Auf dem Fußballplatz fallen Tore und Sprüche – manchmal kullern aber auch die Tränen. Denn der Sportplatz kann auch ein Ort für große Gefühle sein. Wenn das Comeback des lange Zeit kranken Mitspielers ansteht, wenn der Kicker aus der Gegnermannschaft zu Boden geht und um sein Leben kämpft, wenn sich Kinder mit Behinderungen gegen alle Widrigkeiten in das Team kämpfen und wenn Vereine zusammenhalten, um jemandem beizustehen, der nicht so viel Glück gehabt hat, wie alle anderen. FUSSBALL.DE fasst die emotionalsten Geschichten der Saison zusammen.
Spenderniere von der Mama
Diesen Moment wird Vincenzo Bosa nie vergessen . Das Anspiel seines Teamkollegen, die Berührung des Balles mit der Hacke, den Blick zurück über die eigene Schulter und den Sekundenbruchteil, in dem das Spielgerät die Linie überquerte. Dabei entschied der Treffer für den Fußball-Mittelrheinligisten FC Bergheim 2000 im Spiel gegen den FC Hürth keine Meisterschaft, kein Abstiegsduell und kein Pokalendspiel. Es war und blieb der wertlose Anschlusstreffer zum 1:3 in einer Partie, die längst verloren war. Ergebniskosmetik sechs Minuten vor dem Abpfiff. Nicht mehr.
In Bosas Kopf, Herz und Bauch löste das Tor aber geradezu eine Explosion der Emotionen aus. Für ihn hatte dieser Treffer größere Bedeutung als alle anderen zuvor. Noch wenige Wochen zuvor war diese Rückkehr nicht mehr als eine kühne Vision. Selbst für einen unbelehrbaren Optimisten wie Enzo Bosa. Der gebürtige Kölner mit italienischen Vorfahren war körperlich arg geschwächt. Monatelang hatte die Leistungsfähigkeit seiner Nieren nachgelassen. Eine Transplantation war unumgänglich, um nicht ein Leben von Dialyse zu Dialyse führen zu müssen und vor allem, um weiter den geliebten Sport betreiben zu können - seine Mama spendete schließlich eine Niere.
Vom Hospital ging es für Bosa geradewegs zum Fußballplatz. Aus leichter körperlicher Betätigung wurde allmählich Sport und aus 20 Tabletten täglich wurden elf. Im Winter gaben die Ärzte dann grünes Licht. Bosa nahm mit Bergheim die Rückrunden-Vorbereitung auf, der Körper hielt der Belastung stand – und plötzlich stand er wieder auf dem Fußballplatz.
Mit Prothese im Tor
Auch Hannes Morgenthaler hat sich ins Leben gekämpft - und bis ins Tor der C-Jugend bei der TSG Seckenheim. Der 13-Jährige spielt mit einer Beinprothese . Er verpasst kein Training, keine Übung. Denn Fußball liebt er. „Durch die Sportprothese habe ich deutlich mehr Sprungkraft“, sagt er. Die Krankenkasse hätte nur eine Badeprothese bezahlt, den Kauf des teureren Modells, mit dem man rennen und springen kann, aber abgelehnt.
So musste sich der Alt-Bundestrainer drum kümmern. Sepp und Eva Herberger hatten testamentarisch verfügt, dass ihr Vermögen für in Not geratene Fußballer verwendet werden solle. Vor fast zwei Jahren also übernahm die DFB-Stiftung Sepp Herberger komplett die Kosten von 2.000 Euro. „Die haben ohne großen administrativen Aufwand bezahlt. Es war wie Weihnachten“, sagt die Seckenheimer Jugendleiterin Britta Stahl, die damals das Angebot der Stiftung entdeckt hatte. Seitdem hält Hannes auch die hohen Bälle. Für ihn ist die Sportprothese ein Segen. Anfang Dezember stand er zum ersten Mal in der Saison für eine Halbzeit bei einem Punktspiel der C-Junioren-Kreisklasse im Tor. Hannes und seine Vorderleute unterlagen gegen Ketsch 1:2. Hannes kassierte ein Tor.
Gegner als Lebensretter
Glück im Unglück hatte Björn Fahrenholz. Dass er auf Sezgin Seyrek traf, als er in Not geriet . An einem tristen Novembertag hatte das Schicksal die beiden auf dem Fußballfeld zusammengeführt. Und wird sie für immer miteinander verbinden. Mitte der zweiten Halbzeit war Fahrenholz während einer Kreisligapartie ohne Fremdeinwirkung in Seyreks Rücken zusammengebrochen. Die beiden kannten sich aus früheren Partien gegeneinander. So wie man sich eben kennt als Stürmer und Verteidiger. Fahrenholz war auf dem Platz die Aorta gerissen und hatte einen Herzinfarkt ausgelöst.
Soldat Seyrek wusste, was zu tun war. Er testete die Vitalfunktionen seines Gegenspielers, als dessen Atmung und der Puls aussetzten, hielt er ihn mit Mund-zu-Mund-Beatmung am Leben. Ein Mitspieler, den Seyrek anwies, leistete mit ihm im Wechsel Herzdruckmassage. Nach rund zehn Minuten trafen die Sanitäter am Sportplatz ein, legten einen Tubus und brachten Fahrenholz zunächst ins Krankenhaus nach Nienburg, dann ins Herzzentrum nach Bad Oeynhausen. Fahrenholz lag im Koma, kämpfte um sein Leben. Seyrek hielt mit den Mannschaftskameraden und der Familie seines Gegenspielers Kontakt. Irgendwann erhielt der 29 Jahre alte Familienvater den erlösenden Anruf: Der Einsatz hatte sich gelohnt.
Trikots für Joey
Er wollte ein Trikot – und bekam mehr als 90. Lars Klingenberg wollte einem kranken Kind, das auf ein Spenderherz wartet, eine Freude machen. Und trat eine Lawine der Anteilnahme los. „Damit habe ich nicht gerechnet“, sagt Klingenberg, den der Erfolg seiner Spendenaktion „Trikots für Joey“ selbst überraschte . Er hatte gehofft, ein oder zwei Trikots zum siebten Geburtstag von Joey zusammenzubekommen. Sein Ziel hatte er schon nach wenigen Stunden erreicht. Mehr als 90 weitere Trikots sollten folgen – gespendet vor allem von Amateurvereinen aus ganz Deutschland.
Auf einer Benefizveranstaltung des Vereins Fontanherzen hatte der freie Fotograf Klingenberg, der in seiner Heimatstadt Lehrte auch Jugendtrainer und Stadionsprecher ist, Mutter und Großmutter des damals sechs Jahre alten Joey kennengelernt. Der Junge kam mit nur einer Herzklappe, dem Hypoplastischen Linksherzsyndrom zur Welt, dem schwersten angeborenen Herzfehler. Er lebt seit August 2013 im Krankenhaus und wartet auf ein Spenderherz. Klingenberg rief seine Freunde via Facebook auf, ein Trikot zu spenden - und viele folgten.