Manchmal braucht es nicht viel, um ein Leben zu retten - das weiß auch Prof. Dr. med. Tim Meyer. Der Teamarzt der deutschen Nationalmannschaft engagiert sich auch abseits des Platzes für die Gesundheit von Sportlern, organisierte zusammen mit der Herzstiftung ein Schulungsangebot für Laienreanimation. Im Rahmen der Woche der Wiederbelebung sprach er mit FUSSBALL.DE über Herzprobleme im Fußball, soziales Engagement und das richtige Verhalten im Ernstfall.
„In vielen Ländern ist es so, dass die Kenntnisse im Bereich Wiederbelebung wesentlich besser sind als in Deutschland“, erklärt der 49-Jährige im Gespräch mit FUSSBALL.DE . „Die USA oder Skandinavien haben zum Beispiel viel bessere Zahlen, gerade was den Laiensektor betrifft“, gibt der Sportmediziner weiter zu bedenken. Das heißt im Klartext: In Deutschland nehmen nur etwa 15 Prozent der Menschen ohne Medizinkenntnisse im Notfall lebensrettende Maßnahmen auf – im Vergleich zu circa 60 Prozent in Schweden.
„Vielleicht ist das Thema hier einfach nicht so präsent“, versucht sich Meyer an einer möglichen Erklärung. Dafür verantwortlich macht er unter anderem das Fehlen von verpflichtenden Ausbildungsveranstaltungen. Außerhalb des Erste-Hilfe-Lehrgangs vor dem Führerschein gebe es diese nämlich kaum, und das dort vermittelte Wissen sei nach fünf Jahren meist nicht mehr präsent. „Es gibt hierzulande auf jeden Fall noch viel Nachholbedarf“, stellt der 49-Jährige fest. „Daher sehe ich die Woche der Wiederbelebung grundsätzlich als eine gute Aktion."
Meyer selbst engagiert sich seit längerem im Bereich der Vorbeugung und Untersuchung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Unter anderem führte der Sportmediziner in Kooperation mit dem DFB (und der FIFA) Studien zur gesundheitlichen Gefährdung von Ü-Fußballern durch. Sein Ergebnis: Auch Kicker, die älter als 32 Jahre sind, sind noch überdurchschnittlich fit, aber abgesehen davon genauso risikobehaftet wie die gleichaltrige Normalbevölkerung. Aus diesem Grund hat der 49-Jährige ein Programm der Herzstiftung sehr begrüßt, das gezielt Laienreanimation in dieser Zielgruppe fördern soll.
"Man braucht keine Angst zu haben, etwas falsch zu machen. Nur weil man etwa bei der Massage nicht richtig ansetzt, heißt das nicht, dass die gesamte Maßnahme wirkungslos wird"
„Es geht um eine ausgebildete Gruppe, die Vereine besucht, einen Teil des Trainings übernimmt und den Anwesenden spielerisch lebensrettende Maßnahmen beibringt“, erklärt Meyer die Details der Initiative. „Es geht dabei um simple und grundlegende Ersthilfe, wie die Herzdruckmassage - Dinge, die jeder machen kann.“ Zunächst war das Engagement nur auf zwei Landesverbände begrenzt, wurde nach eingängigem Erfolg nun aber ausgeweitet. Die Aussage ist kurz und klar: „Jeder kann mit wenig Aufwand viel Gutes tun.“
Wie das genau aussieht, erklärt der Vorsitzende der Medizinischen Kommission des DFB auch direkt selbst: Da im Falle eines Herzstillstandes kein Blut mehr gefördert wird, stirbt Gewebe aufgrund von Sauerstoffmangel ab – was gerade bei Gehirn und Herzmuskel gefährlich werden kann. „Deshalb ist es wichtig, wenigstens einen Minimal-Kreislauf aufrecht zu erhalten, sodass die wichtigsten Organe weiter versorgt werden“, so Meyer. Elementar sei daher insbesondere die Herzdruckmassage. „Man sollte mit durchgestreckten Armen beide Hände übereinander auf die Mitte des Brustkorbs legen und dann 100 Mal pro Minute den Brustkorb etwa fünf Zentimeter eindrücken“, weist er an. Als kleinen Tipp verrät der 49-Jährige zudem, sich am Song "Staying alive" von den BeeGees zu orientieren. „Das ist in etwa der Rhythmus, in dem man drücken sollte.“ Eine Atemspende mit zwei Atemzügen sollte nach 30 Mal Drücken erfolgen, während die Herzdruckmassage unterbrochen wird.
Darüber hinaus warnt der Professor der Universität des Saarlandes vor übertriebener Scheu oder Zurückhaltung. „Man braucht keine Angst zu haben, etwas falsch zu machen. Nur weil man etwa bei der Massage nicht richtig ansetzt, heißt das nicht, dass die gesamte Maßnahme wirkungslos wird“, so der DFB-Teamarzt. Auch sonst setzt er sich dafür ein, dass die Menschen, mit weniger Vorbehalten an das Thema Reanimation herangehen. „Ich kann nachvollziehen, dass in manchen Situationen eine gewisse Scheu oder gar Ekel da ist“, zeigt der Sportmediziner Verständnis, mahnt aber auch: „Es geht in solchen Situationen um Leben und Tod. Da sollte man sich nicht zu viele Gedanken machen und einfach über seinen Schatten springen. Helfen kann es, wenn man sich gelegentlich die Wiederbelebungssituation durch den Kopf gehen lässt, quasi alles durchspielt, auch wenn gar kein Notfall vorliegt.