Früher saß er auf der Ersatzbank, als der Hamburger SV die Deutsche Meisterschaft gewann und im Europapokalfinale stand. Heute trainiert Thomas Bliemeister die SV Halstenbek-Rellingen. Die Oberliga Hamburg ist seine Heimat. Sein Sohn arbeitet als Spielerberater. Bliemeister ist unsere Kultfigur der Woche.
Die Atmosphäre im Stadion der SV Halstenbek-Rellingen ist idyllisch. Bratwurstgeruch liegt in der Luft, manchmal spielen ein paar Hunde neben dem Spielfeld, wenn die Spiele angepfiffen werden. Die kleine Tribüne wurde kürzlich mit neuen Sitzen ausgestattet. „Das sieht doch richtig schick aus“, sagt Thomas Bliemeister stolz. Seit Januar 2009 ist der 60-Jährige hier Übungsleiter.
Zuvor hatte er den Ligakonkurrenten VfL Pinneberg trainiert. „Fußball ist einfach meine Leidenschaft“, sagt er und blickt auf seine Spieler, die gerade Kurzpässe trainieren. „Außerdem bereitet mir die Arbeit mit jungen Menschen Freude.“ Gibt er seine Anweisungen, hören die Spieler genau hin. Sie wissen, dass dieser Mann im Fußball schon viel erlebt hat.
Thomas Bliemeister gehörte zum Kader des Hamburger SV, als die Hamburger zu den besten Mannschaften Europas zählten. Erfolgsmanager Günter Netzer saß ihm gegenüber, als Bliemeister seinen ersten Profivertrag unterschrieb. Netzer hatte damals Branko Zebec als neuen Trainer geholt, Horst Hrubesch als neuen Stürmer. Eine Erfolgsmannschaft war geboren. 1979 wurden sie Deutscher Meister, 1980 standen sie im Europapokalfinale der Landesmeister.
"Der Sprung war einfach zu groß"
Nur die jungen Spieler blieben etwas auf der Strecke – wie zum Beispiel Thomas Bliemeister. „Vorher spielte ich für die zweite Mannschaft in der Verbandsliga, dann stand ich plötzlich im Bundesligakader. Der Sprung war einfach zu groß“, sagt er rückblickend. „Der Trainer wollte lieber mit erfahrenen Spielern arbeiten. Der Erfolg gab ihm ja auch Recht.“
Showtraining mit Sackhüpfen und Elefantenreiten
In einem Pflichtspiel der HSV-Profis kam Bliemeister nicht zum Einsatz. Lediglich in der damals noch existierenden DFB-Nachwuchsrunde durfte er mitmischen. Viel erlebt hat er trotzdem. Dafür sorgte alleine schon Peter Krohn. Der damalige HSV-Präsident machte Fußball zum Entertainment. „Er war sensationell, seiner Zeit weit voraus“, sagt Bliemeister mit einem leichten Schmunzeln. „Wir trugen 20 oder 30 verschiedene Trikots, es gab Showtraining mit Sackhüpfen, Elefantenreiten und einer Blaskapelle. Das war schon etwas übertrieben. Aber so kamen 8000 Zuschauer zum Training.“
Bliemeister durfte 1980 noch einmal im Europapokalfinale der Landesmeister auf der Bank sitzen, welches gegen Nottingham Forest mit 0:1 verloren ging, dann war seine Profikarriere beendet. „Mein Fehler war, dass ich nicht bereits ein Jahr zuvor zu einem Zweitligisten gewechselt bin, um Spielpraxis zu sammeln“, sagt er heute. „Als ich in der Bundesliga zwei Jahre ohne Einsatz blieb, hatte mich kein anderer Verein mehr auf dem Zettel.“
Er sagt das frei von jeglichem Wehmut. Bliemeister ist zufrieden mit seinem Werdegang. Er fand einen guten Job als Neuwagenverkäufer. So konnte er seinen ehemaligen Mitspielern und Vorgesetzten vom HSV einige Luxuskarossen verkaufen. Sportlich wandte er sich dem Amateurfußball zu – erst als Spieler, dann als Trainer.
Teamchef der HSV-Altstars
Die Verbundenheit zum HSV ist geblieben. Und das nicht nur, weil sein Sohn Thies Spielerberater ist und zum Beispiel HSV-Stürmer Michael Gregoritsch oder den Ex-Hamburger Heung-Min Son vertritt. Als Teamchef organisiert Thomas Bliemeister die Spiele der HSV-Traditionsmannschaft, der sogenannten HSV Altliga. Ex-Stars wie Rodolfo Cardoso, Thomas Doll oder Stefan Schnoor mischen dort mit. Die Einnahmen der Spiele gehen wohltätigen Zwecken zu. „Wir bekommen bei solchen Veranstaltungen immer zwischen 10.000 und 20.000 Euro zusammen. Außerdem ist es immer schön, wenn man sich wiedersieht“, erzählt Bliemeister.
Seine Kontakte kommen auch seinem Verein, der SV Halstenbek-Rellingen, zugute. So kam es zum Beispiel, dass der langjährige Bundesligatorwart Claus Reitmaier in 22 Oberligaspielen das Tor der SVH hütete. Auch der aktuelle Co-Trainer ist kein Unbekannter: Matthias Reincke stand von 1997 bis 1999 beim Hamburger SV unter Vertrag, absolvierte damals vier Bundesligaspiele.
Zusammen bilden Bliemeister und Reincke ein hervorragendes Gespann. „Er ist ein erfahrener Trainer mit einer klaren Handschrift. Ich sehe alles mehr aus Spielersicht, bin vielleicht eher der Kumpeltyp. Bliemeister ist etwas distanzierter“, sagt Reincke. Vereinspräsident Hans Jürgen Stammer sieht das ähnlich: „Thomas hat beim alten Haudegen Zebec eben die alte Schule erlebt. Er hat aus seiner Zeit beim HSV einiges mitgenommen.“ So ist es eben, wenn jemand von den Besten gelernt hat.