) ganz entspannt durch den Ort und ließ sich auch mit Aasens Ehrenvorsitzendem Hans-Peter Rolle ablichten, um spaßeshalber als "Neuzugang" beim Bezirksligisten vorgestellt zu werden.

Klar ist: Im Schwarzwald schnuppert das Team um Nationaltrainer Luis de la Fuente schon während des Trainings ständig Höhenluft. Denn die drei Rasenplätze in Aasen, einem Ortsteil von Donaueschingen, befinden sich auf der so genannten Baar, einer auf etwa 670 bis 750 Meter Höhe gelegenen Hochebene zwischen Schwarzwald und Schwäbischer Alb.

"Eine Win-Win-Situation"

"Von Starallüren ist absolut nichts zu spüren"

Aber wie kommt es, dass ein Bezirksligist Gastgeber für einen der am höchsten gehandelten EM-Favoriten sein kann? Der Ursprung liegt in einer 2017 abgeschlossenen Kooperationsvereinbarung zwischen dem SV Aasen und dem ortsansässigen Fünf-Sterne-Luxushotel und Golfresort "Der Öschberghof", das unter anderem drei eigene Golfplätze betreibt und auch über einen großen Wellnessbereich verfügt.

Hotel und Verein legten die Platzanlage des Klubs in der Folgezeit gemeinsam an und sorgen seitdem auch zusammen für die Pflege. So sind die Greenkeeper der nur rund 400 bis 500 Meter Luftlinie entfernten Nobelherberge auch für die Rasenplätze des Fußballklubs mitverantwortlich, werden dabei aber auch von ehrenamtlichen Vereinsmitgliedern tatkräftig unterstützt, um stets optimale Platzverhältnisse zu gewährleisten.

"Diese Kooperation ist für alle Beteiligten eine Win-Win-Situation", betont Matthias Reddemann, der im Hauptberuf als Leiter Produktmanagement bei einem bekannten Unternehmen für Keramik und Badausstattung in der Region tätig ist.

Gastspiel des FC Liverpool als Vorgeschmack

Die Annehmlichkeiten des Hotelbetriebs und die Ruhe in der eher dörflich geprägten Provinz haben sich im Profifußball ebenso herumgesprochen wie die außergewöhnliche Qualität der nahen Trainingsplätze in Aasen. Deshalb waren nicht nur Bundesligisten wie der FC Bayern München, Borussia Dortmund, der 1. FC Köln oder der VfL Wolfsburg schon im "Öschberghof" und beim SV Aasen zu Gast. Auch internationale Topklubs wie der FC Barcelona, FC Brentford und der FC Liverpool bereiteten sich auf der Baar auf die neue Saison vor.

Besonders das Gastspiel des 19-maligen englischen Meisters mit seinem damaligen Trainer Jürgen Klopp war für den SV Aasen bereits ein guter Vorgeschmack auf die Europameisterschaft. Die "Reds" wollten nämlich von der Öffentlichkeit komplett abgeschottet sein und durch nichts und niemanden gestört werden. Bis auf wenige Ausnahmen wie die öffentliche Trainingseinheit vor dem EM-Auftakt ist das beim spanischen Nationalteam jetzt nicht viel anders.

Zelte für Fitnessbereich und PK

So trainieren auch die Iberer um weitere Starspieler wie Daniel Carvajal und Nacho von Champions-League-Sieger Real Madrid, Rodri von Manchester City, Kapitän Alvaro Morata von Atletico Madrid, Dani Olmo von RB Leipzig oder auch Pedri vom FC Barcelona hinter hohen Sichtschutzbannern. Die Strecke zum Trainingsplatz legen sie in der Regel in Kleinbussen zurück. Auf "Platz 2" wurde eigens für die EM eine kleine Tribüne errichtet.

Außerdem wurden mehrere große Zelte aufgestellt, unter anderem mit einem Fitnessbereich für die Spieler sowie für die täglichen Pressekonferenzen mit den zahlreich angereisten Medienvertretern. Das Hotel wurde mitsamt Restaurants und Spa-Bereich komplett vom spanischen Fußballverband (RFEF) für die Dauer der Europameisterschaft gebucht, im besten Fall also bis zum Endspiel am 14. Juli in Berlin.

Für den SV Aasen war dabei das öffentliche Training die bislang größte Herausforderung. Laut Sicherheitskonzept der UEFA waren bis zu 500 Personen auf der Platzanlage zugelassen, wo sonst etwa 200 bis 300 Zuschauer*innen die Bezirksliga-Heimspiele verfolgen. Neben den offiziellen Gästen war es dem SV Aasen wichtig, besonders vielen jugendlichen Fußballern des Klubs und der Nachbarvereine zu ermöglichen, die Trainingseinheit des dreimaligen Europameisters (1964, 2008 und 2012) zu verfolgen.

"Es hat alles sehr gut funktioniert, das Feedback der UEFA und des spanischen Verbandes war sehr positiv", stellt Matthias Reddemann zufrieden fest. Etwa 50 ehrenamtliche Helfer des Klubs waren im Einsatz, um einen reibungslosen Ablauf zu ermöglichen. Durch die Bewirtung der Gäste floss auch der eine oder andere Euro zusätzlich in die Vereinskasse. Viel wichtiger ist dem Klub allerdings das positive Image, das durch solche Veranstaltungen noch gefördert wird und auch nicht ohne Wirkung bleibt. Obwohl das Dorf Aasen nur 1300 Einwohner*innen hat, steuert der Verein auf die Marke von 800 Mitgliedern zu, Tendenz steigend.

Bald kommt Doublesieger Leverkusen

Wie sehr die Spanier das Quartier, die Umgebung und nicht zuletzt auch die Platzverhältnisse in Aasen schätzen, wird auch dadurch deutlich, dass sie dieses Base Camp wählten, obwohl ihre drei Vorrundenspiele gegen Kroatien (3:0 in Berlin), gegen Italien (1:0 in Gelsenkirchen) und gegen Albanien (1:0 in Düsseldorf) nicht gerade in unmittelbarer Nähe ausgetragen werden. Gleiches galt auch für das Achtelfinale gegen Georgien (4:1 in Köln). Erst zum bevorstehenden Duell mit dem DFB-Team in Stuttgart hat "La Furia Roja" mit etwa 130 Kilometern erstmals eine kurze Anreise.

Matthias Reddemann und seine Mitstreiter werden das Viertelfinale gemeinsam mit den Mitgliedern der spanischen Delegation, die nicht im Stadion vor Ort sind, beim Public Viewing in unmittelbarer Nähe des Hotels verfolgen. "Das haben wir schon beim Eröffnungsspiel so gemacht", so Reddemann, der "lieber keine Prognose für den Spielausgang abgeben will. Beide Teams sind offensiv herausragend gut besetzt. Ich gehe deshalb davon aus, dass am Ende die Defensivleistung den Ausschlag geben wird."

Ein spanischer Nationalspieler könnte übrigens nur wenige Wochen nach der Europameisterschaft schon wieder nach Donaueschingen kommen. Vom 28. Juli bis zum 2. August schlägt nämlich der Deutsche Meister und DFB-Pokalsieger Bayer 04 Leverkusen mit Cheftrainer Xabi Alonso sein Sommer-Trainingslager im "Öschberghof" und beim SV Aasen auf. Ob Linksverteidiger Alejandro Grimaldo allerdings bei einem Halbfinaleinzug seines Nationalteams dann schon zweieinhalb Wochen später wieder in das Training beim Doublesieger einsteigt, dürfte zumindest fraglich sein. Aber auch auf Florian Wirtz und Robert Andrich würde Matthias Reddemann ausnahmsweise gerne verzichten.