Es war nicht nur eine gelungene Überraschung, sondern auch ein einzigartiges Debüt: Bundesliga-Schiedsrichter Knut Kircher betrat am vergangenen Sonntag, 3. April, den Rasen des Weissbacher Sportplatzes - und nicht nur die rund 270 Zuschauer der Bezirksliga-Partie des SGM Weissbach/Niedernhall gegen den SV Mulfingen 1926 wunderten sich, sondern vor allem Niedernhall-Trainer Wolfgang Walz. Denn dieser ahnte nicht, dass er schon bald von seinem Freund und Weggefährten Knut Kircher überrascht werden würde. Ein Achtliga-Duell mit zwei Erfahrenen aus einem früheren Bundesliga-Gespann. Und das in Premieren-Konstellation auf dem Platz: Walz als Trainer. Kircher als Schiedsrichter.
Wolfgang Walz und Knut Kircher lernten sich in der Schiedsrichterei in Württemberg kennen und schätzen. Walz pfiff damals in der 2. Liga und war als Schiri-Assistent in der Bundesliga an der Linie. Kircher leitete Bundesliga-Partien, beide bildeten sieben Jahre lang ein Gespann auf dem Platz. „Bald verband uns ein freundschaftliches Verhältnis“, berichtet Knut Kircher, der dann einen Plan schmiedete. Damit die große Überraschung gelingen konnte, fragte der 47-Jährige vor einigen Wochen beim Schiedsrichteransetzer an. Und es klappte. „Es war wie eine Rückkehr zu meinen Wurzeln. Ich setzte mich mit einem Lächeln im Gepäck ins Auto und wusste, ich kann ein Treffen mit einem guten Freund mit meiner Passion verbinden“, sagt Kircher.
"Ich musste mich erstmal wieder umgewöhnen. Wenn ein Pass aus den hinteren Reihen auf den Stürmer kommt, schaue ich normalerweise zu meinem Assistenten. Hier bin ich auf mich allein gestellt"
Normalerweise pfeift der Referee vom TSV Hirschau die ganz großen Partien. Hochklassige Bundesliga-Begegnungen gehören seit der Saison 2001/02 zum Alltag von Knut Kircher, 2008 pfiff das DFVB-Pokalfinale zwischen Borussia Dortmund und Bayern München (1:2 n.V.). Von 2004 bis 2012 leitete er auch internationale Spiele der Fifa. Am Sonntag stand Kircher dann also zum ersten Mal wieder auf einem Dorfsportplatz.
„Wolfang Walz war sehr erstaunt, aber auch sehr erfreut, mich zu sehen, denke ich“, so Knut Kircher. Die Freude über den prominenten Besuch übertrug sich auch auf die Leistung der Mannschaft des SGM Weissbach/Niedernhall. Keine 15 Minuten nach Spielbeginn köpfte Patrick Strandt nach einem Freistoß von Stefan Beez zum 1:0 ein. Kurz vor der Pause traf Kim Foss zum 2:0. In der 55. Minute netzte Yannik Braun ein und machte zwölf Minuten später mit dem Treffer zum 4:1 das Spektakel perfekt. Am Ende der Partie musste Kircher Gelb zücken: „Die gelbe Karte gab es für die Verhinderung der schnellen Ausführung eines Freistoßes. Ich mache keine Unterschiede zwischen der Bundesliga und der Bezirksliga. Die Regeln des Fußball sind überall gleich."
Auf die Augen seiner gewohnten Schiedsrichter-Assistenten konnte der 47-Jährige diesmal nicht zurückgreifen. Kircher: "Ich musste mich erstmal wieder umgewöhnen. Wenn ein Pass aus den hinteren Reihen auf den Stürmer kommt, schaue ich normalerweise zu meinem Assistenten. Hier bin ich auf mich allein gestellt. Ich bin ein Einzelkämpfer auf dem Platz." Unterschiede zwischen der Bundesliga und dem Amateurfußball sieht er kaum. „Der Grundgedanke ist auf jeder Ebene gleich. Zwei ambitionierte Mannschaften treffen in einem sportlich, fairen Wettkampf aufeinander und wollen ihr Bestes geben. Sie haben Anspruch auf einen motivierten Schiedsrichter und diesem will ich gerecht werden.“
"Beruflich" endet die Laufbahn von Knut Kircher als Bundesliga-Referee mit dem Ende dieser Saison am 14. Mai - pünktlich zu seinem 30-jährigen Schiedsrichterjubiläum. Ganz an den Nagel will er seine Pfeife dann jedoch noch nicht hängen. „Ab und an werde ich sicher nochmal eine Partie im Jugendbereich oder ein Benefizspiel leiten."
Autor/-in: Franziska Eichholz