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[Foto: Uwe Köppen / Stadt Duisburg]
Im Frühsommer 2016 steht der SuS Viktoria Wehofen kurz vor der Auflösung. Die erste Mannschaft ist gerade in die Kreisliga B abgestiegen, viele Spieler wollen weg und eine Jugendabteilung gibt es nicht. Dann haben Uwe und Ralf Plincner eine gute Idee – die inzwischen vom DFB ebenso ausgezeichnet wurde wie von der Stadt Duisburg.
Die beiden Brüder machen sich zu einem Besuch in der Flüchtlingsunterkunft im Duisburger Stadtteil Walsum auf. Es ist eine dieser Leichttragehallen, die zu der Zeit für die Neuankömmlinge aus aller Welt überall aufgestellt werden. "Da waren 600 Menschen drin. Wir haben gedacht: Es wäre doch gelacht, wenn von denen nicht auch ein paar Lust hätten zu kicken", berichtet Ralf Plincner.
Sie sprechen mit den Helfern der Stadt Duisburg, dass sie auf ihrem Sportplatz an der Leitstraße im nahen Dinslaken gerne ein Kennenlern-Training veranstalten möchten. "Ein paar Tage später hätten wir 80 junge Männer bei uns auf der Anlage stehen", erzählt Ralf Plincner.
"Wir haben erkannt, dass wir diesen Menschen nicht nur die Möglichkeit geben müssen, bei uns Fußball zu spielen, sondern auch bei vielen anderen Dingen zu helfen"
Aus dem Problem, keine Spieler mehr für eine Mannschaft zusammen zu bekommen, wird bei der Viktoria ein anderes: Wie gehen wir jetzt mit diesem plötzlichen Massenansturm um? Und was können wir noch tun, um diesen Leuten zu helfen?
Rein sportlich geht es für die Plincners und die anderen fleißigen Ehrenamtler in Wehofen darum, die Talentierten in den Spielbetrieb zu bekommen, und die anderen, die ein ähnliches Schicksal von Flucht und Vertreibung eint, nicht zu enttäuschen. Die Viktorianer beschließen also, für die Saison 2016/2017 zwei Mannschaften anzumelden. "Es war teils ziemlich schwierig, die Spielerpässe aus ihren Heimatländern zu besorgen", so Ralf Plincner, der die buntgemischte Truppe noch heute trainiert.
Nicht nur das Beschaffen der Spielberechtigung klappt, sondern der SuS wird nun zu einem Vorzeigebeispiel für gelungene Integrationsarbeit. Die Viktorianer um die beiden Plincner-Brüder bauen ein Netzwerk auf, knüpfen Kontakte zum Jobcenter, zur Kreishandwerkerschaft, zum Integrationsbüro des Oberbürgermeisters und zur örtlichen Flüchtlingshilfe. "Wir haben erkannt, dass wir diesen Menschen auf vielfältigen Ebenen helfen müssen, nicht nur mit der Möglichkeit, bei uns Fußball zu spielen, sondern auch bei Behördenangelegenheiten, beim Deutsch lernen und auf der Suche nach einem Arbeitsplatz", erläutert Ralf Plincner und führt aus: "Dabei mussten wir selbst viel lernen, zum Beispiel, mit anderen Mentalitäten umzugehen und auch Rückschläge wegzustecken."
Wird einem der Geflüchteten das Bleiberecht in Deutschland verweigert und droht die Abschiebung, kümmern sich die Wehofener um Rechtsbeistand. Voraussetzung: Der Betroffene hat auch die Post von der Asylbehörde geöffnet. "Was für uns selbstverständlich ist, darf man bei Menschen aus anderen Kulturkreisen nicht immer voraussetzen", sagt Plincner lachend.
Dreieinhalb Jahre später haben sich viele der anfänglichen Schwierigkeiten erledigt. Über 40 von einst 80 Neuankömmlingen, die beim SuS Viktoria gerne ein bisschen Fußball spielen wollten, sind heute noch dabei. Spieler aus dem Iran, Irak, Syrien, Afghanistan, Guinea, Nigeria, dem Niger, Ghana und Eritrea spielen in Wehofen mit Deutschen in einem Team – genauer gesagt in zwei, außerdem gibt es eine C-Jugendmannschaft . Viele der Geflüchteten aus arabischen Ländern haben über das Netzwerk der Viktoria eine Ausbildungsstelle gefunden. Massenunterkünfte wie 2016 gibt es nicht mehr, die meisten Geflüchteten sind inzwischen in eigenen Wohnungen sesshaft geworden. "Wenn man sieht, wie die Augen der Jungs strahlen, wenn sie eine kleine 1,5-Zimmer-Bude beziehen, mit eigenem Kühlschrank und vor allem endlich Privatsphäre, wie es sie vorher in diesen großen Zelten natürlich nicht gab", sagt Plincner.
Während sich die Neuankömmlinge aus dem sogenannten Nahen Osten meist allein in der fremden Umgebung zurecht finden müssten, würden einige Zugezogene aus afrikanischen Ländern nun mit ihren Familien im Duisburger Norden leben. "Wir haben inzwischen 16 Flüchtlingsfamilien mit Kindern im Verein, davon engagieren sich einige auch bei uns in der Jugendabteilung", so Ralf Plincner.
Das beispielhafte Engagement der Wehofener ist nun auch über die Grenzen der Gemeinde an Rhein und Ruhr hinweg gewürdigt worden. Schon im Jahr 2018 zeichnete die Egidius-Braun-Stiftung des Deutschen Fußball-Bundes im Rahmen ihrer Flüchtlingsinitiative "2.0 für ein Willkommen" die Integrationsarbeit der Viktoria aus und unterstütze den Verein mit 6450 Euro. Nun erhielt der SuS auch noch den "Heimatpreis" der Stadt Duisburg, den zuvor noch nie ein Fußballklub entgegennehmen durfte. "Das sind tolle Auszeichnungen, auf die wir als Team im Verein sehr stolz sind", freut sich Ralf Plincner.
Er und seine Mitstreiter bleiben am Ball, schließlich hört die Integrationsarbeit nicht auf, nur weil die Verhältnisse für Geflüchtete in Wehofen und auch woanders in Deutschland deutlich besser geworden sind.
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