"Das ist der VfR Eintracht Koblenz – und das ist Atze." Wenn Ilias Atzamidis, von allen nur "Atze" genannt, seine Geschichte auspackt, hat er immer viel zu erzählen. Davon, wie er als Zehnjähriger beim VfR Eintracht Koblenz das Fußballspielen erlernte. Wie ihn später zwei schwere Kreuzbandrisse ausbremsten. Und dass er die erste Mannschaft von Eintracht Koblenz mittlerweile im elften Jahr trainiert. "Bis jetzt hat mich noch niemand vom Hof gejagt. Es scheint also ganz gut zu funktionieren", sagt unsere FUSSBALL.DE-Kultfigur der Woche mit einem breiten Grinsen im Gesicht.
Es vergeht kaum ein Tag, an dem Ilias Atzamidis nicht auf dem Sportplatz des VfR Eintracht Koblenz anzutreffen ist. „Der Verein ist einfach meine große Leidenschaft, ich bin Feuer und Flamme für den VfR“, sagt der B-Lizenz-Inhaber. Angefangen hat alles im Jahr 1990. Atzamidis war gerade mit seinen Eltern nach Koblenz gezogen und auf der Suche nach einem neuen Verein. „Ich war schon als Kind absolut fußballverrückt“, erinnert sich Atzamidis, während er alte Fotos von damals betrachtet. Auf einem Bild ist Jürgen Otte zu sehen, langjähriger Abteilungsleiter des Vereins und sein erster Jugendtrainer beim VfR. Zu ihm pflegt Atzamidis bis heute ein enges Verhältnis: „Jürgen war für mich eigentlich immer die treibende Kraft und so ein bisschen wie mein Ziehvater. Ich habe großen Respekt vor ihm. Er hat mir sehr viel gegeben und war immer für mich da.“
So auch Ende der 90er-Jahre. Der junge Ilias Atzamidis hatte es zwischenzeitlich bei der TuS Koblenz bis in die A-Junioren-Regionalliga geschafft. „Ich war auf einem guten Weg, habe von einer Karriere als Fußballprofi geträumt“, erzählt Atzamidis. Dann wurde er von zwei schweren Kreuzbandrissen gestoppt. „Für mich ist damals eine Welt zusammengebrochen“, blickt der heute 38-Jährige zurück. Halt fand er in diesen schwierigen Tagen bei Jürgen Otte. Er überredete ihn, als Jugendtrainer zu seinem Heimatverein zurückzukehren. Atzamidis: „Anfangs konnte ich mir das überhaupt nicht vorstellen. Ich hatte nie mit dem Gedanken gespielt, eines Tages Trainer zu werden. Das war für mich eigentlich undenkbar.“
"Die Jungs wachsen dir ans Herz"
„Wenn ich irgendwo hinkomme, hört man mittlerweile immer öfters: ‚Der Arsène Wenger vom VfR ist da‘
Doch Ilias Atzamidis fand schnell Gefallen an seiner neuen Aufgabe. Zunächst kickte er selbst noch einige Jahre für den VfR Eintracht Koblenz, später konzentrierte er sich ganz auf seine Trainertätigkeit. „Mit der Zeit wachsen dir die Jungs einfach ans Herz und du denkst gar nicht mehr ans Aufhören“, berichtet Atzamidis. Also machte er Jahr für Jahr weiter – bis 2008, als der frischgebackene Vater für sich den Entschluss fasste: „Jetzt ist Schluss.“
Doch die Rechnung hatte er ohne Jürgen Otte gemacht, der den damaligen A-Jugendcoach unbedingt als Trainer bei der ersten Mannschaft sehen wollte. „Irgendwann ging es so weit, dass mich der Verein fast täglich genervt hat. Da habe ich dann einfach zugesagt“, lacht Atzamidis. Bereut hat er diesen Schritt bis heute nicht. „Natürlich kostet der Trainerjob Kraft, zumal du mit Beruf und Familie eigentlich schon genug um die Ohren hast. Aber es macht einfach großen Spaß, die Jungs zu trainieren“, so Ilias Atzamidis, der mit einem Teil des aktuellen VfR-Kaders bereits als Jugendtrainer zusammengearbeitet hat. „Erst in diesem Sommer hat uns ein Spieler verlassen, der bereits in der F-Jugend unter mir trainiert hat. Das muss man sich mal vorstellen: Damals war das noch ein kleiner Knirps, den man auf die Toilette begleitet hat – und heute ist das ein gestandener Gymnasiallehrer“, schüttelt Atzamidis fast ungläubig mit dem Kopf.
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Längst ist Ilias Atzamidis nicht nur allein VfR-Trainer. Der 38-Jährige sitzt auch im Vorstand des A-Ligisten und ist dort unter anderem für die Sponsorenakquise zuständig. „Mein Aufgabenbereich ist sehr vielfältig. Eigentlich bin ich hier das Mädchen für alles, es ist von allem etwas dabei“, grinst der Außendienstmitarbeiter. Selbst seine Eltern hat Atzamidis mittlerweile mit dem VfR-Virus infiziert. Seit rund acht Jahren betreiben diese das Vereinsheim. Dort lässt die Mannschaft nach Heimspielen immer den Spieltag ausklingen. „Und dann kommen nicht nur Pommes mit Currywurst auf die Teller, sondern gerne auch mal ein 14-Kilogramm-Spießbraten“, berichtet Atzamidis.
Erfolgsrezept: Authentizität
Sein Erfolgsrezept über all die Jahre: Authentisch bleiben und sich nicht verstellen. „Ich gehe mit meinen Spielern immer offen und ehrlich um. Mir ist es wichtig, ein Mitglied dieses Teams zu sein. Bei uns steht keiner über dem anderen. Ich als Trainer habe genauso meine Rechte und Pflichten wie die Spieler“, betont Atzamidis, der sich selbst als „Offensivfanatiker“ beschreibt. Ein 5:4 ist ihm lieber als ein 1:0. „Ich möchte den Fans etwas bieten. Die Leute sollen auf dem Platz eine Mannschaft sehen, die nach vorne spielt und 90 Minuten Vollgas gibt. Viel Ballbesitz und eine hohe Passfrequenz – das ist genau mein Ding“, verrät Atzamidis.
Seit über einem Jahrzehnt lebt er seinen Spielern diese Philosophie vor. Dass nach so vielen Jahren Vereinstreue auch schon mal Vergleiche mit prominenten Trainergrößen aufkommen, davon kann Ilias Atzamidis ein Lied singen. „Wenn ich irgendwo hinkomme, hört man mittlerweile immer öfters: ‚Der Arsène Wenger vom VfR ist da.‘ Ich finde solche Vergleiche immer witzig. Viele meiner Trainerkollegen können sich nicht vorstellen, so lange bei einem Verein zu bleiben. Aber ich bin eben ein sehr heimischer Typ“, erzählt Atzamidis.
Wie eine etwaige Vertragsverlängerung im nächsten Frühjahr aussehen könnte, weiß er übrigens auch schon. „Wir gehen eine Runde um den Sportplatz, reden kurz miteinander und einigen uns dann per Handschlag. So war es bisher immer“, grinst Atzamidis. Eben typisch VfR Eintracht Koblenz – und typisch ‚Atze‘.
Autor/-in: Dennis Smandzich