Im entscheidenden Moment hatte er die Ruhe bewahrt - beim ersten Wiedersehen dagegen war er ein Nervenbündel. „Ich war aufgeregt wie vor dem ersten Date“, sagt Sezgin Seyrek. Mehr als drei Monate nach seinem großen Moment hatte er Björn Fahrenholz das erste Mal wiedergesehen. „Wir haben uns stundenlang unterhalten“, sagt Seyrek. „Ich hatte viele Fragen an ihn und er an mich.“
An einem tristen Novembertag hatte das Schicksal die beiden auf dem Fußballfeld zusammengeführt. Und wird sie für immer miteinander verbinden. „Wir werden in Kontakt bleiben. Das ist mir persönlich wichtig“, sagt Seyrek. Schließlich hat er seinem Gegenspieler nicht nur das Leben gerettet. Er will seine Geschichte nutzen, um andere für Erste Hilfe im richtigen Augenblick zu sensibilisieren. „Das Wichtigste ist, dass man funktioniert“, sagt Seyrek.
So wie der Zeitsoldat während der dramatischen Minuten beim Kreisligaspiel seines SV Bothmer-Norddrebber beim SV Böhme nördlich von Hannover. Mitte der zweiten Halbzeit war sein Gegenspieler Fahrenholz ohne Fremdeinwirkung in seinem Rücken zusammengebrochen. Die beiden kannten sich aus früheren Partien gegeneinander. So wie man sich eben kennt als Stürmer und Verteidiger. „Aber ich wusste seinen Namen nicht“, sagt Seyrek. Vielleicht habe ihm das geholfen, als es darauf ankam. Die Distanz, die ihn handeln ließ, aber nicht lähmte. „Die anderen wollten helfen, aber sie konnten nicht.“
Auch der Retter stand unter Schock
„Ich hatte das Gefühl, geholfen zu haben. Aber ich wusste nicht, ob es sich gelohnt hat“
Fahrenholz war auf dem Platz die Aorta gerissen und hatte einen Herzinfarkt ausgelöst. „Er hat gekrampft“, erinnert sich Seyrek an den Moment, als er den zusammengebrochenen Fahrenholz erreichte. Der Soldat wusste, was zu tun war. Er testete die Vitalfunktionen seines Gegenspielers, als dessen Atmung und der Puls aussetzten, hielt er ihn mit Mund-zu-Mund-Beatmung am Leben. Ein Mitspieler, den Seyrek anwies, leistete mit ihm im Wechsel Herzdruckmassage. Nach rund zehn Minuten trafen die Sanitäter am Sportplatz ein, legten einen Tubus und brachten Fahrenholz zunächst ins Krankenhaus nach Nienburg, dann ins Herzzentrum nach Bad Oeynhausen.
Gleichzeitig setzte auch beim Lebensretter der Schock ein. „Ich habe noch auf dem Platz in zwei Sekunden ein Bier geleert“, sagt Seyrek. Die dramatischen Minuten ließen ihn aber auch in den Tagen danach nicht los. „Es ging mir nicht gut, ich konnte eine Woche lang nicht schlafen. Ich hatte das Gefühl, geholfen zu haben. Aber ich wusste nicht, ob es sich gelohnt hat.“ Denn Fahrenholz lag im Koma, kämpfte um sein Leben. Seyrek hielt mit den Mannschaftskameraden und der Familie seines Gegenspielers Kontakt. Irgendwann erhielt der 29 Jahre alte Familienvater den erlösenden Anruf: Der Einsatz hatte sich gelohnt.
Wochen später meldete sich auch Fahrenholz bei Seyrek. Die beiden trafen sich unlängst in einem Restaurant - zu ihrem ersten Gespräch überhaupt. Fahrenholz, dem in einer Operation mehrere Bypässe gelegt wurden, fehlt die Erinnerung an das Unglück. „Ich bin Sezgin natürlich unendlich dankbar“, sagte der 33-Jährige, der kurz vor dem Unglück sein Masterstudium der Wirtschafts- und Rechtswissenschaften abgeschlossen hatte, der „Walsroder Zeitung“ .
Fahrenholz kämpft sich zurück ins Leben. „Er hat Ziele vor Augen, das zieht er volle Kanne durch. Er ist ein richtiger Kämpfer“, sagt Seyrek. Der Stürmer, der früher für den TSV Havelse in der Regionalliga spielte, muss als Soldat jedes Jahr seine Kenntnisse in Notfallhilfe auffrischen. „Das war vielleicht mein größter Vorteil“, sagt Seyrek. Auch seine Mannschaftskameraden wollen jetzt Erste-Hilfe-Kurse belegen. „Das war vielleicht ein Hallo-Wach für alle. Es ist schade, dass immer erst etwas passieren muss“, sagt Seyrek, der in Neustadt am Rübenberge stationiert ist. „Ich bin definitiv kein Held“, sagt der Stabsunteroffizier. Er hat in seinen Augen schließlich nur funktioniert.
Autor/-in: Arne Leyenberg