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Trophäensammlung: Ausgezeichnet wurden die Nachwuchs-Schiedsrichter des Jahres am DFB-Campus.[Foto: Yuliia Perekopaiko/DFB]
Immer Schwarzmalen ist auch nicht richtig. Die Dauerkrise beim Schiedsrichter-Nachwuchs jedenfalls scheint beendet. Bis Ende des Jahres werden für den Wettbewerbsfußball in Deutschland mehrere tausend neue Schiedsrichter*innen bereitstehen. Redakteur Thomas Hackbarth sprach mit dem Hamburger Ben Henry Uhrig und der Saarländerin Paula Mayer, die gerade als Deutschlands beste Nachwuchs-Schiris geehrt wurden, über ihre Anfänge und warum sie noch lange dabeibleiben möchten. Man einigte sich auf das "Unter-Sportlern-Du".
FUSSBALL.DE: Ben, wann und vor allem warum hast Du angefangen?
Ben Uhrig: Das war 2014. Bei meinem damaligen Verein SC Sternschanze wurden Schiedsrichter gesucht. Selbst gespielt hatte ich auch, aber nicht so gut, höchstens in der Bezirksliga. Ich dachte immer, ich sei ein besserer Fußballer als ich es tatsächlich war.
Und wie war es bei Dir, Paula?
"Das war eine riesige Ehre, da bin ich aus dem Lächeln gar nicht mehr rausgekommen"
Paula Mayer: Im März 2016 habe ich meinen Schein gemacht. Es gab ein Spiel, da war ich mit der SR-Leistung unzufrieden. Damals war ich 13 Jahre alt und durfte noch nicht. Knapp zwei Jahre später las meine Mutter in der Zeitung von einem SR-Lehrgang. Ich habe damals etwa 10 Euro pro Spiel bekommen, das war in dem Alter ein nettes Taschengeld. Als ich dann anfing, die Aktiven zu pfeifen, lagen oft beide Spiele am gleichen Tag, so dass ich mich mit 19 dazu entschied, mich auf die SR-Tätigkeit zu konzentrieren.
Wann wusstet ihr, als Schiedsrichter*in könnte mein Weg in höhere Ligen führen?
Mayer: Es hat zwei Jahre gedauert, bis ich das erste Aktivenspiel geleitet habe. Bei den Frauen ging mein Aufstieg insgesamt etwas schneller. Zunächst wurde ich als Assistentin in der B-Juniorinnen-Bundesliga eingesetzt, dann als Assistentin in der 2. Frauenbundesliga. Anschließend bin ich über die B Juniorinnen Bundesliga nun als Hauptschiedsrichterin in die 2. Bundesliga aufgestiegen. Jetzt heißt es erstmal in der Liga ankommen. Ich bin gespannt, wohin die Reise geht.
Uhrig: Als ich gemerkt habe, dass ich mehr Talent als Schiedsrichter mitbringe, habe ich mich auch für den Weg entschieden. Das dauerte nicht mal ein Jahr. Ich war dann häufig als Linienrichter im Einsatz und konnte mir abschauen, wie man es macht. In der Frauen-Oberliga habe ich dann erstmals ein Spiel im Gespann geleitet. Bei den Männern stieg ich in die Bezirksliga auf und schnell folgte der nächste Aufstieg in den Verband. Es folgten in der Saison 2018/19 die Landesliga als Schiedsrichter und die Junioren-Bundesliga als Schiedsrichterassistent. Zweieinhalb Jahre habe ich bei den Männern Oberliga gepfiffen. Und seit Beginn dieser Saison werde ich in der Regionalliga eingesetzt. Der Höhepunkt war dann das A-Junioren-Finale zwischen dem 1. FSV Mainz 05 und Borussia Dortmund vor knapp 16.000 Zuschauern.
Ben, Markus Merk hielt bei der Preisverleihung die Laudatio auf dich und lobte, wie du beim A-Junioren-Finale ohne übertriebene Gestik klar Entscheidungen getroffen hast. Merk nannte deine Leistung an diesem Tag in Mainz ein Statement.
Uhrig: Das war eine riesige Ehre, da bin ich aus dem Lächeln gar nicht mehr rausgekommen. Markus Merk kennt in der Schiedsrichterei jeder. Er war das Nonplusultra, bis heute schauen wir alle ein bisschen hoch zu ihm. Wenn er dann solche Worte für einen findet, ist das schon etwas ganz Besonderes.
War das damals in Mainz vor knapp 16.000 Zuschauern die bislang größte Kulisse für dich?
Uhrig: Ja. Ich war mit meinem festen Team im Einsatz, wir haben unsere Routineabläufe, das hat mich sehr beruhigt.
Mit dem Aufstieg in die höheren Ligen wird das Spiel immer schneller, andererseits läuft das Spiel strukturierter und disziplinierter. Ist das eine richtige Beobachtung oder wie beurteilst du die Veränderungen mit dem Aufstieg als Schiedsrichter?
Uhrig: Das Tempo wird höher, dafür wird mehr Wert auf Sicherheit gelegt. Die Plätze und Stadien werden immer besser. Alles rund um den Schiri ist besser organisiert. Je höher ich kam, desto weniger fühlte ich mich etwa durch pöbelnde Zuschauer bedroht.
Paula, wie verlief bei dir der Aufstieg durch die Ligen?
Mayer: Je höher die Liga, desto schneller, aber auch qualitativer wird der Fußball. Man kann viel besser antizipieren, wo der Ball hinwandern wird. Gerade bei den Herrenspielen hilft es mir, zu Antizipieren und schon eine halbe Sekunde vorher loszulaufen, so dass ich bei der nächsten Situation richtig stehe und diese bewerten kann.
Gab es irgendwann das peinliche Chauvigehabe?
Mayer: Bei den Frauenspielen ist es normal, dass ein rein weibliches Gespann auftaucht. Als ich mit meinem festen Gespann der 2. Liga probeweise im August in der Saarlandliga, der höchsten Herrenspielklasse bei uns im Verband, gemeinsam das Spiel Mettlach gegen Reisbach geleitet habe, merkte man schon während des Aufwärmens die Blicke im Rücken und wie getuschelt wird, "drei Frauen, können die es?". Bei einem Männerspiel musst du in den ersten zehn Minuten deine Frau stehen. Die Jungs testen erstmal die Grenzen aus. Aber ganz ehrlich, das machen sie bei meinen männlichen Kollegen genauso.
Wie schwierig war der Wechsel vom Einzelschiedsrichter zum Leiter eines Gespanns?
Uhrig: Es wird ein Teamsport. Im eingespielten Gespann sind die Abläufe ganz klar, wie in einer Fußballmannschaft. Jeder kennt seine Aufgabe und jeder leistet seinen Teil zu einer erfolgreichen Spielleitung. Auch die Umstellung auf das Headset war anfangs irritierend. Man muss festlegen, wie viel Input man haben möchte. Zu viel verwirrt oder bringt nichts. Wir haben einen Testlauf gemacht, damit wir vorbereitet in die Saison starten konnten. Viele Fans wissen nicht, wie viel Vorbereitung dahintersteckt. In der Regionalliga wie auch in der Junioren-Bundesliga wird jedes Spiel gefilmt, die Aufzeichnung schauen wir uns als Gespann an und diskutieren nochmal die Entscheidung. Zudem habe ich einen Coach, mit dem ich mir die Schlüsselszenen vom letzten Spiel auch nochmal anschaue. Die neunzig Minuten auf dem Feld sind nur ein Teil der Aufgabe.
Mayer: Die Schiedsreichterei ist ein Teamsport. Klar, war es erstmal eine Umstellung, im Gespann zu leiten. Ich war dankbar, dass ich das Abseits abgeben konnte. In der 2. Bundesliga der Frauen pfeife ich mit Headset. Bei den Herren pfeife ich ohne. Aber wir haben ja auch die Funkfahnen. Allgemein habe ich lieber zu viel, wie zu wenig Input. Ich will beispielsweise auch hören, wenn etwas in meinem Rücken passiert, etwa wenn zwei Spielerinnen sich besonders gern haben ( lacht ).
Die Komplexität auch der technischen Abläufe ist den wenigsten Fans bewusst.
Mayer: Wenn man die Anzahl der Entscheidungen während eines Bundesligaspiels zählt, sind das ein paar hundert. Viele denken, es wären dauernd Schwarz-Weiß-Entscheidungen, aber so ist es definitiv nicht. Rund 80 Prozent der Entscheidungen liegen im Graubereich und damit im Ermessensspielraum der Schiedsrichterin. Allein durch die Vorteilsregel muss ich entscheiden, ob ich den Pfiff verzögere. Oft kennen Fans auch die Regeln nicht. Wer weiß denn, dass bei einem taktischen Foul die Gelbe Karte entfallen muss, wenn auf Vorteil entschieden wird?
Seid ihr erblich vorbelastet?
Uhrig: Nein, tatsächlich nicht, mit der Schiedsrichterei hatte bei mir aus der Familie niemand etwas am Hut.
Mayer: Wirklich gar nicht. Mein großer Bruder spielte Fußball, aber auch nur zwei Jahre lang. Es war Zufall, dass ich beim Fußball gelandet bin.
Du bist im Masterstudium Chemie. Wie schwer ist es, das anspruchsvolle Studium mit den Einsätzen als Schiedsrichterin zu vereinbaren?
Mayer: Genau. Nebenher arbeite ich noch als wissenschaftliche Hilfskraft, bin Lehrwartin der Gruppe und trainiere diese und kümmere mich um die Schiedsrichterinnen unseres Kreises. Ich denke es funktioniert, da ich ein sehr strukturierter Mensch bin und fast jede freie Minute durchgeplant ist. Wenn Leute mit mir einen Termin machen wollen und einen Blick in meinen Kalender werfen, sind sie meistens schockiert.
Und wann folgst du Bibiana Steinhaus und pfeifst in der 1. Bundesliga Männer?
Mayer: Ich konzentriere mich erstmal auf das, was ist. Ich muss erstmal in der 2. Bundesliga Frauen ankommen. Bei den Herren denke ich, dass die Oberliga ein realistisches Ziel ist. Ich konzentriere mich auf das nächste Spiel.
Ben, du bist mitten in der Ausbildung zum Kaufmann im Gesundheitswesen. Hilft es da, über die Aufgabe als Schiedsrichter in den höheren Ligen feste Einnahmen zu haben?
Uhrig: Auf jeden Fall. Ich bin von zuhause ausgezogen und zahle Miete. Andere Kellnern und ich kann über meine Aufgabe als Schiedsrichter meine Wohnung bezahlen und auch mal Essen gehen. Nur für das Geld macht man es trotzdem nicht. Es muss schon viel Liebe zum Fußball dabei sein. Wenn man aber ohnehin den Fußball liebt, ist das eine super Aufgabe.
Wie erlebst du Zuschauer, die hemmungslos den Schiedsrichter anschreien und beschimpfen?
Uhrig: Tangiert mich gar nicht. Das klingt vielleicht doof, aber Tatsache ist, dass ich solche austickenden Fans während des Spiels null mitbekomme. Dafür ist man viel zu fokussiert auf das, was auf dem Platz passiert. Davon abgesehen ist mir klar, dass hier in Einzelfällen eine Grenze der Sachlichkeit oder des Anstands massiv überschritten wird. Ein paar Mal bin ich nach einem Spiel mit Fans ins Gespräch gekommen. Das war immer positiv. Ich konnte Verständnis für Entscheidungen schaffen oder auch mal erklären, wie es in dem Moment zu einer Fehlentscheidung kam. Auch Schiedsrichter machen nicht immer alles richtig.
Mayer: Ich denke, dass es mit einer Grundunzufriedenheit der Menschen zu tun hat. Wer mit sich unzufrieden ist, projiziert den Frust meist auf andere. Oder es ist die eigene Mannschaft, die im Keller steht und wieder schwach spielt. Dann braucht es einen Sündenbock. Und dann ist das leider zu oft der Schiedsrichter. Während des Spiels bekomme ich das nicht mit. Ich bekomme aber oft nach dem Spiel von meinen SRAs die Best of 5-Sprüche erzählt.
Ben, wie alt bist du jetzt?
Uhrig: 23.
Und wann bist du mit deiner Berufsausbildung fertig?
Uhrig: 2025.
Und wann pfeifst du in der Bundesliga?
Uhrig: ( lacht ) Das ist ein sehr weiter Weg. Ich gebe alles dafür. Ich will mich jetzt in der Regionalliga etablieren. Der nächste Schritt wären dann Einsätze als Assistent in der 3. Liga. Ich denke von Schritt zu Schritt.
Aber setzt man sich nicht Meilensteine?
Uhrig: Du wirst jetzt lachen, aber mein erster Meilenstein war es, in der Bezirksliga mal als Assistent mitzugehen. Der nächste riesige Schritt war es, irgendwann mal in der Regionalliga eingesetzt zu werden. Ich habe jetzt schon viel mehr erreicht, als ich es mir als 14-Jähriger je vorgestellt habe.
Die Kommunikation mit den Spielern wird als eine deiner großen Stärken gesehen. Was macht das aus?
Uhrig: Die Kommunikation auf dem Feld ist der wichtigste Baustein für eine gute Spielleitung. Neben der Qualität der Entscheidungen. Wenn man es schafft, die Spieler für sich zu gewinnen, dann akzeptieren sie eher, wenn ein Pfiff gegen sie geht. Ich kann nur Respekt von den Spielern erwarten, wenn ich selbst jedem Spieler respektvoll begegne. Augenkontakt, freundlich bleiben, wenn es der Moment erlaubt, eine Entscheidung erklären.
Paula, es gibt mehr als 10.000 junge Schiedsrichter zwischen 18-21 Jahren, aber nur 800 Frauen. Woran liegt das?
Mayer: Vor zehn Jahren war auch der Frauenfußball noch auf einem ganz anderen Niveau. Das entwickelt sich langsam, in den letzten paar Jahren gab es eine enorme Entwicklung. Ich hoffe, dass sich dieser Trend auch auf die Schiedsrichterinnen auswirkt.
Wie erlebst du das "Jahr der Schiris"? Was können Aktionen wie die in der Breite bringen?
Mayer: An der Basis ist das noch nicht überall angekommen. Ich persönlich finde, es ist eine gute Aktion. Das man zum Pokalfinale pro Landesverband zwei junge Schiedsrichterinnen eingeladen hat, war ein tolles Zeichen. Die beiden Mädels aus dem Saarland haben mir berichtet, wie sehr es ihnen gefallen hat. Der DFB macht hier einen tollen Job.
Uhrig: Das "Jahr der Schiris" ist eine super Idee. Es ist gut, dass man jetzt über Schiedsrichter nicht nur liest, wenn es um eine Fehlentscheidung oder einen Spielabbruch geht. Erstmals hat der DFB dieses Jahr seine Bildungsreise für junges Ehrenamt nach Barcelona auch für Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter geöffnet. Aktionen wie " Danke, Schiri ", " Profi wird Pate " oder die Auszeichnung der besten jungen Schiris durch die Markus-Merk-Stiftung sorgen dafür, dass auch mal positive Botschaften verbreitet werden.
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