Sobotzik: Fast in Frankfurt, nun in Chemnitz

Der Traditionsverein Chemnitzer FC startet nach dem Abstieg aus der 3. Liga und dem Antrag auf die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in der Regionalliga Nordost einen Neuanfang - mit einer neuen Vereinsführung und einem beinahe komplett neuen Kader. Als Vorstand Sport und Finanzen soll der 135-malige Bundesligaprofi Thomas Sobotzik (unter anderem Eintracht Frankfurt und 1. FC Kaiserslautern) dabei helfen, den CFC sportlich und wirtschaftlich wieder besser aufzustellen.

Im FUSSBALL.DE -Interview spricht der 43-jährige Sobotzik, der für die Traditionsmannschaft von DFB-Pokalsieger Eintracht Frankfurt hin und wieder noch selbst am Ball ist, über die Zeit nach seinem Karriereende 2009, seine Pläne mit dem Chemnitzer FC und die WM in Russland.

FUSSBALL.DE: Nach Ihrer Profilaufbahn hatten Sie zunächst mit einem Partner ein Personaldienstleistungsunternehmen gegründet, von dem Sie 2015 Ihre Anteile verkauften. Hatten Sie zunächst eine Karriere außerhalb des Fußballs geplant, Herr Sobotzik?

Thomas Sobotzik: Nein. Es war vielmehr immer mein Ziel, bei einem Fußballklub im Management zu arbeiten. Dass so etwas aber nicht immer von jetzt auf gleich geht, war mir bewusst. Deshalb bin ich zunächst in die freie Wirtschaft gegangen und habe mich bei einem Personaldienstleistungsunternehmen engagiert. Es lief sehr gut, wir haben später einen jährlichen Umsatz von siebeinhalb Millionen Euro gemacht. Nach so vielen Jahren abseits des Fußballgeschäfts hat es dann aber wieder gekribbelt. Ich wollte mich unbedingt wieder tagtäglich mit dem Sport auseinandersetzen und habe deshalb meine Anteile verkauft.

"Klar ist, dass der Verein dauerhaft nur überleben kann, wenn er in die 3. Liga zurückkehrt"

Wie ging es danach weiter?

Sobotzik: Ich bin viel gereist und habe bei mehreren Klubs hospitiert - unter anderem bei großen Vereinen wie Atletico Madrid, der TSG 1899 Hoffenheim oder dem siebenmaligen polnischen Meister Lech Posen. Außerdem war ich aber vor allem auch bei kleineren Vereinen zu Gast, die trotz wirtschaftlich schlechter Rahmenbedingungen sportlich erfolgreich sind - wo also aus wenig viel gemacht wird.

2016 wären Sie fast Manager bei Eintracht Frankfurt geworden!

Sobotzik: Korrekt. In einem sechsmonatigen Bewerbungsverfahren bin ich bis ins Finale gekommen und konnte mich bis dahin gegen namhafte Konkurrenten durchsetzen. Letztlich hat sich die Eintracht dann aber für Fredi Bobic entschieden.

Wie groß war bei Ihnen die Enttäuschung?

Sobotzik: Sicher hätte ich den Job gerne übernommen. Aber dass ich es überhaupt soweit geschafft und einen Managerposten bei einem Bundesligisten nur knapp verpasst habe, hat mich noch einmal darin bestärkt, dass dies der richtige Weg für mich ist und ich definitiv in diesem Bereich arbeiten möchte.

Jetzt sind Sie neuer Vorstand Sport und Finanzen beim Drittligaabsteiger Chemnitzer FC. Wie kam es zu Ihrem Engagement?

Sobotzik: Klaus Siemon, Insolvenzverwalter des Vereins, hat mich kontaktiert und in seine Kanzlei eingeladen. Ich habe mich vorgestellt und ihm mein Konzept vorgelegt. Wir waren schnell auf einer Wellenlänge und man hat von Beginn an gemerkt, dass es passt.

Was reizt Sie an dem Job?

Sobotzik: Der Chemnitzer FC ist ein Klub mit großer Tradition, einem hochmodernen Stadion und einer hervorragenden Infrastruktur. Nach der angemeldeten Insolvenz und dem Abstieg aus der 3. Liga liegt der Verein am Boden. Ich habe große Lust darauf, mich der Herausforderung zu stellen, den CFC wieder auf solide Beine zu stellen. Es ist eine einmalige Chance, dabei mitzuhelfen, einen so großen Verein wirtschaftlich und sportlich neu aufzustellen.

In Ihrer Position tragen Sie eine große Verantwortung und sind nicht nur für die sportlichen Belange, sondern beispielsweise auch für das Marketing zuständig. Über zu wenig Arbeit werden Sie sich in den kommenden Monaten vermutlich nicht beklagen können, oder?

Sobotzik: Das haben Sie aber charmant formuliert. (lacht) Es stimmt, für uns alle ist es eine Mammutaufgabe und es liegt sehr viel Arbeit vor uns.

Chemnitz startet in der Regionalliga Nordost einen Neuanfang. Wie geht es für den Verein weiter, was sind Ihre ersten Aufgaben?

Sobotzik: Zunächst einmal müssen wir eine Basis schaffen, mit der wir dann dazu in der Lage sind, weiter zu arbeiten. Die Fortsetzung des Geschäftsbetriebes ist nur mit einem ausgeglichenen Haushalt möglich. Das heißt: Es muss sichergestellt sein, dass wir unsere Ausgaben durch Einnahmen ausgleichen können. Unsere erste Aufgabe wird also sein, die Finanzen in den Griff zu bekommen. Dabei bauen wir auch auf die Unterstützung der Stadt und von Sponsoren, von denen rund 60 Prozent der Einkünfte kommen. Neue Partner zu gewinnen und sie für den Chemnitzer FC zu begeistern, wird in der nächsten Zeit ein wichtiger Baustein meiner Arbeit sein.

Wie lautet kurzfristig das sportliche Ziel?

Sobotzik: Wir möchten unseren Fans und Sponsoren so viele Siege wie möglich schenken. Viele Leute beim CFC und im Vereinsumfeld wissen nach der enttäuschenden Drittligasaison fast gar nicht mehr, wie es sich anfühlt, Spiele zu gewinnen. Wir wollen ihnen in einer für alle Beteiligten enorm schwierigen und herausfordernden Situation dieses Gefühl zurückgeben. Wo wir dann am Ende der Saison landen, wird man sehen. Ich hoffe erst einmal, dass wir in der Stadt, im Verein und bei den Fans nach der deprimierenden vergangenen Spielzeit mit neuen handelnden Personen im Vorstand und mit einem beinahe komplett neuen Kader für eine Aufbruchsstimmung sorgen können.

Fast die gesamte Mannschaft hat den Verein verlassen. Die beiden Führungsspieler Daniel Frahn und Dennis Grote bleiben dem CFC aber dennoch treu und gehen mit in die 4. Liga. Wie hoch ist Ihnen das anzurechnen?

Sobotzik: Beide haben betont, dass sie den CFC nicht verlassen wollen, und haben sich von Beginn an zum Verein bekannt. Da auch wir mit Daniel und Dennis unbedingt verlängern wollten, sind wir sehr froh, dass sie sich für einen Verbleib entschieden haben und wir weiter auf sie setzen können. Was die zahlreichen Abgänge angeht, möchte ich betonen, dass wir die meisten Spieler gar nicht halten wollten. Ein kompletter Neuanfang kann nur vollzogen werden, wenn auch der Großteil der Spieler neu ist.

Werden Frahn und Grote die zwei wichtigsten Säulen im neuen Kader sein?

Sobotzik: Sie bringen die perfekten Voraussetzungen mit, um in der Regionalliga wichtige Stützen des Teams zu werden. Beide identifizieren sich mit dem Verein und bringen reichlich Profierfahrung mit. Dennoch müssen auch sie erst einmal wieder Leistung zeigen. Vor allem darüber definiert sich, wer wichtig für uns ist.

Wie weit ist die Kaderplanung fortgeschritten?

Sobotzik: Wir sind sehr gut im Zeitplan, der Kader ist fast komplett. Zum Aufgebot gehören aktuell 18 Feldspieler und zwei Torhüter. Vor dem Saisonstart im Juli möchten wir bestenfalls noch einen Innenverteidiger, einen Rechtsverteidiger und einen dritten Torwart verpflichten.

Zumindest mittelfristig soll der Verein wieder zurück in den Profifußball geführt werden. Für welchen Zeitpunkt ist das ein realistisches Ziel?

Sobotzik: Klar ist, dass der Verein dauerhaft nur überleben kann, wenn er in die 3. Liga zurückkehrt. Allerdings wäre es vermessen, bereits jetzt von einem Wiederaufstieg zu reden. Weil in der kommenden Saison der Nordost-Meister direkt aufsteigt, rüsten viele Teams gerade enorm auf. Für uns gilt es erst einmal, in kleinen Schritten zu denken.

Während Sie mit Hochdruck an der Zukunft des Chemnitzer FC basteln, findet aktuell in Russland die WM 2018 statt. Bleibt Ihnen überhaupt Zeit, sich ein paar Spiele anzuschauen?

Sobotzik: Ich verfolge nicht alle Spiele, habe aber schon einige Partien gesehen. Deutschland gegen Mexiko habe ich mir beispielsweise angeschaut.

Wie lautet Ihr Fazit?

Sobotzik: Deutschland hat verdient verloren. In dieser Partie konnte man sehen, was alles möglich ist, wenn ein Team den unbedingten Willen hat, ein Spiel zu gewinnen und vom Anstoß bis zum Abpfiff absolut leidenschaftlich agiert.

Wem drücken Sie bei der WM die Daumen und wer ist Ihr Titelfavorit?

Sobotzik: Ich hoffe, dass sowohl Deutschland als auch mein Heimatland Polen weit kommen. Dem DFB-Team traue ich trotz der Auftaktniederlage weiterhin zu, den Titel zu verteidigen. Weitere Favoriten sind Brasilien, Argentinien und Frankreich. Und vielleicht hat sogar Kroatien Chancen auf den WM-Triumph.