Kremer über Flut: "Vereinsleben hat gelitten"

Anne-Kathrine Kremer war in ihrer aktiven Fußballkarriere Torhüterin des 1. FFC Frankfurt und 1. FC Köln in der Frauen-Bundesliga. Heute ist die A-Lizenz-Inhaberin Cheftrainerin des SC 13 Bad Neuenahr in der Frauen-Regionalliga Südwest und steht mit ihrer Mannschaft trotz schwieriger Bedingungen auf dem dritten Tabellenplatz. Im FUSSBALL.DE-Interview spricht sie über den A-Lizenz-Lehrgang und die Situation, eine Mannschaft im Flutgebiet zu trainieren.

FUSSBALL.DE: Frau Kremer, Sie haben im vergangenen Jahr als einzige Frau im Lehrgang die A-Lizenz erworben und wurden dabei durch ein Stipendium unterstützt. Wie kam es dazu?

Anne-Kathrine Kremer: Als ich mich letztes Jahr im April für den A-Lizenz-Lehrgang beworben habe, gab es direkt die Information, dass Frauen sich für ein von der DFL organisiertes bewerben können, mit dem Ziel mehr Frauen das Absolvieren einer Trainerlizenz zu ermöglichen. Kurze Zeit später habe ich dann die Information von der DFL und dem DFB, die das gemeinsam organisiert haben, bekommen, dass die Kosten für meine Lizenz von der Entain Group übernommen werden, wofür ich allen Beteiligten sehr dankbar bin.

Wie war es für Sie, als einzige Frau am Lehrgang teilzunehmen?

"Ich glaube, manche Männer wussten nicht, dass wir Frauen uns auf dem Fußballplatz genauso abklatschen"

Kremer:  Zu Beginn der Einheiten eröffnete Markus Reiter seinen Vortrag immer mit einer direkten Ansprache: "Anka, Männer." Da habe ich mich jedes Mal kurz erschreckt und mir dann schon manchmal gedacht, dass es ganz cool wäre, wenn noch eine oder mehrere weitere Frauen am Lehrgang teilgenommen hätten. Es war so aber auch völlig in Ordnung. Die Herren waren immer alle sehr zuvorkommend, haben mir oft die Tür aufgehalten oder zur Begrüßung ein bisschen zu vorsichtig die Hand gegeben. Ich glaube, manche Männer wussten nicht, dass wir Frauen uns auf dem Fußballplatz genauso "abklatschen", wie es die Herren-Mannschaften tun. Fußballerisch war das Niveau schon hoch, da hätte ich zu Zeiten meiner aktiven Karriere gut mitmachen können, aber jetzt einige Jahre danach war das schon schwieriger. Ich habe dann einfach mitgespielt, wenn es gepasst hat und ansonsten von außen mitgewirkt.

Wie fällt Ihr Fazit zum A-Lizenz-Lehrgang aus?

Kremer:  Ich finde, dass Markus Reiter, Ralf Peter und Claire Schulz das wirklich gut gemacht haben. Der Ansatz, das eigene Verhalten zu reflektieren, hat mir absolut zugesagt und bei den Lehrgängen sehr gut funktioniert. Im Trainer-Tagesgeschäft ist man immer damit beschäftigt, die eigenen Entscheidungen und das Training zu reflektieren und die Leistungen von Spielerinnen zu bewerten. Das hat mir im Nachhinein viel geholfen und mich weiterentwickelt.

Der Verein, den Sie trainieren, befindet sich im Gebiet der Flutkatastrophe aus dem Juli 2021. Inwiefern sind noch Auswirkungen in Ihrem Verein zu spüren? 

Kremer:  Vor der Flut hatten wir für zwei Vereine, also für uns und den Ahrweiler BC, zwei Trainingsplätze. Im Moment haben wir einen Trainingsplatz für drei Vereine, weil erst einer wieder aufgebaut wurde. Dadurch haben wir weniger Trainingszeit zur Verfügung und weichen für eine Trainingseinheit pro Woche noch auf ein Kleinspielfeld de SC Bad Bodendorf aus, das uns der Verein freundlicherweise zur Verfügung stellt. Auch unsere Heimspiele müssen wir in Mayen austragen, was 45 Minuten mit dem Auto von unserem eigentlichen Stadion in Bad Neuenahr entfernt ist. Auch ein Besprechungsraum für Video-Analysen fehlt uns. Wir hatten jetzt eine Zeit lang ein Zelt des ASB, was wir dafür nutzen konnten, jedoch wird dieses Zelt jetzt auch bald wieder abgebaut und bisher haben wir noch keine Ersatz-Räumlichkeit. Auch das Vereinsleben hat darunter gelitten, dass wir keinen gemeinsamen Raum haben und die Mannschaften an unterschiedlichen Standorten trainiert und gespielt haben. Da sind wir jetzt durch die gemeinsamen Trainingseinheiten wieder auf einem guten Weg. Die Verzahnung von erster und zweiter Mannschaft stellt uns aber immer noch vor eine große Herausforderung. Spielerinnen, die bei uns nicht zum Einsatz kommen, würden normalerweise anschließend beim Spiel der zweiten Mannschaft mitspielen, jedoch lässt sich das schwierig umsetzen, wenn zwischen den Heimspielorten eine 45-minütige Autofahrt liegt. Eventuell dürfen wir dann auch ab September wieder im Apollinaris-Stadion in Bad Neuenahr spielen und ein zweiter Trainingsplatz wird ebenfalls gerade fertiggestellt. Die Stadt Bad Neuenahr ist sehr bemüht und gibt ihr Bestes. Die Aussichten machen Hoffnung für die nähere Zukunft.

Wie ordnen Sie die laufende Saison ein? Welche Ziele mit der Mannschaft haben Sie für die nächste Spielzeit?

Kremer:  Also für die Umstände, unter denen wir trainieren und spielen, ist das eine überragende Saison. In der Hinrunde haben wir 30 von möglichen 33 Punkten geholt und nur gegen Mainz 05 verloren, das, was die finanziellen Möglichkeiten und die Infrastruktur angeht, in einer ganz anderen Liga spielt als wir. Leider haben wir zu Beginn der Rückserie eine bittere 3:4-Niederlage in Saarbrücken einstecken müssen, bei der wir das entscheidende Tor in der 97. Minute gefangen haben. Auch die für uns unerklärliche Niederlage beim zu diesem Zeitpunkt Tabellenletzten TuS Wörrstadt kurz darauf war ein herber Dämpfer. Mit der Rückrunde können wir nicht zufrieden sein. Trotzdem befinden wir uns aktuell auf dem dritten Tabellenplatz, womit wir hochzufrieden sind und wo wir bis zum Saisonende auch bleiben wollen. Unser Fokus richtet sich jetzt voll auf das am Wochenende anstehende Rheinlandpokalhalbfinale. Mit dem Thema "Saisonziele aussprechen" habe ich in der Vergangenheit keine guten Erfahrungen gemacht, weshalb wir die nächste Saison mit der gleichen Fußball-Floskel angehen wollen, wie wir es auch diese Saison getan haben: Jedes Spiel drei Punkte holen.

Und Ihre persönlichen Ziele für Ihre Trainerkarriere?

Kremer:  Es reizt mich schon, irgendwann vielleicht den Schritt zu einem Lizenzverein oder einem gut organisierten Verband zu wagen, aber das kommt ganz auf das Gesamtpaket an. Die neue Aufgabe muss meinem Wertesystem entsprechen – so wie es in Bad Neuenahr der Fall ist. Dann schließe ich nichts aus.