Samstag Deutscher Meister, Sonntag Aufstieg in die Kreisliga B – innerhalb von 24 Stunden haben die gehörlosen Fußballer des GTSV Essen ihre Wahnsinnssaison gekrönt. In seinen Reihen hat der Klub die Nummer drei unter Deutschlands Torjägern und vier WM-Teilnehmer.
Im Gehörlosensport gehören die Essener seit Jahren zu den dominierenden Mannschaften. Bereits 2011, 2012 und 2014 holten sie sich den Titel des Deutschen Gehörlosen-Meisters. Im Vorjahr hatten die Essener im Viertelfinale dem Dauerrivalen GSV Düsseldorf den Vortritt lassen müssen. Diesmal drehte der GTSV den Spieß wieder um: Im Halbfinale setzte sich der Klub mit 4:3 durch, im Endspiel folgt ein 1:0 gegen den GSV Karlsruhe. Nur 24 Stunden später schlug Essen erneut zu und sicherte sich mit einem 3:2-Sieg gegen den TuS Holsterhausen II den Aufstieg in die Kreisliga B des Fußballverbandes Niederrhein. Für die Aufstiegsspiele hatte sich der GTSV als Tabellenzweiter der Kreisliga C mit 67 Punkten und 192:30 Toren qualifiziert.
Christ: Knipser mit Mega-Bilanz
Der Schritt, als eine ausschließlich aus gehörlosen Fußballspielern bestehende Mannschaft am regulären Spielbetrieb des FVN teilzunehmen und damit Neuland zu betreten, hat sich ausgezahlt. Der Zusammenhalt innerhalb des Vereins ist weiter gewachsen, neue organisatorische Herausforderungen wie die Sponsorensuche sowie die intensivere Kommunikation mit dem Verband und den gegnerischen Vereinen wurden gemeistert. Diese Lerneffekte sollen auch dazu beitragen, dass sich das größte Problem des Vereins in absehbarer Zeit lösen lässt: Die Mannschaft trainiert immer noch auf einem Ascheplatz, der weder reguläre Maße hat noch über eine ausreichende Flutlichtanlage verfügt. Bisher vermisst der Verein in diesen Fragen die Unterstützung des städtischen Sportamtes des Stadtsportbunds. Wie widerstandsfähig das GTSV-Team ist, stellte sich am entscheidenden Wochenende unter Beweis. Trotz der Doppelbelastung von zwei wichtigen Spielen innerhalb von nur 24 Stunden gelang der Sprung in die Kreisliga B.
Nicht nur die Mannschaft, auch ihr Trainer hat in der abgelaufenen Saison Neuland betreten. Sebastian Laubner hatte erstmalig Kontakt mit Gehörlosen, beherrschte zuvor auch die Gebärdensprache nicht. Inzwischen klappt die Kommunikation besser, entsprechend stolz ist Laubner auf seine Mannschaft und das beim GTSV Geleistete.
Wesentliche Faktoren für den Erfolg sind das große Engagement der Vereinsfunktionäre und der Helfer, die spielerische Klasse von zahlreichen Leistungsträgern, die mannschaftliche Geschlossenheit und nicht zuletzt die für einen Kreisligisten große Zahl an gehörlosen Fans. Und dann ist da natürlich noch Benjamin Christ, auf dem Feld Kapitän und Torjäger, neben dem Rasen eine treibende Kraft bei der Umsetzung der Idee, am Fußball der Hörenden teilzunehmen.
Christs Bilanz ist herausragend: 85 Tore gelangen ihm in 26 Spielen der Punktrunde. Nochmal drei Tore kamen in den beiden Aufstiegsspielen hinzu. Nur zwei Spieler haben bundesweit in dieser Saison mehr Tore bei den Herren erzielt. Ab heute ist Christ für Deutschland mit seinen Essener Vereinskameraden Dennis Karczewski, Alexander Peters und Marc Christ bei der Fußball-WM der Gehörlosen in Italien für Deutschland im Einsatz.
Autor/-in: Reinhard Brandt