20 Jahre ist es in diesem Mai her, dass der FC Schalke 04 in Mailand sensationell den UEFA-Cup nach Gelsenkirchen holte. Einer der "Eurofighter" von 1997 war Ingo Anderbrügge. Seine Söhne Marvin und Vincent spielen zwar auch Fußball, sind vom Gewinn großer Trophäen aber weit entfernt. Die neueste Folge unserer Serie Familienbande.
Mehr als 50.000 Zuschauer feiern ihre Lieblinge in der Schalker Arena, als Anderbrügge am 28. Juli 2002 zu seinem Abschiedsspiel mit der Auswahl "Ingos Eurofighter" gegen die aktuelle Schalker Profielf antritt. Das Ergebnis, 6:2 für Gerald Asamoah und Co., ist nebensächlich, als sich der "Mann mit der linken Klebe" mit seinen beiden Kindern zur Ehrenrunde aufmacht. "Dabei bin ich BVB-Fan", sagt Vincent Anderbrügge lachend.
Okay, zu dem Zeitpunkt ist der jüngere Sohn des heute 53-Jährigen erst acht, außerdem hat Papa früher nicht nur für S04, sondern auch für den BVB gekickt. Vincent Anderbrügges Begeisterung für Schwarz-Gelb statt für Königsblau kommt auch nicht von ungefähr, schließlich war er selbst aktiver Borusse. "Ich habe in der D-Jugend für zwei Jahre in Dortmund gespielt", verrät der 22-Jährige.
Sein erster Verein ist, wie einst beim Vater, die Spielvereinigung Erkenschwick. Als er kurz nach der besagten Ehrenrunde in der Schalker Arena nach Dortmund wechselt, spielt er dort nicht nur mit den besten Kindern in seinem Alter zusammen, sondern darf sogar mit zur Junioren-WM nach Japan. Der Traum von einer steilen Laufbahn im Fußball platzt bei ihm aber schon viel früher als bei den meisten anderen hoch veranlagten Kickern. "Der BVB wollte mich zwar gerne im Nachwuchsleistungs-Internat halten, aber in der Zeit haben sich meine Eltern getrennt", erinnert sich Vincent Anderbrügge. "Ich bin dann mit meiner Mutter nach Delbrück gezogen und habe mich beim SC Paderborn angemeldet."
"Ich war in meiner Zeit beim BVB oft als Balljunge im Stadion und habe so hautnah erlebt, was in der Bundesliga los ist"
In Südwestfalen gerät die Karriere ins Stocken. Nach nur einem Jahr in Paderborn heuert Vincent Anderbrügge beim Amateurklub SC Delbrück an, folgende Stationen sind der B-Ligist SV Sudhagen und zuletzt der SV Hederborn-Upsprunge . Bis zur Winterpause kickt er noch beim A-Ligisten, um sich aktuell erst einmal komplett vom Vereinsfußball zu verabschieden. "Im Moment lege ich eine Pause ein und möchte gerne ab dem Sommer wieder im Verein spielen", sagt Vincent Anderbrügge.
Dabei gab es früher im Haus der Anderbrügges nichts anderes als Fußball. "Mein Bruder Marvin und ich haben als Kinder immer Fußball gespielt. Die Schule war nicht so wichtig, Hauptsache, der Ball rollte", bemerkt Vincent Anderbrügge lachend. "Wir hatten zu Hause einen großen Garten, da haben wir so lange gekickt, bis die Blumen kaputt waren und unsere Mutter Conny mit uns geschimpft hat." Wenn er mit den Jungs aus der Nachbarschaft auf der großen Wiese um die Ecke kickte, musste Vincent meistens ins Tor: "Ich war ja der Kleine..." Heute ist er 1,94 Meter groß und erinnert in seiner Spielweise an Ingo Anderbrügge. "Ich spiele auch links offensiv und habe die 'linke Klebe' von meinem Vater geerbt", meint Vincent Anderbrügge.
Der hat es mit seinem Hammer auf 53 Tore in 292 Bundesligaspielen und weiteren 36 Treffern in der zweiten Liga gebracht. Für Vincent Anderbrügge hingegen haben sich die Prioritäten längst verschoben. "Klar, jeder kleine Junge, der Fußball spielt, träumt davon, später einmal Profi zu werden. Außerdem war ich in meiner Zeit beim BVB oft als Balljunge im Stadion und habe so hautnah erlebt, was in der Bundesliga los ist", hebt Vincent Anderbrügge an, um einzuschränken: "Wenn man dann aber zu einem kleinen Verein wechselt und in der Jugend nicht mehr in der höchsten Liga spielt, wird es unrealistisch."
Nach der Schule beginnt er eine Ausbildung zum Physiotherapeuten, der geliebte Sport muss da zurückstecken. "Für mich war Fußball natürlich immer sehr wichtig, aber durch meine sehr zeitintensive Ausbildung zum Physiotherapeuten hatte ich nicht die Möglichkeit, so oft zu trainieren", macht er klar. In den Profifußball will er dennoch kommen – nicht als Spieler, sondern in seinem Beruf. Derzeit ist Vincent Anderbrügge in der Rehaklinik Bad Lippspringe angestellt, aber falls ein höherklassiger Verein einen "Eurofighter"-Sohn als Physiotherapeuten sucht, wäre er sicher nicht abgeneigt.
Ingo Anderbrügges älterer Sohn Marvin hat derweil schon vor einiger Zeit die Fußballschuhe an den Nagel gehängt. Ebenfalls in der frühen Jugendzeit beim BVB und später beim SC Paderborn am Ball, waren der TuS Haltern und der WSV Bochum die letzten aktiven Stationen des heute 25-Jährigen, der als Industriekaufmann tätig ist. In der Familie Anderbrügge ruht der Ball natürlich dennoch nicht. Ingos Tochter Nelly aus zweiter Ehe ist zwar erst sieben, aber schon beim SV Hochlar in Recklinghausen eine feste Größe.
Autor/-in: Heiko Buschmann