Vorsitzende des Frauenfußball-Ausschusses im Westdeutschen Fußballverband, Mitglied der Futsal-Kommission und des Ausschusses für Frauen- und Mädchenfußball des DFB. Marianne Finke-Holtz treibt die Entwicklung des deutschen Frauen-Futsal auf vielen Ebenen voran.
Anlässlich unserer Themenwoche Frauen- und Mädchenfußball haben wir mit der Futsal-Expertin über die mögliche Gründung einer Nationalmannschaft und die Potentiale des Frauen-Futsal in Deutschland gesprochen.
FUSSBALL.DE: Frau Finke-Holtz, wie schätzen Sie die aktuelle Situation im Frauen-Futsal ein?
Marianne Finke-Holtz: Die Entwicklung hat sich immer stark am Herren-Bereich orientiert. Dort, wo es bei den Herren eine positive Entwicklung gab, ist das auch meist auf den Frauen-Futsal übergeschwappt. Wir haben derzeit keinen flächendeckenden Spielbetrieb, im Westen gibt es seit 2015 eine Regionalliga, an der alle drei Landesverbände (Mittelrhein, Niederrhein, Westfalen) beteiligt sind. Diese Saison sind dort sechs Mannschaften vertreten. In der Fußball-Hallensaison werden die Turniere deutschlandweit nach Futsal-Regeln gespielt, allerdings ist der erhoffte Effekt, dass daraus dann auch ein ganzjähriger Spielbetrieb entstehen würde, ausgeblieben.
"Ich denke, wir sind sogar ohne Nationalmannschaft sportlich unter den zehn besten Nationen der Welt einzustufen"
Welche Schritte könnten zu einer Verbesserung beitragen?
Finke-Holtz: Der Plan muss dahin gehen, klar aufzuzeigen, dass die sportliche Perspektive in der Halle nur über Futsal geht. Wir müssen uns dahin entwickeln, ein ganzjähriges Angebot liefern zu können. Als gute*r Fußballer*in kann ich auch den Weg in die Halle finden und ein*e starke*r Futsal-Spieler*in werden, allerdings reicht es da nicht, wenn das nur drei- oder viermal im Jahr angeboten wird. Das ist zu wenig.
Die stärksten deutschen Futsal-Spielerinnen kommen aus dem Fußball oder betreiben beide Sportarten gleichzeitig. Wie ließe sich eine Brücke bauen, die den Spielerinnen den Umstieg auf Futsal erleichtern?
Finke-Holtz: Natürlich sind die Frauen, die in der Regionalliga bei uns Futsal spielen, auch gute Fußballerinnen. Wir haben die Regionalliga-Spieltage gezielt auf Samstag gelegt, damit die Spielerinnen, die zusätzlich noch im Fußball aktiv sind, auch sonntags noch für ihre Mannschaften auflaufen können. Das geht aber nur, solange die Vereine mitspielen. Wir wollen mit einem ausgeweiteten Futsal-Angebot aber auch gezielt Frauen ansprechen, die noch nicht oder nicht mehr im Elferfußball aktiv sind. In der Bindung und Gewinnung von neuen Mitgliedern hat der Futsal großes Potenzial. Dies kann der Futsal nur ausschöpfen, wenn wir einen ganzjährigen Spielbetrieb anbieten können.
Wie wichtig ist der Dialog mit den Vereinen?
Finke-Holtz: Das ist das A und O. Bei der Saisonplanung haben wir festgestellt, dass eine gewisse Flexibilität und die enge Absprache besonders wichtig sind. Gerade um Vereinen, die noch keine feste Futsal-Mannschaft haben, die Möglichkeit zu geben, einmal an Pokalwettbewerben oder ähnlichem teilzunehmen. So sollen die Anfangsschwierigkeiten überbrückt und die Wahrscheinlichkeit erhöht werden, dass einmalige Teilnahmen auch in einer festen Mannschaftsgründung münden können.
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Universitäten gelten als zentrale Triebfeder des Frauen-Futsal.
Finke-Holtz: Da gibt es tatsächlich viele Überschneidungen. Viele der besten Futsal-Spielerinnen sind gleichzeitig Studentinnen. Die Universitätsmannschaften erhalten von ihrer Uni die Möglichkeit, sich für internationale Turniere zu qualifizieren, was ihnen auch regelmäßig gelingt. Auch die Studentinnen-Nationalmannschaft liefert bei internationalen Turnieren beachtliche Ergebnisse ab. Dazu kommt noch die organisatorische Komponente. Futsal wird nun einmal in der Halle gespielt und Hallenplätze sind meist begrenzt. Man tritt in Konkurrenz mit alteingesessenen, etablierten Hallensportarten. Da heißt es dann gerne mal: 'Warum braucht ihr denn jetzt einen Hallenplatz, ihr könnt doch auch draußen spielen!' Hier kommt die Zusammenarbeit mit den Universitäten und deren Sport-Infrastruktur sehr gelegen, weil dort häufig mehr Hallenkapazitäten zur Verfügung stehen.
Die Gründung einer offiziellen Nationalmannschaft steht noch aus. Wie wichtig wäre dieser Schritt aus ihrer Sicht?
Finke-Holtz: Sehr wichtig. Unser Ziel ist es, den Frauen-Futsal voranzubringen. Wir wollen dafür einen für den Frauen-Futsal passenden Weg einschlagen. Ich denke, für uns ist es zielführend, in diesem Fall "top-down" vorzugehen, also Vorbilder an der Spitze zu schaffen. Wenn diese glänzen, haben sicherlich auch mehr Spielerinnen Lust, sich auf Futsal zu konzentrieren. Daher wäre es enorm wichtig, möglichst schnell eine Futsal-Nationalmannschaft der Frauen ins Leben zu rufen, mit Lehrgängen zu starten und dann auch an den internationalen Qualifikationen teilzunehmen. Die erfolgreiche Studentinnen-Nationalmannschaft ist für uns ein großer Vorteil. Sicherlich wären einige Spielerinnen auch in einer regulären Nationalmannschaft vertreten.
Wie stark schätzen Sie den deutschen Frauen-Futsal im internationalen Vergleich ein?
Finke-Holtz: Ich denke, wir sind sogar ohne Nationalmannschaft sportlich unter den zehn besten Nationen der Welt einzustufen. Anders als im Herren-Bereich müssen wir uns nicht von unten hocharbeiten. Die sportliche Basis ist vorhanden.
Woran liegt das?
Finke-Holtz: In Deutschland ist eine großflächige und professionelle Fußballausbildung im Frauen-Bereich vorhanden. Dazu kommt aber auch die vermehrte Einbindung von Futsal ins Training. Noch vor wenigen Jahren wollte der Fußball vom Futsal und der dazugehörigen Ausbildung nichts wissen. Mittlerweile werden die Vorteile, die eine Futsal-Ausbildung mit sich bringt, auch dort gesehen. Futsal-Elemente halten immer häufiger Einzug ins Training. Es hat ein gewisses Umdenken stattgefunden, was für die Entwicklung des Futsal insgesamt sehr positiv ist.
Welche Ziele möchten Sie kurz- und langfristig erreichen?
Finke-Holtz: In der näheren Zukunft wünsche ich mir eine noch engere Kooperation mit der Studentinnen-Nationalmannschaft. Diese Verbindung möchten wir nutzen, um gemeinsam vom Erkenntnisaustausch zu profitieren. Das Thema Frauen-Nationalmannschaft steht also oben auf der Liste. 2018 fand die erste von der UEFA veranstaltete Frauen-Europameisterschaft statt undzukünftig solche Turniere spielen zu können, wäre eine tolle Werbung für den Sport.