Vielleicht ist es wirklich Deutschlands schrägster Fußballplatz, wie die Bild-Zeitung neulich schrieb. Für Uwe Nagel und seine Kollegen im Vorstand des SV Schwerborn hat dieser Bericht eine Lawine ausgelöst, unter der sie nun zu ersticken drohen. Am liebsten wollen sie gar nicht mehr über diese Geschichte sprechen. Mittlerweile lehnen sie alle Anfragen dieser Art kategorisch ab.
Für FUSSBALL.DE allerdings macht der Vereinsvorsitzende Uwe Nagel noch einmal eine Ausnahme. Zum Glück, denn die Geschichte ist wirklich so kurios, dass sie einfach noch einmal erzählt werden muss: Der Platz, auf dem der SV Schwerborn - ein Klub aus Erfurt in Thüringen, 1. Stadtklasse, die zweitniedrigste Spielklasse - seine Heimbegegnungen austrägt, ist krumm und schief. So kann man es schon sagen, ohne zu übertreiben.
Die beiden Torlinien sind mit 68,8 Metern gleichlang, immerhin. Kurios wird es allerdings bei den beiden Seitenauslinien – die eine misst 99,3 Meter, die andere 112,3 Meter. Das ist ein Unterschied von 13 Metern. Mit dem bloßen Auge ist das nicht zu erkennen. Wenn man sich allerdings mal die Luftaufnahmen beispielsweise bei Google Earth anschaut, muss man staunen.
Plötzlich ein Riesenthema
"Mittlerweile nervt es etwas. Ich bin froh, wenn dieser Hype sich wieder legt"
„Dieser Platz ist so seit seiner Einweihung 1974“, sagt Nagel. „Bis vor wenigen Wochen hat das niemand bemerkt. Mir war es schon vorher aufgefallen, weil ich mal nachgemessen hatte. Aber ich habe keinen Grund gesehen, es publik zu machen. Plötzlich ist es ein Riesenthema. Wir sind hier Gesprächsstoff Nummer eins. Alle wollen dazu etwas wissen, alle haben eine Meinung. Mittlerweile nervt es etwas. Ich bin froh, wenn dieser Hype sich wieder legt.“
Die Maße der Anlage des SV Schwerborn entsprechen den Vorgaben des Deutschen Fußball-Bundes, dass der Platz zwischen 90 und 120 Metern lang und zwischen 45 und 90 Metern breit sein muss. Und den Verantwortlichen um Uwe Nagel ist der 13-Meter-Unterschied egal. Was in den vergangenen gut 40 Jahren niemanden gestört hat, wird auch zukünftig niemanden stören: „Wir haben dadurch keinen Heimvorteil. Natürlich machen die Leute gerne ihre Späße deswegen oder suchen darin eine Ausrede. Aber wie gesagt: wenn man nicht genau darauf achtet, bemerkt man die Besonderheit gar nicht. Außerdem sind die Voraussetzungen ja für beide Mannschaften gleich.“
Auch Nagel selbst hat gesagt, dass diese Maße die Gegner verwirren würden. Dass sie vor Auswärtsspielen auf der geraden Seite trainieren würden. Dass sie vor Heimspielen auf der schiefen Seite trainieren würden. Aber ganz ernst gemeint hat er diese Aussage damals nicht. Er konnte einfach nicht ahnen, welche Wellen das verursachen würde.
Ein wichtiges Quartett
Schwerborn hat eigentlich ganz andere Sorgen, als sich um die krummen Maße des Platzes zu kümmern. Der Verein hat gerade noch 54 Mitglieder, kaum Nachwuchs und nur eine Mannschaft. Das Frauenteam hat sich in diesem Sommer einem anderen Klub angeschlossen. Dazu kommt noch eine kleine Tischtennisabteilung. Rosig ist die Zukunft des Vereins aus dem 632-Einwohner-Dorf trotz fleißiger Helfer wie Uwe Nagel oder seinen Kollegen Peter Fischer, David Eppler und Andrea Striehn nicht. Ohne das Quartett würde es die Fußballabteilung des SV Schwerborn womöglich gar nicht mehr geben.
Es gibt allerdings auch Dinge, die Hoffnung machen. Immerhin konnte der Klub in der vergangenen Saison mal wieder einen Aufstieg feiern. Weil vor einiger Zeit zu wenig Spieler zur Verfügung standen, musste der Verein ein Jahr aussetzen. Nach Wiederaufnahme des Spielbetriebs gelang über die Relegationsspiele im zweiten Jahr der Aufstieg aus der untersten aller Spielklassen in die 1. Stadtklasse. Dort allerdings konnte Schwerborn bisher kaum punkten und steht im Tabellenkeller. Trotz „Deutschlands schrägstem Fußballplatz“. Der größten Geschichte dieses kleinen Vereins.
Autor/-in: Martin Schwartz