Fabian Herbers lebt seit 2013 in den USA und spielt nach den Stationen Philadelphia Union und Bethlehem Steel inzwischen bei Chicago Fire. Im Interview mit FUSSBALL.DE spricht der 25-Jährige über seinen Weg von der Oberliga in die MLS, den Menschen Bastian Schweinsteiger und das Leben als Kultfigur eines beliebten Podcasts.
FUSSBALL.DE: Herr Herbers, gerade mal sechs Jahre ist es her, da haben Sie vor 200 Zuschauern in der Oberliga Niederrhein gespielt. Gegen Atlanta United waren es zuletzt mehr als 67.000. Müssen Sie sich manchmal kneifen?
Fabian Herbers: Vor 67.000 Menschen zu spielen, ist definitiv eine andere Hausnummer. Das war auch für mich die bisher größte Kulisse. Dennoch ist man gewohnt, im Schnitt vor mindestens 15.000 bis 20.000 zu spielen. Wenn ich an meine Zeit in Deutschland zurückdenke, ist das manchmal schon ein bisschen surreal. Es ist schon ein Riesenunterschied und ich hätte es mir damals auch nicht erträumen lassen.
Im Sommer 2013 haben Sie den Schritt nach Amerika gewagt. Wie kam es zu dem Wechsel?
"In der Startelf standen Andrea Pirlo, Frank Lampard und David Villa... In dem Moment dachte ich nur: Wow, schon krass"
Herbers: Ich hatte gerade mein Abitur gemacht und stand vor der Entscheidung: Will ich studieren oder Profifußballer werden? Damals hatte ich ein Jahr in der Oberliga gekickt und von dort kommt man auch nicht mal eben in den bezahlten Fußball. Ich wollte studieren, aber auch auf hohem Niveau Fußball spielen. Beides miteinander zu kombinieren, ist in Deutschland nur schwer möglich. Dann habe ich vom Collegesport in den USA als Alternative erfahren und mich von einer Agentur beraten lassen. Danach ging es eigentlich ganz schnell: Ich habe mich beworben, wurde vermittelt und im Sommer war ich schon an einer amerikanischen Universität.
Wie schnell haben Sie sich in den USA eingelebt?
Herbers: Das erste halbe Jahr war schon relativ schwierig. Das Englisch ist nochmal ganz anders und viel schneller. Dadurch, dass ich immer mit der Mannschaft unterwegs war, verging die Zeit aber recht schnell und es kam wenig Langeweile auf. Danach hatte ich mich an die Menschen und die Kultur gewöhnt. Je länger ich hier bin, desto eher kann ich mir vorstellen, hier auch in Zukunft zu leben.
Wie ging es danach weiter?
Herbers: Ich habe dort viel als Stürmer gespielt und konnte mich ein bisschen in den Vordergrund spielen. Die Amerikaner sind total verrückt nach den ganzen Statistiken. Machst du viele Tore und führst die Listen an, wirst du schnell gehypt und bekommst viele Trophäen. Dadurch wurden dann auch die MLS-Teams auf mich aufmerksam. Glück hatte ich auch, weil meine Universität zu den besten Teams im College-System gehörte.
Dann folgte der MLS-Draft.
Herbers: Ich hatte vorher schon ein Gefühl, welche Mannschaften infrage kommen könnten, da man im Vorfeld mit den Vereinen spricht. Aber letztendlich hatte ich keine Ahnung, wo genau ich hinkomme. Es war einer der aufregendsten Tage meines Lebens. Als dann mein Name aufgerufen wurde, war ich einfach nur erleichtert und glücklich.
Wo liegen die größten Unterschiede im Vergleich zum deutschen Fußball?
Herbers: Das Spiel an sich ist deutlich athletischer. Es geht schon viel rauf und runter. Das Taktische steht dabei nicht ganz so im Vordergrund. In Deutschland ist die Qualität des Fußballs etwas höher, aber die MLS hat sich in den letzten Jahren extrem verbessert. Es kommen immer mehr Spieler aus Europa oder Südamerika in die USA und ich denke, dass die Liga inzwischen mit der 2. Bundesliga mithalten kann.
Was ist neben dem Feld anders?
Herbers: Was ich manchmal komisch finde, ist die Nähe zu Reportern. Du gehst nach dem Spiel in die Dusche und auf einmal stehen irgendwelche weiblichen Journalisten fünf Meter neben dir und gucken dir sonst wohin. Das fand ich anfangs schon ein bisschen verstörend (lacht).
Nach langer Verletzungspause waren Sie zuletzt viermal in der Startelf und konnten beim 5:1-Sieg gegen Atlanta sogar einen Treffer beisteuern. Wie froh sind Sie, wieder auf dem Platz zu stehen?
Herbers: Das ist etwas, wofür man als Fußballer lebt. Ich hatte eigentlich einen ganz guten Start in die Saison, wurde dann aber von einer Hüftverletzung zurückgeworfen. Jetzt bin ich einfach glücklich, weil ich gut reingekommen bin und in den Spielen von Anfang an auch gelobt wurde. Ein Tor zu schießen, tut dabei natürlich immer gut. Der Trainer schenkt mir das Vertrauen und ich versuche es mit guter Leistung zurückzuzahlen.
Aktuell liegt Ihr Team knapp hinter den Playoff-Plätzen. Wie zuversichtlich sind Sie, dass es mit der Qualifikation noch funktioniert?
Herbers: Ich bin zuversichtlich, dass wir das noch rumdrehen können. Es wird nicht einfach, aber die Saison hier dauert noch etwas und wir müssen alles daran setzen, die verbleibenden Spiele zu gewinnen. Besonders die nächsten beiden Spiele werden entscheidend sein. Ich habe Vertrauen in die Mannschaft und denke, wir können das schaffen.
In Deutschland waren Sie für Preußen Münster, den VfL Rhede und die SpVgg Vreden aktiv. Verfolgen Sie noch, was Ihre alten Kollegen in der Heimat machen?
Herbers: Ich verfolge es noch, schließlich spielen dort noch ein paar Freunde von mir. Auch wenn der Kontakt nicht sehr eng ist, schreibt man immer mal wieder über Social Media. Durch die Technologie wird das einem heute ja leicht gemacht.
Gibt es etwas aus Ihrer Zeit als Amateurfußballer, das Sie vermissen?
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Herbers: Manchmal vermisse ich das Zusammengehörigkeitsgefühl und die Gemeinschaft, die man teilt. Wenn man zum Beispiel als Mannschaft nach dem Training am Freitag gemeinsam loszieht und einen trinken geht. Solche Mannschaftabende hatten wir öfters beim VfL Rhede. Dabei lernt man sich auch nochmal von einer anderen Seite kennen. Im Amateurfußball ist es echte Freundschaft, hier ist es ein professionelles Business.
Während Ihrer Zeit in der MLS haben Sie schon gegen Weltstars wie Kaká, Steven Gerrard oder Andrea Pirlo gespielt. Wer ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Herbers: Ich kann mich noch gut an mein erstes Spiel von Anfang an für Philadelphia erinnern. Da haben wir im weltberühmten Yankee Stadium gegen den New York City FC gespielt. In der Startelf standen Andrea Pirlo, Frank Lampard und David Villa. Als ich dann im Tunnel gewartet habe, um raus auf den Platz zu laufen, habe ich nach links geguckt und da stand auf einmal Pirlo neben mir. Für mich ist er eine absolute Legende, den ich nur aus seiner Zeit beim AC Mailand, Juventus oder Italien kannte. In dem Moment dachte ich nur: Wow, schon krass.
Apropos Legende: Mit Bastian Schweinsteiger spielen Sie bei Chicago Fire an der Seite eines Weltmeisters. Wie ist er als Mitspieler auf und neben dem Platz?
Herbers: Er ist wirklich überragend und genauso wie das Bild, das man in Deutschland von ihm hat. Auf dem Platz ist er ein echter Leader, der die Ruhe am Ball hat, und den man immer unter Druck anspielen kann. Basti redet aber auch unheimlich viel, was im Fußball manchmal viel zu sehr unterschätzt wird. Auch in der Kabine spricht er viele Dinge an und macht Scherze mit den Physios oder den Presseleuten. Er ist einfach ein guter Typ.
Gibt er Ihnen gelegentlich auch Tipps?
Herbers: Er gibt mir ständig Tipps. Gerade, wenn ich von Anfang an spiele, sprechen wir oft in der Halbzeit über ein paar Kleinigkeiten. Es geht dann vor allem um Details im Spiel, was er an meiner Stelle gemacht hätte oder was in der Situation vielleicht besser gewesen wäre. Ich bin natürlich auch ein hungriger Spieler, der diese Tipps gerne annimmt.
Stimmt es, dass Sie ihm den Podcast "Gemischtes Hack" gezeigt haben?
Herbers: Ja, ich habe ihm davon erzählt und er hat tatsächlich mal reingehört. Aber ich glaube, er ist ein bisschen aus dem Alter raus (lacht) . Schließlich hat er jetzt auch Frau und Kind zu Hause und viel zu tun. Er fand es ganz cool, aber es hat ihn scheinbar noch nicht so gefesselt.
Als Schweinsteiger 2016 gegen Finnland aus der Nationalmannschaft zurückgetreten ist, verabschiedeten ihn die Fans mit Sprechchören "Fußballgott, Fußballgott…". Ist es nicht seltsam, dass plötzlich Sie so genannt werden?
Herbers: Innerhalb der Podcast-Community bin ich vielleicht der "Fußballgott", aber auch für mich ist Basti immer noch die eigentliche Legende.
Wie kam der Kontakt zu Comedian Felix Lobrecht und Autor Tommi Schmitt, den Machern des Podcasts, zustande?
Herbers: Den Podcast habe ich schon vor knapp einem Jahr gehört. Ich habe dann Tommi Schmitt auf Instagram geschrieben, dass ich cool finde, was die beiden machen. Dass es mir auch manchmal dabei hilft, mir die Langeweile als Fußballer zu vertreiben. Ab da hat er dann angefangen, mich regelmäßig im Podcast zu erwähnen und die beiden haben eine große Sache draus gemacht. Auch meine Instagram-Followerzahl hat sich seitdem vervielfacht. ( lacht )
Unter den Hörern von "Gemischtes Hack" sind Sie mittlerweile Kult. Ist Ihnen der Hype um Ihre Person nicht manchmal unheimlich?
Herbers: Nein, mich freut das einfach. Ich habe hier ja immer noch meine Ruhe. Wenn ich in Deutschland in einer Großstadt leben würde, wo viele Leute den Podcast hören und mich einige erkennen würden, dann wäre es vielleicht ein bisschen unheimlich. Aber so findet das für mich nur in der virtuellen Welt statt, wenn ich etwas auf Instagram poste. Mein Leben hat sich dadurch nicht großartig verändert.
Vor Kurzem wurden Sie aber von Fans in Chicago mit einer besonderen Geste überrascht.
Herbers: Ja, das stimmt. Beim letzten Heimspiel gegen Real Salt Lake City waren drei verschiedene Fangruppen mit Schildern im Stadion, auf denen "Fabi Herbers Fußballgott" stand. Da war ich zunächst schon ein bisschen erstaunt, aber es hat mich natürlich sehr gefreut. Mit den Leuten kommt man immer gut klar, weil man denselben Humor hat und irgendwo auf der gleichen Wellenlänge ist. Die " Hackis " sind einfach eine coole Community.
Wie geht es bei Ihnen weiter? Ihr Vertrag bei Chicago Fire läuft noch bis Ende 2019.
Herbers: Der Verein hat eine einseitige Option, mit mir um ein weiteres Jahr zu verlängern. Ich werde noch bis Ende der Saison darauf warten müssen, ob sie diese Option ziehen wollen oder nicht.
Ein Wechsel nach Deutschland ist aktuell also kein Thema?
Herbers: Aktuell nicht, aber man muss abwarten, was passiert. Ich bin generell immer für alles offen und wenn es irgendwo eine Möglichkeit gibt, nach Deutschland zu gehen, dann bin ich der Letzte, der sich das nicht anhören würde. Aber generell bin ich hier glücklich und zufrieden. Mal sehen, was da noch kommt.
Autor/-in: Patrick Schmitz