"Elf Flaschen müsst ihr sein." In ihrem Song nehmen sich die Fußballer der Weinelf selbst auf die Schippe. In der deutschen Nationalmannschaft der Winzer sind Fachleute rund um den Rebensaft vereint, wollen für ihn werben und die Kontakte pflegen – Oenologen, Weinjournalisten, Profis aus dem Weinmarketing, Zubehör-Lieferer und natürlich und vor allen Dingen die Winzer selbst. Auf nationaler und internationaler Ebene tragen sie Freundschaftsspiele aus – und alle zwei Jahre geht es sogar um die Europameisterschaft. Vom früheren Bundesligatrainer Erich Rutemöller bis hin zu aktuellen oder einstigen Kreisliga- und Bezirksligaspielern: Die Weinelf hat ein breites Spektrum an Fußballern mit zum Teil illustrer Vergangenheit zu bieten.
Wie es los ging, weiß Rudolf Knoll noch allzu genau: "Am 9. Mai 2005, vier Tage vor dem letzten Bayern-Heimspiel im Olympiastadion in München traf eine noch relativ bunt zusammengewürfelte Mannschaft auf ein Team der Deutschen Spitzenköche und -Restaurateure. Am Ende hieß es 3:2 für die Winzer." Das Spiel war ansehnlich – und der Tenor lautete, dass es nicht bei einer einmaligen Angelegenheit bleiben sollte.
Der heute 70-jährige Weinjournalist Knoll ließ als jugendlicher Torwart von Wacker München einst einen gewissen Franz Beckenbauer verzweifeln und spielte später mit Bayern-Stars wie Georg "Katsche" Schwarzenbeck und Franz "Bulle" Roth in einer (Bundeswehr-)Mannschaft. In der Weinelf ist er heute als Pressesprecher und auch noch ab und an als Feldspieler dabei – im Team Spätlese.
Die Weinelf gibt es als Perspektivteam und als Ü 45-Mannschaft. Cheftrainer ist Erich Rutemöller. Früher in der Bundesliga als Coach des 1. FC Köln und von Hansa Rostock tätig und danach über viele Jahre hinweg in verschiedenen Funktionen beim DFB engagiert, wirkt der 72-Jährige derzeit hauptsächlich als Sportvorstand des Zweitligisten Fortuna Düsseldorf. Bei einer Benefizveranstaltung wurde der frühere U 20-Nationalcoach eher zufällig auf die Weinelf aufmerksam und findet noch rund sieben Jahre nach der ersten Begegnung großen Spaß daran: "Training und Spiele mit der Weinelf verbinden in angenehmer und positiver Weise sportlichen Ehrgeiz und gesellschaftliche, kulturelle Kommunikation – national und international." Unterstützt wird Rutemöller von Friedel Müller und Jürgen Fladung, aktuell Vizepräsident des SV Wehen Wiesbaden.
"In Frankreich würden Burgund und Bordeaux wohl eher zwei getrennte Teams ins Rennen schicken."
Die Partien gegen die Elf des Deutschen Bundestags waren und sind auf nationaler Ebene immer wieder die herausragenden Ereignisse. Und international überstrahlt der Europameistertitel 2014 alles. Just 60 Jahre nach dem Wunder von Bern gab es in der Schweiz einen 3:2-Sieg – gegen wen wohl? Klar, nochmal gegen die Ungarn. Bei der Winzer-Euro 2016 scheiterte man als Gastgeber in der Mainzer Coface-Arena im Finale gegen Slowenien nur knapp mit 2:3.
Neben den deutschen Wein-Fachleuten, den Ungarn, Slowenen und Schweizern sind auch die Italiener und Österreicher fußballerisch auf dieser Ebene organisiert. Portugiesen und Tschechen wollen demnächst auch eine Auswahl stellen. Große Weinbaunationen wie Frankreich oder Spanien werden auch noch bei der 2018er EM in Slowenien (29. Mai bis 2. Juni) fehlen. "Gerade in Frankreich sind die regionalen Unterschiede und Mentalitäten zu groß. Da würden Burgund und Bordeaux wohl eher zwei getrennte Teams ins Rennen schicken", glaubt Rudolf Knoll.
Im schon traditionellen Frühjahrstraining an der Sportschule des südwestdeutschen Fußballverbandes im pfälzischen Edenkoben will Cheftrainer Rutemöller dann die Weinelf auf die kommende EM einschwören. Eine der tragenden Säulen im Team ist momentan Kapitän Pascal Sohns (35). Früher für den TSV Winkel in der Bezirksliga am Ball, spielt der rheinhessische Winzer momentan noch in seinem Heimatort bei den Alten Herren des FV 08 Geisenheim . Seit 2009 ist Sohns bei der Weinelf eine treibende Kraft im Sturm, "schlägt Haken wie ein Hase", wie Pressesprecher Knoll anerkennt. Als junger Kicker habe Sohns auch Angebote aus höheren Klassen gehabt. Der Beruf sei ihm aber wichtiger gewesen.
Viel hängt bei der Weinelf auch von den Gutzler-Brüdern Michael und Matthias ab. Der eine war früher unter anderem beim TuS Neuhausen und der SpVgg Weisenau aktiv, der andere (Matthias) gar bei Wormatia Worms und Waldhof Mannheim in der Regional- und Oberliga. Nachwuchs kommt derweil auch aus dem Hause von Weinelf-Präsident Robert Lönarz: Sohn Simon (20), der aktuell eine Winzerausbildung absolviert, konnte sich schon als Stürmer und Mittelfeldspieler auszeichnen.
"Auf dem Platz ist der Ehrgeiz groß. Da geht es nur darum, das Spiel zu gewinnen. Auch in der Halbzeitpause gibt es bei uns keinen Wein zu trinken", stellt Rudolf Knoll fest – schiebt aber mit einem Augenzwinkern hinterher: "In der dritten Halbzeit sind wir dann unschlagbar…"