Mit seiner Körpergröße von 1,90 Meter und der Kojak-Frisur ist Marco Antwerpen, seit Saisonbeginn Trainer des ambitionierten West-Regionalligisten FC Viktoria Köln, nur schwer zu übersehen. Beinahe wäre dem Ex-Profi mit seiner Mannschaft im DFB-Pokal eine Sensation geglückt. Gegen den Zweitligisten 1. FC Nürnberg mussten sich die Rheinländer erst nach Elfmeterschießen 6:7 geschlagen geben. Antwerpen war vor wenigen Wochen vom Ligakonkurrenten Rot Weiss Ahlen zur Viktoria gewechselt. Am Samstag (ab 14 Uhr) kehrt er zum ersten Mal in neuer Funktion ins Ahlener Wersestadion zurück.
Im aktuellen Regionalliga-Interview der Woche spricht Marco Antwerpen auf FUSSBALL.DE über das DFB-Pokalspiel gegen Nürnberg, die Auswirkungen der Fußballlehrer-Ausbildung auf seine Trainingsarbeit, sowie seinen „Quarterback“ Mike Wunderlich.
FUSSBALL.DE: Was überwog nach der Niederlage im Pokalspiel: Die Enttäuschung über die Niederlage oder der Stolz auf die Leistung, Herr Antwerpen?
Marco Antwerpen: Auch jetzt sind wir noch hin- und hergerissen. Selbstverständlich wären wir gerne weitergekommen. Die Enttäuschung war und ist groß. Auf der anderen Seite können wir zurecht stolz darauf sein, einen ambitionierten Zweitligisten an den Rand einer Niederlage gebracht zu haben.
"Was in der Vergangenheit war, interessiert mich nicht mehr. Mein Blick geht nach vorn."
Was sollte Ihre Mannschaft aus dem Pokalduell mit in die Meisterschaft nehmen?
Antwerpen: Es gab viele positive Aspekte. Dass wir uns gegen einen zwei Klassen höher spielenden Gegner viele Torchancen erspielen konnten, war keine Selbstverständlichkeit. Nur bei der Verwertung der Möglichkeiten waren wir nicht konsequent genug.
Ihre Mannschaft ist mit sieben von zwölf möglichen Punkten in die Saison gestartet. Wie beurteilen Sie den Auftakt?
Antwerpen: Mit einem Zähler nach den ersten zwei Begegnungen waren wir selbstverständlich alles andere als einverstanden. Der Druck wurde dann sofort größer. Dem hat die Mannschaft aber standgehalten und mit zwei Siegen eine prima Reaktion gezeigt. Ich denke, dass wir damit ins Rollen gekommen sind. Unser Ziel bleibt es, im oberen Drittel eine gute Rolle zu spielen.
Ist das nicht ein wenig tiefgestapelt?
Antwerpen: Überhaupt nicht. Schließlich haben wir starke Konkurrenz. Ich denke da zum Beispiel an den aktuellen Tabellenführer, an die U 23 von Borussia Dortmund. Sie haben sich hervorragend verstärkt und verfügen über viel Potenzial.
Das jüngste Ligaspiel bei Rot-Weiss Essen gewann die Viktoria 4:0. Es war der höchste Saisonsieg. Wo sehen Sie noch am meisten Luft nach oben?
Antwerpen: Gerade beim 1:4 gegen die U 23 von Borussia Mönchengladbach und auch im Essen-Spiel haben wir zu viele Chancen zugelassen. Wir müssen noch konsequenter gegen den Ball arbeiten. In der Offensive sind wir dagegen immer in der Lage, ein Tor zu erzielen.
Kapitän Mike Wunderlich, der schon in der 2. Bundesliga gespielt hat, gilt als Kopf der Mannschaft. Was zeichnet ihn aus?
Antwerpen: Mike geht immer mit Leistung voran - egal, ob im Training oder im Spiel. Als Kapitän ist er mein verlängerter Arm auf dem Platz. Würden wir American Football spielen, wäre er der Quarterback.
Und wenn Ihr Quarterback ausfällt?
Antwerpen: Es würde auf jeden Fall nicht einfach, Mike zu ersetzen. Allerdings legen wir schon jetzt viel Wert darauf, im Angriff nicht zu sehr von ihm abhängig zu sein, uns breiter aufzustellen. Damit sind wir auch schwerer ausrechenbar. Mike führt zwar die interne Torjägerliste mit vier Treffern an. Allerdings hat das Essen-Spiel mit vier verschiedenen Schützen gezeigt, dass auch andere Spieler in die Bresche springen können.
Viktoria Köln wird wegen der finanziellen Möglichkeiten des Vereins von der Konkurrenz häufig als „Bayern München der Regionalliga West“ gesehen. Wie macht sich das bemerkbar?
Antwerpen: Mein Fokus liegt auf meiner Arbeit. Die versuche ich, so gut wie möglich zu machen. Wie uns der Gegner sieht, ist nicht meine Baustelle. Für mich kommt es darauf an, Lösungen zu finden, wie wir am Wochenende drei Punkte holen können.
Am Samstag gastieren Sie bei Ihrem Ex-Verein Rot Weiss Ahlen, mit dem Sie in die Regionalliga aufgestiegen waren, dann aber nach einer Negativserie vorzeitig beurlaubt wurden. Was für einen Empfang erwarten Sie?
Antwerpen: Das weiß ich nicht. Ich bin jetzt Trainer von Viktoria Köln. Was in der Vergangenheit war, interessiert mich nicht mehr. Mein Blick geht nach vorn.
Wie schätzen Sie Rot Weiss sportlich ein?
Antwerpen: Mit einer neuen Mannschaft war Ahlen mit zwei Siegen furios gestartet. In den letzten drei Partien ging es mit drei Niederlagen in eine andere Richtung. Für mich ist es schwierig zu beurteilen, wohin die Reise gehen kann. Bei unserem Auftritt am Samstag wollen wir versuchen, ständig Druck auszuüben und den Gegner zu Fehlern zu zwingen.
Mit Felix Backszat und Marco Fiore sind auch zwei Spieler aus Ahlen nach Köln gewechselt. Wie haben sich die beiden eingelebt?
Antwerpen: Marco hat sich leider am Knie verletzt und fällt in den kommenden sechs Wochen aus. Felix hat die ersten beiden Meisterschaftspartien mitgemacht, stand dann nicht mehr in der Startelf und muss sich nun in unserem breit aufgestellten Kader wieder anbieten.
Und wie sieht es bei Ihnen aus? Sind Sie in Köln angekommen?
Antwerpen: Ich denke schon. Mit meiner Frau habe ich in Köln eine Wohnung gefunden, in der wir uns sehr wohl fühlen.
Vor knapp einem halben Jahr haben Sie die Fußballlehrer-Lizenz erworben. Mit ein wenig Abstand: Welche Auswirkungen hat die Ausbildung auf Ihre Arbeit?
Antwerpen: Der DFB-Lehrgang an der Hennes-Weisweiler-Akademie in Hennef ist extrem hochwertig. Das Team um Chefausbilder Frank Wormuth vermittelt viel Wissen. Selbstverständlich fließt das in die tägliche Arbeit ein. Ziel muss es immer sein, die bestmöglichen Ergebnisse einzufahren. Denn unter dem Strich geht es meist nur darum.
Vor drei Jahren waren Sie für einige Monate komplett weg aus Deutschland, haben in Australien gelebt. Können Sie sich so etwas noch einmal vorstellen?
Antwerpen: Das ist immer abhängig von der Lebenssituation. Im Moment bin ich sehr glücklich, Trainer bei Viktoria Köln zu sein. Damals war es etwas anders. Den Gedanken an eine Auszeit fand ich gut, zumal ich immer schon einmal ins Ausland wollte. Die Zeit in Australien war hervorragend. Ich habe viele neue Eindrücke gewonnen. Ganz ohne Fußball ging es freilich nicht. Bei Melbourne Victory habe ich einige Wochen hospitiert.