Spätestens in dem Moment, in dem sie sich bei Oberbürgermeister David Langner in das Goldene Buch der Stadt Koblenz eintragen durften, war jedem Spieler der TuS (Turn- und Sportfreunde) Rot-Weiss Koblenz aus der Oberliga Rheinland-Pfalz/Saar klar, dass er etwas Außergewöhnliches erreicht haben muss. Dank des überraschenden 1:0 beim großen Nachbarn und Regionalligisten TuS Koblenz im Endspiel um Rheinlandpokal am "Finaltag der Amateure" stehen die Rot-Weissen zum ersten Mal in ihrer Vereinsgeschichte in der ersten Hauptrunde um den DFB-Pokal.
"Vielleicht haben wir sogar etwas Einmaliges geschafft", sagt RW-Trainer Fatih Cift, einst selbst Spieler und Nachwuchstrainer beim ehemaligen Zweitligisten und Finalgegner TuS Koblenz, mit immer noch heiserer Stimme im Gespräch mit FUSSBALL.DE . Der 36-Jährige hatte versucht, gegen die Lautstärke von 7473 Zuschauern im Stadion Oberwerth - mehr waren zuvor noch nie bei einem Finale um den Rheinlandpokal - anzukommen. "Vergebens", meint Cift: "Meine Spieler haben mich zu keinem Zeitpunkt gehört."
Im Vorfeld des Endspiels hatte sich Cift um die Kulisse so seine Gedanken gemacht: "Von meinen Spielern hatte zuvor noch keiner vor so vielen Zuschauern gespielt. Mit dem Anpfiff haben sie es aber geschafft, das Drumherum auszublenden und sich nur noch auf das Wesentliche zu konzentrieren." Unter den zahlreichen Zuschauern war auch der 91-jährige Kulttrainer Rudi "Riegel-Rudi" Gutendorf, der in Koblenz geboren wurde, einst selbst den TuS Neuendorf (Vorgängerverein der TuS Koblenz) am Ball war und unter anderem auch die Rot-Weissen trainiert hatte.
In echter Gutendorf-Manier verteidigten beide Teams zunächst stark. Strafraumszenen waren Mangelware. Auf den entscheidenden Treffer musste ganz Koblenz bis zur Schlussphase warten. Der eingewechselte Sascha Engel (82.) zielte bei einem direkten Freistoß genau und ließ TuS-Schlussmann Dieter Paucken mit einem Schuss ins untere Eck keine Chance. "Ich bin sehr stolz, wie wir das gemacht haben, wir haben immer an uns geglaubt und leidenschaftlich gekämpft", so Cift. "Damit haben wir den Klassenunterschied wettgemacht."
"Ich bin sehr stolz, wie wir das gemacht haben. Wir haben immer an uns geglaubt und leidenschaftlich gekämpft."
Die Freude bei den Rot-Weissen, die ihr Vereinsheim nur wenige hundert Meter vom Stadion Oberwerth entfernt haben, kannte nach dem Schlusspfiff fast keine Grenzen. Nur ein Vorfall drückte auf die Stimmung: Auf den Zuschauerrängen waren Pyrotechnik, Raketen und Böller gezündet worden. Es gab Verletzte, darunter ein Kind, die behandelt werden mussten.
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Dass es auch anders geht, bewiesen zahlreiche TuS- und Rot-Weiss-Fans im Anschluss. "Als wir bei uns am Vereinsheim waren, kamen auch TuS-Anhänger zu uns, haben gratuliert und mitgefeiert, einige von ihnen kannten mich auch noch aus TuS-Zeiten", sagt Cift, der wegen des derzeit laufenden muslimischen Fastenmonats Ramadans nicht den ganzen Abend bei der Mannschaft verbrachte.
"Team hat es ordentlich krachen lassen"
Mit "angezogener Handbremse" musste auch Cifts Co-Trainer feiern. Marko Sasic, der Ehemann von Ex-Nationalstürmerin Celia Sasic und Sohn von Milan Sasic, der die TuS Koblenz einst als Trainer von der Oberliga bis in die 2. Bundesliga geführt hatte, laboriert noch an den Folgen eines Kreuzbandrisses. "Die Mannschaft hat es aber ordentlich krachen lassen", beschreibt Cift. " Ich bin nachts noch einmal hingefahren, um zu schauen, wie es den Jungs geht. Ich sage es mal so: Die Stimmung war ausgelassen."
Wenn am 8. Juni im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund die erste Hauptrunde um den DFB-Pokal ausgelost wird, dann wird sich der Wunsch von Fatih Cift nicht realisieren lassen: "Ich bin glühender Anhänger des türkischen Erstligisten Trabzonspor, meine Eltern kommen aus Trabzon", meint der Rot-Weiss-Trainer, der sich derzeit in den Endzügen der Ausbildung zur A-Lizenz befindet. "Leider ist der Klub nicht im Lostopf, und von daher nehme ich es so, wie es kommt. Viele Funktionäre und auch einige Spieler sind Fans von Borussia Mönchengladbach. Dagegen hätte ich dann auch nichts."
Egal, wie der Gegner dann heißt: Cift wünscht sich, dass im heimischen Koblenz gespielt werden kann. Von den garantierten Einnahmen in Höhe von 115.000 Euro für die DFB-Pokalqualifikation könnte eventuell der Ascheplatz der Rot-Weissen in ein "sattes Grün" verwandelt werden. Jeder Spieler erhält außerdem eine Prämie, die wohl in eine Abschlussfahrt investiert wird. Das Ziel: die spanische Party-Hochburg Magaluf auf Mallorca. "Zum Entspannen - nehme ich an", sagt Cift lachend.