Fußball-Angebote für Menschen mit Handicap gibt es grundsätzlich schon sehr lange, allerdings waren das in der Regel nur vereinzelte und weit verstreute Aktivitäten, die meist auf dem Engagement von Betroffenen und später auch von Lehrwerkstätten für Menschen mit geistiger oder körperlicher Behinderung beruhten. Bekanntlich ist auch unter Menschen mit Handicap Fußball die Sportart Nummer eins und mit der Installation eines Handicap-Fußball-Beauftragten beim Bayerischen Fußball-Verband hat sich in den letzten Jahren schon einiges getan - neue Angebote, bessere Vernetzung aller Akteure. Jetzt hat das BFV-Engagement ein neues Gesicht. Kristina Höhn hat die Nachfolge von Nico Kempf als BFV-Handicap-Fußball-Beauftragte angetreten. Im Interview erklärt Sie unter anderem, was die großen Herausforderungen sind und warum es sich lohnt, die neue Aufgabe mit vollem Einsatz anzugehen.
Frau Höhn, Sie sind die neue BFV-Ansprechpartnerin für Handicap-Fußball. Warum fiel die Wahl auf Sie?
Kristina Höhn: Diese Frage müssen Sie grundsätzlich den Verantwortlichen beim Bayerischen Fußball-Verband stellen. Aber ich denke, dass das mit meinem persönlichen und beruflichen Hintergrund zusammenhängt. Ich selbst spiele Fußball seit ich sechs Jahre alt bin, zuletzt beim SV 67 Weinberg in der 2. Bundesliga und ich arbeite seit Juli 2015 bei der Lebenshilfe Nürnberg, wo ich das ,Freizeitnetzwerk Sport' betreue. Dort geht es um den gemeinsamen Sport von Menschen mit und ohne Behinderung im Sportverein. Ich kenne also beide Seiten, den klassischen Vereinsfußball und die Bedürfnisse der sportbegeisterten Menschen mit Handicap. Das ist sicherlich eine gute Basis, um den beim BFV eingeschlagenen Weg erfolgreich weiterzugehen.
Wie ist es denn um Handicap-Fußball und die Angebote in Bayern bestellt?
Kristina Höhn: Ich bin der Meinung, dass wir in Bayern auf einem sehr guten Weg sind und in der Vergangenheit bereits hervorragende Arbeit geleistet wurde. Inklusion ist jedoch ein Prozess und nicht von heute auf morgen umzusetzen. Es gibt noch ein großes Potential flächendeckend Angebote zu schaffen, das Thema Handicap und Inklusion in der Vereinslandschaft fest zu verankern und die Gesellschaft für das Thema zu sensibilisieren.
Was werden die Schwerpunkte ihrer Arbeit sein und wo sehen Sie Potenziale?
Kristina Höhn: Im Grunde genommen geht es darum, Begegnungen zu schaffen, also Menschen mit und ohne Handicap zusammenzubringen und dadurch Berührungsängste und Hürden abzubauen. Die Erfahrung zeigt: Wenn die Fußballer und Fußballerinnen aus den Vereinen bzw. die Vereinsverantwortlichen mit den Menschen mit Handicap zusammenkommen, sind sie ganz schnell auf einer Linie. Denn für beide bedeutet Fußball in erster Linie dasselbe: Spaß! Die Sache ist, dass sowohl auf Vereinsseite, aber auch auf Seiten der Menschen mit Handicap oder der Institutionen, bei denen sie organisiert sind, immer noch Hemmschwellen existieren, auf den jeweils anderen zuzugehen. Dabei ist das Potenzial riesig. Für Menschen mit Handicap bedeuten Inklusionsmannschaften zum Beispiel auf eine weitere Art ,am gesellschaftlichen Leben' teilnehmen zu können, aber auch für die Vereine bietet der Inklusionsfußball Chancen: Imageverbesserung, verstärkte Mitglieder- und Sponsorengewinnung, Differenzierung zu anderen Vereinen und Bereicherung des Vereinslebens sind nur einige Beispiele. Meine Hauptaufgabe wird also darin bestehen, diese Menschen zusammenzubringen und für den gemeinsamen Weg zu begeistern. Das ist in der Tat eine große Aufgabe, aber sehr lohnenswert.
Wo setzen Sie kurzfristig an bzw. was sind die aktuellen Projekte?
Kristina Höhn: Aktuelle laufen in allen Bezirken unsere Vereinsinfotage zum Thema Handicap-Fußball, bei denen interessierten Vereinen und Einrichtungen das Thema Inklusionsfußball in Theorie und Praxis näher gebracht wird. Am 26. Mai haben wir ein absolutes Highlight, das genau beim Thema ,Menschen zusammenbringen' ansetzt. Zusammen mit der DFB-Stiftung Sepp Herberger veranstalten wir ein großes Inklusionsturnier in der Münchner Allianz Arena. Das ist eine riesige Geschichte für alle Beteiligten und ein Event mit enormer Signalwirkung. Da stecken wir gerade voll in den Planungen und werden dann auch in Kürze mehr sagen können. Vom 20. bis 22. Juni wird es zudem erstmals eine Handicap-Fortbildung im Rahmen der Lizenzverlängerung für Fußballtrainer in der Sportschule Oberhaching geben. Und natürlich einfach viele Gespräche mit Vereinen, Menschen mit Handicap und deren Familien, den Institutionen der Behindertenhilfe und allen, die dabei helfen wollen, dass wir in der Entwicklung immer wieder ein Stück weiterkommen.