Eigentlich sind allein schon ihre Zahlen eindrucksvoll genug. In der Berlin-Liga erzielte Marta Stodulska in 26 Partien für den Tabellendritten FC Internationale nicht weniger als 67 Tore. Der Gewinn der Torjägerkanone für alle in der 4. Liga ist der 29 Jahre alten Vollblutstürmerin, die nach aktuellem Stand fast doppelt so viele Treffer wie ihre erste Verfolgerin Elly Böttcher (34 Saisontore für den 1. FC Neubrandenburg 04) erzielt hat, schon so gut wie sicher.
Zum Vergleich: Vor einem Jahr reichten Lyn Meyer (Eintracht Braunschweig) 46 Treffer, um sich die Torjägerkanone zu schnappen. Die bisherige Bestmarke von Hannah Paulini (Eimsbütteler TV/58 Tore) ist ebenfalls schon jetzt übertroffen. Dabei bleiben Marta Stodulska, die im Hauptberuf als Filialmitarbeiterin für den Verleih von Baumaschinen zuständig ist, bis zum Saisonende drei weitere Partien, um ihren Rekord noch auszubauen.
Kleiner Sensor am Arm
"Ich danke vor allem meinen Mitspielerinnen, die mir die Vorlagen geben", gibt sich die außerhalb des Platzes eher zurückhaltende Marta Stodulska im Gespräch mit FUSSBALL.DE mit Blick auf ihre Trefferquote äußerst bescheiden. "Mein Team ist cool und ich erledige vor dem gegnerischen Tor nur meinen Job."
"Ich möchte anderen Menschen Mut machen und zeigen, dass man trotz Krankheit Leistung bringen kann"
Dass die Polin, die einst für ihr Heimatland sämtliche Junioren-Nationalmannschaften durchlief und auch drei Länderspiele für das A-Team der Frauen bestritt, überhaupt noch Fußball spielt, ist alles andere als selbstverständlich. Während der Corona-Pause war die abschlussstarke Angreiferin, die noch bis 2019 für ihren "Herzensverein" 1. FC Union Berlin in der Frauen-Regionalliga Nordost auf Torejagd ging, an Diabetes erkrankt und musste im Krankenhaus behandelt werden. Es folgten mehrere gesundheitliche Rückschläge, die zu einer fast dreijährigen Fußballpause führten.
"Es hat einige Zeit gedauert, bis ich wieder zu Kräften gekommen bin", sagt Stodulska, die nicht so gerne im Mittelpunkt steht und deshalb auch nur ungern über ihre Krankheit spricht. Während der aktuell laufenden DFB Women's Week (3. bis 13. Mai) macht sie allerdings zumindest eine kleine Ausnahme. "Ich bin einfach glücklich, dass ich noch Fußball spielen, meiner Mannschaft helfen und Tore schießen kann", so die Torjägerin über ihr Handicap. "Ich möchte anderen Menschen Mut machen und zeigen, dass man trotz Krankheit Leistung bringen kann."
Um bei den Trainingseinheiten und bei den Spielen kein Risiko einzugehen, trägt Marta Stodulska immer einen kleinen Sensor am Arm. Damit wird der Blutzuckerspiegel gemessen. "Mein Handy, das per App mit dem Sensor verbunden ist, liegt immer bei meinem Trainer Roman Kassarnig am Spielfeldrand, damit wir reagieren können, wenn eine Meldung kommt, dass mit den Werten etwas nicht stimmt." Eventuell notwendige Insulinspritzen hat Marta Stodulska stets in der Sporttasche dabei.
Vizemeisterschaft als Ziel
{{photo.caption}}
{{photo.copyright}}
Trainer Kassarnig spielte auch eine Hauptrolle beim Comeback seiner Torgarantin. "Erst während der abgelaufenen Spielzeit bin ich im Saisonfinale erstmals für den FC Internationale Berlin aufgelaufen und habe dabei in fünf Spielen acht Treffer erzielt", formuliert Marta Stodulska im Rückblick und lacht. "Unserem Trainer fehlte damals eine Stürmerin. Er hat mich überredet, wieder auf Torejagd zu gehen. Das klappt bis jetzt ganz gut."
In der Tat: Mit ihren 67 Toren hat Stodulska mehr als die Hälfte (exakt 53,17 Prozent) der insgesamt 126 Treffer ihres Teams erzielt. Damit hat sie entscheidenden Anteil daran, dass im Saisonendspurt zumindest die Vizemeisterschaft noch möglich ist. Lediglich zwei Punkte beträgt der Rückstand auf den früheren Zweitligisten Blau-Weiß Hohen Neuendorf. Das direkte Duell mit den Brandenburgerinnen steht zum Saisonfinale (Sonntag, 26. Mai) noch an, so dass der Sprung auf Platz zwei hinter der unbesiegten U 23 des 1. FC Union Berlin aus eigener Kraft möglich ist. "Es wäre auf jeden Fall ein großer Erfolg für uns, die Spielzeit auf Platz zwei zu beenden", betont Marta Stodulska.
"Ich mache mir keinen Druck"
Was ihre persönlichen Ambitionen angeht, verhehlt sie nicht, dass "der Gewinn der Torjägerkanone schon etwas Besonderes für mich wäre. Ich habe schließlich noch nie eine solche oder ähnliche Auszeichnung bekommen". Schnell fügt sie jedoch hinzu: "Ich mache mir keinen Druck. Tore zu schießen, ist meine Aufgabe, die ich immer so gut wie möglich erfüllen möchte. Nicht mehr und nicht weniger."
Ihr Erfolgsrezept beschreibt Marta Stodulska, deren Familie in Polen ganz in der Nähe von Lodz zu Hause ist (etwa viereinhalb Autostunden von der deutschen Hauptstadt entfernt), so nüchtern wie (vermeintlich) einfach: "Wenn ich den Ball bekomme, dann will ich ihn auch im gegnerischen Tor unterbringen."
In den nächsten Wochen wird sich Marta Stodulska - unter anderem bei ausgedehnten Spaziergängen mit ihren beiden Hunden - intensiv darüber Gedanken machen, ob sie trotz ihrer beruflichen Belastungen ("Ich bin zeitlich schon stark eingebunden") auch in der nächsten Saison weiter am Ball bleibt. "Ich bin noch unentschlossen, ob es nach dieser Saison weitergeht", sagt sie. "Meine Entscheidung werde ich wohl nach unserem letzten Spiel treffen."
Klar ist allerdings schon, dass sie auch in Zukunft nach Möglichkeit kein Heimspiel des 1. FC Union Berlin verpassen wird. Aber nicht nur an der "Alten Försterei", sondern bei Gelegenheit auch auswärts unterstützt sie "ihren" Klub als Fan. So wird Stodulska am kommenden Samstag, 11. Mai (ab 15.30 Uhr), im Kellerduell beim 1. FC Köln kräftig die Daumen drücken, um nur einen Tag später wieder in der Berlin-Liga für den FC Internationale gegen SFC Stern 1900 zu stürmen.
Autor/-in: Peter Haidinger/MSPW