Wutke: "Fair Play darf keine Floskel sein"
Elfie Wutke ist Spitzenfunktionärin im Nordostdeutschen Fußballverband. Mit FUSSBALL.DE spricht sie über die Entwicklungen im Frauen- und Mädchenfußball.
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[Foto: Marco Haase/Collage Fussball.de]
FUSSBALL.DE stellt Kenth Joite vor – einen Schiedsrichter, dem gesagt wurde, dass er mit seinem Herzfehler niemals 28 Jahre alt werden kann. Heute beweist er den Medizinern das Gegenteil. Ein beeindruckender junger Mann.
Kenth Joite sitzt am Tisch des Restaurants, trinkt seinen Kaffee und erzählt mit Händen und Füßen von seinem letzten Kreisligaspiel: ein nicht einfach zu leitendes Derby mit Haken und Ösen, härteren Phasen, notwendigen Karten. Der Zuhörer hat bei Kenths engagierten Schilderungen das Gefühl, als sei er beim Spiel dabei – und er sieht einen jungen Mann im Alter von 28 Jahren aus Steinenbronn im Landkreis Böblingen, südwestlich von Stuttgart, der mit Leib und Seele Schiedsrichter ist.
Doch wenn es nach der Ansicht vieler Ärzte gegangen wäre, hätte Kenth in diesem Sommer 2018 seine Erlebnisse gar nicht schildern können. Denn dann wäre Kenth seit mehr als zwei Jahrzehnten bereits tot.
"Es ist meine Botschaft für alle Herzkranken: Man muss sich nicht zu Hause verkriechen, man kann aktiv sein, solange es geht"
Als Kenth am 17. August 1990 im niedersächsischen Wolfenbüttel geboren wird, stellen die Ärzte einen schweren Herzfehler fest: Maximal zwei Jahre geben sie dem Kind damals, für die Eltern ein schwerer Schock. Kenth überlebt, auch eine schwere Operation im Alter von zwei Jahren. Kenth hört immer wieder, dass es wohl nur noch ein paar Jahre werden würden. Aber zum Glück kommt es anders.
Zum Fußballsport ("Fußball ist für mich das Größte!") kommt Kenth in frühen Jahren über seinen Vater, der damals bei seinem Heimatverein, dem TSV Germania Lamme bei Braunschweig, in seiner niedersächsischen Heimat als Jugendtrainer aktiv ist.
Das Fußballspielen muss er leider früh aufgeben – zu gefährlich. Die Verletzungsgefahr ist als aktiver Spieler zu groß. So kommt Kenth im Alter von 14 Jahren zur Schiedsrichterei – ein Hobby, das ihn nicht mehr loslässt. "Ich wollte dem Fußball einfach verbunden bleiben", sagt Kenth, "und als Schiedsrichter bin ich ganz dicht dran." Dicht dran an dem Sport, den er so liebt. Jahr für Jahr.
Kenth muss auf seinen angeborenen Herzfehler zwar Rücksicht nehmen, Reha-Maßnahmen besuchen, riskante Operationen überstehen. Er erleidet gesundheitliche Rückschläge, die nicht einfach zu verkraften sind. Aber Kenth ist zäh, packt die Herausforderungen – und wird immer älter, Jahr für Jahr. "Wir schreiben das Jahr 2018 – und ich lebe", sagt der junge Mann.
Zunächst ist Kenth in seiner Braunschweiger Heimat als Unparteiischer aktiv – dort absolviert er im Jahr 2004 erfolgreich den Schiedsrichter-Lehrgang und hat ein besonderes Vorbild: "Zu Florian Meyer hatte ich einen guten Draht, er hat mich immer sehr positiv angespornt."
Einige Jahre später wechselt Kenth als Schiedsrichter in den niedersächsischen Kreis Peine und erlebt dort, wie er bis heute schwärmt, "eine großartige Zeit mit viel Verständnis der Verantwortlichen dafür, dass ich als Schiedsrichter aus gesundheitlichen Gründen auch mal pausieren musste". Denn das ist der Fall. Regelmäßige Reha-Maßnahmen und Klinik-Aufenthalte gehören zu Kenths Leben.
Und solch eine Kur ist vielfältig: Bei einer gemeinsamen Reha im Schwarzwald im Juni 2015 kommen Kenth und seine Freundin Jacqueline zusammen. Der Süden hat es dem Nordlicht angetan: "Ich habe gemerkt: Gesundheitlich geht's mir hier deutlich besser."
Mittlerweile ist Kenth umgezogen, lebt seit einem Jahr in Steinenbronn, sein Heimatverein sind die Stuttgarter Kickers . Und so pfeift Kenth nunmehr Spiele auf Herren-Kreis- und Junioren-Bezirksebene und ist als Assistent bis zur Landesliga im Einsatz. In einem Freundschaftsspiel steht er sogar beim ehemaligen FIFA-Referee Knut Kircher an der Linie: "Ein tolles, prägendes Erlebnis."
Von dem einen oder anderen Mediziner wurde Kenth eigentlich geraten, dass es an der See gesünder sei als auf Sportplätzen Baden-Württembergs in 500 Meter Höhe. "Aber das sind die unerklärlichen Dinge der Medizin, die kenne ich ja schon. Mir geht es hier gut."
Kenth engagiert sich mittlerweile sozial, sorgt mit Aktionen, Vorträgen und seinem Internetauftritt für Aufklärung und Mut rund um das Thema Herz. Und für Unterstützung, zum Beispiel bei Benefiz-Turnieren. Eines davon lief im Sommer in Hannover, der 8. Lions Cup zugunsten des Vereins Kinderherz Hannover e. V. , mit dem die Kinderkardiologie der Medizinischen Hochschule Hannover unterstützt wurde – als Schiedsrichter mittendrin natürlich Kenth Joite: "Ich bin dort seit einem Vierteljahrhundert Patient – da helfe ich gern!"
Dieses Engagement ist Kenth wichtig: "Es ist meine Botschaft für alle Herzkranken: Man muss sich nicht zu Hause verkriechen, man kann aktiv sein, solange es geht. Ich bin kein Freund einer 'Ich-bin-krank-Mentalität'. Lasst uns am Leben teilnehmen."
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