Es gibt einige von ihnen, von den Vereinen, die einst für kurze Zeit im Scheinwerferlicht der Bundesliga standen und heute im Amateurbereich zu Hause sind. Die Fanszene solcher Vereine bleibt oft recht groß und aktiv. Ein Beispiel ist der SSV Reutlingen. Vor gut zehn Jahren spielten die Schwaben noch eine gute Rolle in der 2. Bundesliga. Trainer waren damals unter anderen Armin Veh und der heutige DFB-Chefausbilder Frank Wormuth. Heute heißt der Trainer des SSV Robert Hofacker. Seine Mannschaft spielt in der Oberliga Baden-Württemberg. Begleitet werden die Reutlinger nach wie vor von ihren Fans um die Ultra-Gruppierung „Szene E“. Darum gibt es beim SSV noch immer die Position des Fanbeauftragten, besser gesagt: der Fanbeauftragten. Der Posten ist mit einer Frau besetzt – eine Seltenheit, vor allem im Amateurfußball. Sabrina Bietz-Pannier (33) kümmert sich seit sieben Jahren um die Belange der SSV-Anhänger.
„Damals hatte mein heutiger Ehemann diesen Job“, erzählt sie. „Ich habe ihn im Hintergrund unterstützt und seitdem er dem Aufsichtsrat angehört, habe ich die Aufgabe komplett übernommen.“ Auch als Ehrenamtsbeauftragte ist sie für ihren Klub tätig.
Bietz-Pannier steht jetzt im Zentrum. Sie ist die Schnittstelle zwischen dem Verein und den Fans. Rund um die Spiele arbeitet sie außerdem mit der Polizei und dem gegnerischen Verein zusammen. Eine solche Aufgabe bringt viele Gespräche mit sich. „Da gibt es auch mal Diskussionen, die zu keinem richtigen Ergebnis führen wollen und mich verzweifeln lassen“, sagt die gelernte Altenpflegerin. „Da will man manchmal alles hinschmeißen.“ Diese Gedanken verfliegen aber schnell wieder.
Mit einem Praktikum beim VfB Stuttgart fing alles an
"Es gibt auch mal Diskussionen, die mich verzweifeln lassen"
Ihre ersten Erfahrungen hat Bietz-Pannier in Stuttgart gemacht. Die Fanfreundschaft zwischen dem SSV Reutlingen und dem VfB brachte sie als Praktikantin in die Bundesliga. Bei einem Spiel gegen den FC Schalke 04 gehörte sie zum Team der Stuttgarter und trug ihren Teil zu einem ruhigen Fußballnachmittag bei. Auch aus dieser Erfahrung heraus setzt sich Reutlingens Fanbeauftragte bei brisanten Spielen ihres Klubs wie dem Derby gegen den SSV Ulm für ein sogenanntes „Kurvengespräch“ ein. Dabei kommen in der Halbzeit die Fanbeauftragten beider Vereine mit dem Veranstalter und der Polizei zusammen, um den bisherigen Verlauf zu analysieren.
Sabrina Bietz-Pannier hat auch schon unschöne Dinge erlebt. Pfefferspray im Gesicht, einen Hieb mit einem Schlagstock. Wenn es brenzlig wird, ist die 33-Jährige oft mittendrin und kann auch schon mal zwischen die Fronten geraten. Einmal wurde ihr sogar ein brennender Bengalo an die Brust geworfen. Dabei die Ruhe zu bewahren, ist nicht leicht. „Natürlich bin ich auch emotional - vielleicht manchmal etwas mehr, weil ich eine Frau bin“, sagt sie mit einem Augenzwinkern.
Als Fanbeauftragte ist Sabrina Bietz-Pannier in ständigem Kontakt mit den aktiven Anhängern des SSV. 1100 Zuschauer kommen im Schnitt zu den Heimspielen des Oberligisten, das Derby in Ulm lockte 2800 Besucher an. „Mein Kontakt zu unseren Fans ist gut und weil ich über 90 Prozent auch mit Namen kenne, ist die Arbeit vertrauensvoll und macht Spaß.“ Diesen Vorteil können viele ihrer Kollegen bei Profivereinen nicht genießen. Dort ist die Anonymität im eigenen Fanblock allein aufgrund der Masse deutlich größer. „Das kann man nicht vergleichen“, unterstreicht Bietz-Pannier: „Die Aufgaben sind ganz andere.“
Autor/-in: Christoph Pieper