Eigentlich schaut Stefan Zeidan ungern zurück. Zu sehr hat er die Zukunft im Blick. Wenn es aber um die Saison 2008/2009 und den Aufstieg der SG 2000 Mülheim-Kärlich in die Rheinlandliga geht, macht der 26-Jährige gerne eine Ausnahme. Der gebürtige Koblenzer gehörte vor fünf Jahren dem Spielerkader seines Heimatvereins an – und das, obwohl er Zeit seines Lebens auf den Rollstuhl angewiesen ist.
Stefan Zeidan kommt als Frühchen auf die Welt. Sauerstoffmangel während der Geburt führt zur spastischen Lähmung beider Beine. Was damals ein Schock für die Familie war, wird heute von dem Betroffenen mit einer gewissen Leichtigkeit gelebt. Der sportbegeisterte Stefan Zeidan geht offen mit seiner Behinderung um.
Für ihn gehöre dieser Aspekt einfach zum Leben dazu, erklärt Stefan Zeidan, der zusammen mit seinen Eltern in Mülheim-Kärlich lebt. Während er wochentags in einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung arbeitet, dreht sich am Wochenende beim Fan des 1. FC Kaiserslautern alles um das Eine. „Fußball füllt mein Leben aus, schließlich verbringe ich damit die meiste Zeit“, sagt er. Für ihn geht es in den 90 Minuten um weitaus mehr als nur um Tore und schöne Spielzüge. „Der Fußball verbindet und führt die Menschen zusammen. Dies immer wieder im Stadion hautnah erleben zu dürfen, ist einfach ein unbeschreibliches Gefühl.“
Erstmals auf dem Betzenberg
„Ich möchte für andere ein Vorbild sein und aufzeigen, dass alles möglich ist, wenn man nur fest an sich glaubt.“
An sein erstes Spiel auf dem Betzenberg kann er sich noch gut erinnern. Mit gerade einmal zehn Jahren sah er den FCK zum ersten Mal live. Viele Fotos aus dieser Zeit finden sich heute in seinem Zimmer. Sie dokumentieren ein einschneidendes Erlebnis. Denn der Rollstuhlfahrer ist seither mit dem Fußballvirus infiziert. Für ihn ist seither klar, dass er seine Berufung im Fußballgeschäft sieht. Um dieses selbstgehegte Ziel auch tatsächlich zu erreichen, hat sich der Hobbyschwimmer über die Jahre auch von Rückschlägen nicht entmutigen lassen. Schließlich ist sich Zeidan sicher: „Ein Handicap sollte für Ziele und Träume kein Hindernis darstellen. Man muss dranbleiben, wenn man etwas erreichen will.“
Seine kommunikative Art kommt ihm dabei zugute. Er geht auf Funktionäre und Spieler selbstbewusst zu, knüpft schnell neue Kontakte und scheut sich auch nicht, über sein Schicksal zu sprechen. Noch immer trifft man ihn bei fast jedem Heimspiel der SG 2000 Mülheim-Kärlich an. Für Stefan Zeidan sind diese Besuche eine Herzensangelegenheit. „Hier hat alles angefangen. Den Verantwortlichen bin ich sehr dankbar dafür, dass sie mir trotz meiner Behinderung die Chance gegeben haben, mich sportlich und menschlich zu entfalten und meiner Fußballleidenschaft nachzugehen“, erklärt er.
Spielerpass bei Mühlheim-Kärlich
Mit seinem Klub erlebt er den Aufstieg in die Rheinlandliga in der Saison 2008/2009. „Sicherlich einer der schönsten Momente in meinem bisherigen Leben. Diese Erinnerung bleibt für immer abgespeichert“, sagt Stefan Zeidan. Und auch wenn er in besagter Spielzeit natürlich keine Sekunde aktiv auf dem Platz stand, so war er doch mittendrin statt nur dabei. „Ich bin seit Oktober 2008 im Besitz eines gültigen Spielerpasses und gehöre somit seither auch offiziell dem Spielerkader der SG Mülheim-Kärlich an“, berichtet er. Und fügt hinzu: „Diese Ehre wurde vor mir noch keinem anderen Rollstuhlfahrer im Rheinland zuteil. Darauf bin ich mächtig stolz.“
Vorbild Colin Bell
Ein Leben ohne den wöchentlichen Ausflug zu den Fußballplätzen der Region kann sich Stefan Zeidan inzwischen gar nicht mehr vorstellen. „Der Amateurfußball ist mir in all den Jahren ans Herz gewachsen. Hier ist alles familiär. Man sitzt in geselliger Runde zusammen und schaut sich gemeinsam mit Freunden die Partien an“, schwärmt der Fußballromantiker, der seit 2005 zudem Fanbeauftragter bei der SG Mülheim-Kärlich ist.
Obwohl der Verein nur sechstklassig spielt, gibt es trotzdem immer etwas zu tun. „Ich bin der erste Ansprechpartner für alle SG-Anhänger. Bei wichtigen Anliegen kommen sie direkt auf mich zu. Außerdem organisiere ich auch Busfahrten zu den Auswärtsspielen“, erklärt Stefan Zeidan, dessen großes Vorbild im Übrigen Colin Bell ist. Der Trainer des 1. FFC Frankfurt sei für ihn jemand, der „alles, was er sich vornimmt, auch zu Ende führt. Mir imponiert besonders, dass er seine Ziele bisher immer erreicht hat. Dass Menschen wie Colin Bell in mein Leben getreten sind, ist ein großes Geschenk.“
Ausbildung zum Vereinsmanager
Als Stefan Zeidan vor einigen Jahren seinen großen Traum vom Erwerb der Trainerlizenz aufgrund seiner Behinderung vorerst begraben musste, war es Colin Bell, der ihn ermunterte, eine Ausbildung zum DFB-Vereinsmanager zu absolvieren. Manager statt Trainer? Für den Rollstuhlfahrer eigentlich nur ein schwacher Trost. Zu allem Überfluss gestalteten sich die ersten Lerneinheiten dann auch noch unerwartet schwierig. „Finanzierung eines Fußballklubs, Steuer- und Vereinsrecht – unter den Themenblöcken waren schon einige ziemlich harte Brocken dabei“, erinnert sich Stefan Zeidan.
Doch das Wort „aufgeben“ kommt in seinem Vokabular nicht vor. Zu Beginn des vergangenen Jahres legte er schließlich die Abschlussprüfung zum DFB-Vereinsmanager C erfolgreich ab, um nur wenige Monate später dem Ruf der SG Eintracht Mendig/Bell zu folgen.
Der Traum lebt
In seinem Freundeskreis wird Stefan Zeidan übrigens „Mr. Unabsteigbar“ genannt. Allerdings steht der Titel auf dem Prüfstand. Die SG Eintracht Mendig/Bell ist in die neue Spielzeit nur schleppend gestartet. „Leider sieht es momentan tatsächlich nicht so gut aus. Aber ich stehe hinter der Mannschaft und glaube, dass wir gemeinsam den Klassenerhalt erreichen werden“, gibt er sich zuversichtlich.
Für ihn persönlich ist mit dem erworbenen Schein zum DFB-Vereinsmanager C gewiss noch längst nicht das Ende der Fahnenstange erreicht. Peu à peu will er auch zukünftig seinen Erfahrungsschatz erweitern. Dazu passt, dass Stefan Zeidan erst kürzlich die Bestätigung bekommen hat, dass er am Lehrgang zum C-Trainerschein teilnehmen darf. „Da ich beim praktischen Teil der Ausbildung nicht mitmachen kann, würde ich zwar keine Lizenz erhalten. Trotzdem dürfte ich bei einer erfolgreichen Teilnahme mit einer Art Trainerzertifikat zumindest übergangsweise und zeitlich beschränkt als so genannter ‚Aushilfstrainer‘ fungieren“, berichtet der Fußballfachmann erwartungsvoll. „Damit bin ich meinem Traum, eines Tages vielleicht doch noch Trainer zu werden, einen Schritt näher gekommen.“ Bei allem Ehrgeiz geht es für Stefan Zeidan aber immer auch darum, mit seiner bewegenden Geschichte anderen Mut zu machen: „Ich möchte für andere ein Vorbild sein und aufzeigen, dass alles möglich ist, wenn man nur fest an sich glaubt.“
Autor/-in: Dennis Smandzich